Reizvolles Ronda: Auf den Spuren von Hemingway und Rilke
Nur etwas mehr als eine Stunde von der überfüllten Costa del Sol entfernt: Ein andalusisches Dorf, umgeben von Olivenhainen, Pinienwäldern und Weingütern, das Ruhe ausstrahlt und auch Touristen für ein paar Stunden zur Besinnung kommen lässt. Auf dem Weg hinauf nach Ronda versteht man, was Schriftsteller wie Rainer Maria Rilke und Ernest Hemingway, James Joyce, Somerset Maugham und Rudyard Kipling fasziniert hat: Ein gigantischer Felsen, der auf seinen Schultern ein kleines Dorf trägt, wie Rilke im Winter des Jahres 1913 lyrisch registriert.
1974 pilgert auch der Reiseliterat und ewige Nomade Bruce Chatwin in das pittoreske Bergstädtchen. Und vor 30 Jahren erreicht Peter Handke im Autobus von Málaga kommend Ronda – mit atemberaubendem Ausblick auf das Ensemble der weiß getünchten Häuser – und steigt alleine zu den Mühlen am Tajo-Fluss hinunter. Zu Rilkes Zeiten führte noch La Mina, eine beklemmend enge, in den Felsen gehauene Wendeltreppe über 365 Stufen wie ein senkrechter Tunnel hinunter bis ans Wasser des Flusses.
… die Stadt Pate für die Novelle „Carmen“ stand, nach der das Libretto zu der Oper „Carmen“ von George Bizet entstand?
… sich bereits Rainer Maria Rilke als auch Ernest Hemingway von der Stadt inspirieren ließen?
… sich die Urne mit der Asche von Orson Welles auf einer Finca in Ronda befindet?
Zimmer Nummer 34
Flucht aus der Angst des Alltags lässt den ewig Heimatlosen und einsam Reisenden Rainer Maria Rilke hierher nach Andalusien kommen. In jener Zeit, als es noch die arabischen Bäder vor den Stadtmauern gibt, die er gerne besucht. Um sich danach in sein Zimmer Nummer 34 im Hotel Reina Victoria zurückzuziehen – hinter seinem schmiedeeisernen Fenster wirkt der Fels, als fiele er senkrecht ins Bodenlose. Von hier berichtete er seinen adeligen Adorantinnen wie Fürstin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe über die Luft von wundervoller Klarheit und Frische – von der sich der Dichter eine bessere Verteilung seines quälenden Blutes erwartet.
Der schüchterne 37-jährige Lyriker Rilke findet in Ronda keine Heilung von seinen Leiden, doch Inspiration, er schreibt Gedichte, und erlebt wie betäubt Momente der Unbeschwertheit. Seiner Mutter schreibt Rilke pathetisch von einem solch raren Glücksmoment seines Lebens, einem Panorama von unbeschreiblicher Hoheit: Die über und über geweißten kleinen Häuser sahen aus, als hätten sie alle reine Hemden angezogen, und dabei lag der Schatten des Vollmonds so stark über allem, daß man gelegentlich meinen konnte, zwischen lauter Schnee zu gehen.Heute huldigt man dem elegischen Rilke touristenfreundlich im Hotel Reina Victoria: Im Garten, gleich neben der Felskante, posiert der Dichter in Bronze gegossen vor einer Zypresse, eine schlanke Figur mit Schnauzbart und einem Buch in der rechten Hand. Sehnsuchtsvoll blickt er in die Weite der andalusischen Landschaft. Neben der Rezeption hat man einen Bücherschrank mit Rilke-Werken, von getrockneten Rosenblättern garniert, hingestellt. Schließlich ist die Rose Rilkes Lieblingsblume.
Über dem Abgrund
Die Neue Brücke ist der meistbesuchte Ort in Ronda, das meistfotografierte Bauwerk. Für Schwindelfreie. Ein mehr als 200 Jahre altes Meisterwerk der Ingenieurskunst, das den beklemmend bodenlos wirkenden Abgrund überspannt. Man hat das Gefühl, die Stadt balanciere am Abgrund. In den Cafés rund um die Brücke erzählt man sich von einem tödlichen Selfie-Irrsinn: Vor einigen Jahren sei hier ein Tourist aus Heidelberg 150 Meter in die Tiefe gestürzt – immer noch einen Schritt mehr Richtung Abgrund bewegte er sich auf der Brückenmauer, damit das Foto für die in Deutschland zurückgebliebene Familie noch eindrucksvoller wirke.
Die gepflasterten Gassen der Altstadt erinnern an Prag, die pittoresken Innenhöfe mit Brunnen, bunten Fliesen und üppigen Pflanzen an das marokkanisch-maurische Erbe Südspaniens. Stolz ist man auf die Ende des 18. Jahrhunderts gebaute Stierkampfarena, eine der ältesten Spaniens. Die Gegner der Corrida, jene Tierschützer, die gegen die grausame Tradition des Quälens und Tötens der Stiere kämpfen, werden auch in Spanien immer mehr, die Aficionados, die Befürworter des Stierkampfes, immer weniger: Inzwischen lehnen fast 70 Prozent der Spanier die traditionelle Tierquälerei ab. Vor der Arena steht ein mächtiger Stier aus Bronze. Er wirkt, als würde er wütend mit den Hufen scharren, um auch gegen das grausame Spektakel zu demonstrieren.
Stierkampf und Madonna
Dennoch findet in Ronda weiterhin, während der Feria de Pedro Romero in der ersten Septemberwoche, ein Stierkampf statt. Der weltweit einzige, der einem Torero gewidmet ist: Noch im Alter von 77 Jahren steigt der in Ronda geborene Romero ein letztes Mal zu Ehren der Königin Isabella II. in den Ring der Stierarena von Madrid. Ernest Hemingway schreibt im Roman Fiesta von einem mutigen, 19-jährigen Matador: von Pedro Romero. Im Stadtpark von Ronda steht sein Denkmal. Mit der Inschrift Für den Stierkampf muss man ein Mann sein, denn die Furcht schlägt mehr Wunden als der Stier. Zum Glück verstehen die meisten Besucher Rondas den spanischen Wortlaut nicht. Sonst fungiert die monumentale Arena des blutigen Schauspiels in Ronda als Bühne für klassische Konzerte. Bereits 1984 wird hier die Oper Carmen mit Julia Migenes und Placido Domingo verfilmt. Und vor 25 Jahren dient sie Madonna als Kulisse in ihrem Video Take A Bow.
Am frühen Morgen des 2. Juli 1961 beendet Ernest Hemingway sein Leben, er schießt sich mit einer doppelläufigen Schrotflinte in den Kopf. Auf dem Schreibtisch seines Arbeitszimmers findet man eine Stierkampf-Eintrittskarte for eternity. Für die Ewigkeit.
Hemingways Hideaway
Besuchen sie Ronda, für eine Hochzeitsreise oder mit ihrer Freundin. Die ganze Stadt gleicht einem romantischen Bühnenbild, schwärmt Hemingway von seinem Lieblings-Hideaway.
Oberhalb der Schlucht zum Tajo liegt heute der nach ihm benannte Paseo de E Hemingway. Längst gibt es in Ronda auch die Avenida Poeta Rilke, Cafés und sogar eine Fahrschule, die nach dem Poeten benannt sind. Seit vier Jahren blicken am Eingang zum Stadtpark zwei Herren streng und bedeutend Richtung Stierkampfarena: Ernest Hemingway und Orson Welles: Denkmäler für zwei Ronda-Ikonen.
Hemingway zieht 1959 für das US-Magazin Life quer durch Spanien, von Arena zu Arena, um in der Reportage Gefährlicher Sommer über den berüchtigten Zweikampf der Matadore Antonio Ordónez und Luis Miguel Dominguin zu berichten. Und ist von Ronda beeindruckt. Der bullige Orson Welles verbringt als 18-Jähriger einen Sommer hier und berichtet für mehrere Radio- und TV-Sender über die Stierkampf-Metropole im Süden Spaniens.
Auch Ava Gardner, die feurige Femme fatale Hollywoods, zieht sich für kurze Zeit nach Ronda zurück. Um nach ihrer Scheidung von Frank Sinatra Ruhe zu finden. Und nach unzähligen, heftigen Affären wie mit dem Stierkämpfer Luis Miguel Dominguin und Ernest Hemingway – der Freunde in seiner Finca Vigia auffordert: Bitte zieht die Schuhe aus und taucht eure Füße ehrwürdig in das Wasser des Pools, in dem heute Morgen Ava Gardner nackt geschwommen ist.
Wiener Werke
Seit fast dreißig Jahren lebt und arbeitet der österreichische Maler Heinz Greissing, einst einer der Lieblingsschüler von Oskar Kokoschka und Fritz Wotruba, im Sommer in Ronda. Seine Streifenbilder sind zum Markenzeichen des Wieners geworden: Dabei kombiniert der 86-Jährige mehrere Darstellungen (Vor-, Rück- und Seitenansicht) oder Zeitebenen in wechselnden Lichtverhältnissen zu unverwechselbaren, mehrdimensionalen Werken. Vormittags packt Greissing seine Utensilien zusammen, fährt im leicht klapprigen Citroen-Oldtimer in das biblisch anmutende Universum rund um Ronda – mit einem Panorama von unbeschreiblicher Hoheit – um hier seine Staffelei aufzubauen und bis zum Einbruch der Dunkelheit zu malen. Zwischen Zypressen, Mandel- und Pinienbäumen, vertrockneten Gräsern, Maultieren und Eidechsen, die sich seelenruhig auf den Felsen sonnen.
Es entstehen Bilder einer Landschaft, die wie früher den Lyriker Rainer Maria Rilke, Orson Welles und Ernest Hemingway, aber auch Ava Gardner, jene Venus des 20. Jahrhunderts, deren Liste gebrochener Herzen unendlich lang ist, beeindruckten.
DONNERSTAG
Museo Picasso Malaga Am Weg vom Flughafen Malaga nach Ronda: Besuch des Museo Picasso.
www.museopicassomalaga.org
Puente Nuevo Diese imposante Sehenswürdigkeit gibt gleich die besten Ein- und Ausblicke über die Stadt und die Schlucht.
Altstadtbummel… durch die engen Gassen von „La Ciudad“ und Pause im „Tragata“.
tragata.com
Rainer Maria Rilke Seit 1966 steht die Rilke-Statue im Hotelgarten des „Reina Victoria“. Blick auf die Berge der Serranía de Ronda.
www.cataloniahotels.com
FREITAG
Plaza de Toros Eine der ältesten und besterhaltenen Stierkampfarenen Spaniens.
Banos Arabes Nach einem Einkaufsbummel durch die Neustadt erreicht man über die Brücke Viejo die arabischen Bäder im islamischen Viertel San Miguel.
Bodega Garcia Hidalgo Weingut mit Führungen – großartige Tapas oder mehrgängiges Dinner inklusive. Übernachtung möglich.
bodegasgarciahidalgo.es
Albacara Am Fuße der Ponte Nuevo andalusische Spezialitäten genießen.
www.hotelmontelirio.com
SAMSTAG
Setenil de las Bodegas 17 km von Ronda entfernt liegt – als Teil der Straße der weißen Dörfer – dieser idyllische Ort.
La Cueva del Iberico Kleine Stärkung zwischendurch mit herrlichem Pata Negra aus der Provinz Cadiz.
www.jamonesyvino.com
Reservatauro Einführung in die Geheimnisse der Zucht des Kampfstieres und des andalusischen Pferdes.
www.reservatauro.com
Bar El Convento Bier, Wein, Essen, Atmosphäre – todo más bueno.
SONNTAG
San Francisco… heißt das ursprünglichste Viertel Rondas und liegt unten im Tal mit schönem Blick auf das Stadttor.
Mondragon Palace Museum in einem Haus aus dem 14. Jh. – mit Gärten und Wasserspielen.
www.turismoderonda.es
Kathedrale Santa Maria la Mayor Größte Kirche der Stadt am mit Palmen und Lorbeerbäumen bewachsenen Platz „Duquesa de Parcent“.
Mirador de Ronda Auf dem Weg zu den Klippen und vor der Stierkampfarena: die Büsten von Ernest Hemingway und Orson Welles.
www.cataloniahotels.com
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