Mit dem Nordwind von Porto nach Lissabon radeln

Ein Fahrrad steht an einem Küstenweg mit Blick auf das Meer und einen Leuchtturm.
Estrada Atlântica: Diese Radroute bietet Ausblicke auf ein Weltmeer sowie feine Einblicke in ein Küstenland.
Von Uwe Mauch

Abfahrt an einem Sonntagvormittag in Porto. Die Schleusen des Himmels sind heute geschlossen. Dieser Hinweis ist nicht unwesentlich. Denn im Centro Portugal ist speziell im Spätherbst und im Frühjahr vieles möglich, auch Tage, an denen es fast durchgehend regnet.

 

Eine Karte von Portugal mit eingezeichneter Küstenlinie und Städten wie Lissabon und Porto.

Vom Hotel rüttelt das Tourenrad durch die Altstadt, über viel Kopfsteinpflaster. Ein Vorgeschmack: die Portugiesen mögen Kopfsteinpflaster – im ganzen Land. Eine imposante Brücke, die Ponte Dom Luis I., führt über den Duoro, den drittlängsten Fluss der iberischen Halbinsel. Die Bogen-Konstruktion erinnert an Monsieur Gustave Eiffel, nicht ganz zufällig, denn Mitarbeiter seines Büros haben sie geplant.

Blick auf Porto und den Douro-Fluss an einem bewölkten Tag.

Porto hätte mehr Besichtigung verdient. Doch mit dem Rad ist man schnell raus aus der Stadt. Die südliche Uferpromenade führt an den alten Kellern vorbei, in denen schon im 17. Jahrhundert Portwein gelagert wurde. Sie mündet in einem großzügig angelegten Radweg, auf dem unzählige Flaneure auf schön herausgeputzten Mountainbikes flott unterwegs sind.

„Nortada“ im Rücken

Eine Gruppe von Menschen und ein Hund spazieren am Strand mit einer kleinen Kirche im Hintergrund.

Und dann die frische Brise des Atlantiks! Glücklich schätzen darf sich, wer den Nordwind hinter sich weiß. Die Chancen auf die „Nortada“ stehen meist gut, ebenso wie auf unserem Donauradweg, wo öfters West- als Ostwind bläst. Schön anzusehen ist die kleine Kirche mit dem klingenden Namen „Capela do Senhor da Pedra Distinguido“. Sie thront bei Flut auf einer Insel. Der Sandstrand davor wurde mal zu einem der schönsten Europas gekürt.

 

Ein fast leerer Espresso und zwei Pastel de Nata auf einem Holztisch.

Kaffeegeruch! Er wird die Küstenradler bis Lissabon begleiten. Auf der Jagd nach Fotomotiven dürfen sie sich hingegen Zeit lassen. Die kleine Kirche mit dem Namen „Capela do Senhor da Pedra Distinguido“ ist nicht zu übersehen. Sie thront bei Flut auf einer Insel. Nebenbei: der gleichnamige Sandstrand – er wurde schon einmal zu einem der schönsten Strände Europas gekürt.

Nach einer längeren Passage durch einen beinahe waldviertelartigen Wald und über den Strand von Furadouro führt der Radweg in eine Sumpflandschaft, die wiederum Züge des Seewinkels aufweist. Wären da nicht am Straßenrand Bäume voll mit Oliven, Orangen und Zitronen, auch die eine oder andere Palme.

 

Ein Radfahrer in einem Trikot mit der Aufschrift „Hungary“ fährt auf einem Holzsteg am Strand entlang.

Birdwatcher werden hier Augen machen: in der Lagune von Aveiro sammeln sich unzählige Fisch- und Vogelarten. Gut möglich, dass sie den einen oder anderen Storch oder Flamingo vor die Linse bekommen.

Aveiro, das Klein-Venedig Portugals, bietet sich für eine Überachtung an. Am nächsten Morgen weiterhin viel flaches Land. In Ílhavo ist die traditionsreiche Manufaktur Vista Alegre nicht zu übersehen. In den ehrwürdigen alten und neuen Hallen werden seit dem 18. Jahrhundert schöne Stücke aus Porzellan und Glas gefertigt, unter anderem fürs englische Königshaus.

Ein blau-weißes Straßenschild zeigt den Namen „Rua das Brejeiras“.

Und es scheint so, als würden die Hof-Lieferanten halb Portugal mit den typischen sofort lieb gewonnenen Keramik-Straßenschildern ausstatten. Auffallend ferner: Wenn die Einheimischen freie Zeit haben, fahren sie: a) mit dem Wagen zum Meer und lesen bei Regen im Wagen Zeitung oder b) mit dem Wohnmobil zum Campen aufs Land.

Schilder für Radrouten sucht der komfortverwöhnte mitteleuropäische Radtourist indes meist vergeblich. Dafür weist das von der Agentur „A2Z“ zur Verfügung gestellte Navi auf dem Fahrradlenker durchgehend in die richtige Richtung.

Blick vom Fahrradlenker auf eine Radtasche und einen Garmin-Fahrradcomputer.

Südwestlich von Mira wird erneut das Landesinnere erlebbar: eine zart hügelige Landschaft mit kleinen Ortschaften und ruhigen Waldpassagen.

Verhungern? Muss man im Centro Portugal nicht. Die Schweine, die hier im Freien rumlaufen, werden zu äußerst deftiger Kost verarbeitet.

Innenansicht einer Bibliothek mit gewölbten Decken und vollen Bücherregalen.

Weiterbildung dann in der alten Universität von Coimbra, die am 1. März 1290 gegründet wurde: Das Rektorat und die juridische Fakultät befinden sich weiterhin im Königspalast der Stadt, die bis 1255 als Hauptstadt Portugals dienen durfte. Die Mauern der Zentralbibliothek sind unfassbare 2,11 Meter breit. Ideal für die alten Schriften. Um sie vor Bücherwürmern zu schützen, hat das Rektorat spezielle Agenten angeheuert: Fledermäuse, die nächtens im Einsatz sind.

Apropos Schutz des Kulturerbes: Fotografieren ist hier verboten! Mit einer plausiblen Begründung der Führerin: „Behalten Sie diese wunderbaren Atmosphäre in Erinnerung, nicht in Ihrem Mobiltelefon.“

Ein blaues Schild mit Graffiti zeigt in Richtung des Meeres.

Die Kindheit verbrannt

Tiere säumen den Weg entlang des Mondego-Flusses. Zig Störche nisten wie in einer riesigen Studenten-WG auf den Masten der Stromleitungen, zwei Adler fliegen auf und begleiten die Radfahrer ein Stück ihres Weges.

Auf den sumpfigen Feldern wächst tatsächlich Reis, auch Weizen. Auch das Gelb der Lupinen erfreut das Auge! Die Gegend ist eine Kornkammer des Landes, und die gut befahrbaren Feldwege sind ebenso schnurgerade wie jene im Marchfeld, östlich von Deutsch-Wagram.

 

Ein Radfahrer fährt eine Kopfsteinpflasterstraße entlang, gesäumt von alten Gebäuden.

Genau in dem Moment, da das Mondego-Feld langweilig wird, zweigt die Radroute Richtung Südwesten ab. Auf der Fahrt zurück zum Meer wird das Ausmaß der Waldbrände im Sommer 2017 erahnbar: 25 Kilometer lang rechts und links der Straße verbrannte Erde, Asche, verkohlte Pinienstämme. Guide Ricardo ringt mit den Tränen. Das Feuer hat auch einen Teil seiner Kindheit verbrannt.

Immerhin, die Eukalyptus-Bäume schießen wieder auf. Wer bei Eukalyptus von Duft spricht, wird übrigens auf dieser Radtour seine Freude haben. Die Estrada Atlântica führt vom Praia da Vieiria kilometerlang kerzengerade Richtung Nazaré. En passant: In São Pedro de Moel sollte man frischen Fisch essen.

Eine Gruppe von Menschen blickt auf das Meer mit hohen Wellen.

Dann die Touristenstadt Nazaré, sie lehrt: Das Leben ist nicht Facebook. Im Forte de São Miguel Arcanjo, vor dem Praia do Norte warten all die „Wave watcher“ heute vergeblich auf die angeblich größten Wellen der Welt. Immerhin können sie die turmhohen Wasserbewegungen im Surf-Museum bestaunen.

 

Eine Möwe sitzt auf einem Felsen mit Blick auf einen Strand und eine Stadt.

Ein weiterer Touristenmagnet ist die mittelalterliche Burg von Óbidos. Hier wird ein Bus nach dem anderen ausgeladen. Glücklich, wer jederzeit auf sein Rad steigen und davon brausen kann.

Blick auf die mittelalterliche Burg von Óbidos, Portugal.

Weiter südlich, am Praia do Baleal erkennt man die Surfer sofort: Sie tragen auch bei Regen Flip-Flops, und alle sprechen kalifornisch. Die moderne Inszenierung produziert auch hier Schattenseiten. So hat der alte Fischerort Peniche mit seiner historischen Stadtmauer um den Hafen viel vom ursprünglichen Charme verloren. Südlich von Peniche erinnern Befestigungsanlagen aus dem 16. und 17. Jahrhundert daran, dass die Menschen früher nicht gegen die Wellen, sondern gegen die Piraten gekämpft haben.

Ein Wegweiser zeigt nach Silveira und Santa Cruz.

Südlich von Peniche reiht sich ein Surferparadies an das nächste. Nur die Befestigungsanlagen aus dem 16. und 17. Jahrhundert erinnern daran, dass hier einmal Menschen nicht gegen die Wellen, sondern gegen Piraten und andere Angreifer gekämpft haben.

Schön und ruhig sind die Orte, die ein wenig abseits des Meeres liegen, auf sanften Hügeln, mit frischer Brise.

Hinter Silveira, wo man de facto auf der viel befahrenen N 247 in die Pedale tritt, wird das Radeln kurzfristig sogar unlustig. Windböen vom Meer werfen Rad und Fahrer ständig aus der Spur, gleichzeitig ist links vom Knie der Luftzug vorbeirasender Autos unangenehm erlebbar. (Weniger Mutige ziehen auf dieser Etappe einen Transfer mit dem Bus in Erwägung.)

Eine Gasse mit weiß getünchten Häusern und blauen Akzenten in Óbidos, Portugal.

Die kleine Hafenstadt Ericeira, erstmals im Jahr 1229 urkundlich erwähnt, entschädigt für das Ungemach. Die alten Fischerhäuser wurden farbenfroh, die alten Kapellen schneeweiß herausgeputzt. Der Mix aus Bars und Cafés, religiösem Erbe, herrschaftlichen Residenzen, Touristen und Einheimischen hat seinen Charme.

Der Palácio Nacional de Pena in Sintra, Portugal, gesehen durch Bäume hindurch.

Vor dem Weltkulturerbe, der historischen Stadt Sintra, wartet der einzige nennenswerte Anstieg auf die Radler. Dafür ist die lange Abfahrt hinunter zum Cabo de Roca ein Riesenspaß. Wie sagte doch einst Luis Vaz de Camões über den Leuchtturm am westlichen Zipfel Europas? „Wo das Land endet und das Meer beginnt.“

Menschen genießen die Aussicht von einer Klippe auf das Meer.

Die Radreise endet nach 460 km. In Cascais, im urbanen Vorfeld von Lissabon. Wohl aus Sicherheitsgründen. Von sanfter Mobilität ist man in der Hauptstadt weit entfernt. Dennoch Respekt für Portugals Autofahrer. Die meisten halten Abstand zum Rad. Danke, sehr! Obrigado!

Blick von einer grünen Klippe auf das Meer unter blauem Himmel.

Anreise

Mit TAP Air Portugal nonstop von Wien nach Lissabon (zwei Mal täglich) und weiter nach Porto (stündlich).

www.flytap.com

Unterkunft

Vila Galé Porto Ribeira in Porto: Ruhiges Hotel am Ufer des Douro.

www.vilagale.com

Hotel Moliceiro in Aveiro: Bequemes Hotel direkt an einem Kanal.

www.hotelmoliceiro.pt

Hotel Vila Galé Ericeira in Ericeira: Exklusives  Anwesen mit schönem Meerblick.

www.vilagale.com

Ein Fahrrad steht vor einem weißen Gebäude mit einem großen Bild eines Surfers in Ericeira, Portugal.

Essen & Trinken

Fish Fixe in Porto: Frischer Fisch und Vino Verde am Ufer des Douro zu absolut fairen Preisen, www.fishfixe.pt

O Bairro in Aveiro: Fischrestaurant gleich neben der Fischhalle. Alles gut, frisch. www.centerofportugal.
com/de/o-bairro/

Marisqueira in São Pedro de Moel: 100 % frischer Fisch mit freiem Blick auf den schäumenden Atlantik.

Restaurante Maria Do Mar in Nazaré: R. Gulhim 13: Regionale Küche, stets frischer Fisch, Meeresfrüchte, super Service.

Ein Radfahrer vor dem Leuchtturm von Cabo Mondego in Portugal.

Tipp

Biken und hiken im Centro Portugal am Besten im Herbst sowie im April und Mai. Alleine oder in der Gruppe, mit Guide oder GPS: Die Agentur „Adventure A2Z“ hat das Know-how und das Equipment.

Auskunft

www.centerofportugal.com

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