Millstätter See, Kärnten
Ich war nie ein hippes Kind. Mit Topfhaarschnitt made by Mama und Stirnfransen bleibt die High-Society-Spielgruppe automatisch verschlossen. Vielleicht war der kindheitliche Werdegang auch spätestens dann entschieden, als ich, gebürtige Kärntnerin, das Schwimmen erlernte. Wohlgemerkt nicht im Wörther- sondern im Millstätter See.
Wer bei Kärntner Seen nur an den größten und wärmsten im Süden Österreichs denkt, versäumt ohnehin etwas. Der Millstätter See mag ruhiger als der große Bruder sein, besticht aber durch eine gewisse Grundentspanntheit. Wusste man schon als Kind, weiß man im fortgeschrittenen Alter noch mehr zu schätzen.
Besonders seit die Region verstärkt neben Badegästen auch auf Wanderer setzt. Und zu denen zählt man sich ebenfalls seit Kindesbeinen an. So lässt sich der Millstätter See heute auf kinderwagenfreundlichen Trails zum Beispiel Richtung Millstätter Alm erkunden oder auf aussichtsreichen Wegen, wie jenem zum sogenannten Granattor, mit Blick bis zu den Gipfeln der Karawanken, Karnischen Alpen und Hohen Tauern. Den smaragdgrünen See zu Füßen der Wanderer gibt’s gratis dazu. Für das Bergsteigerherz gilt auf der Höhe, was für den Badenden am Seeufer gilt: Alles ein wenig entspannter. Sanfte Anstiege und weite Blicke ja, aber Extremtouren und ausgesetztes Gelände muss man nicht fürchten.
Wer die Wanderschuhe lieber gleich für mehrere Tage schnüren möchte, für den hält die Region Millstättersee ab dieser Saison ein Wanderschmankerl parat. Auf dem neuen Etappenwanderweg „Via Paradiso“ geht es in vier Tagen auf insgesamt fünfundfünfzig Kilometer um den See. Die Wanderbegeisterten begleiten dabei neben See- und Bergblick als Fixstarter je nach Etappe barocke Villen, üppige Bauerngärten und Burgruinen.
Und wer der Formel der Veranstalter folgt, wandert an vier Tagen täglich im Schnitt vier Stunden. Maximal sechshundertfünfzig Höhenmeter werden dabei an einem Tag beim Aufstieg zurückgelegt. An einem sind es sogar nur zweihundertachtzig Höhenmeter. Sie erahnen: Es geht hier um mehr, als die Pulsuhr an ihr Limit zu treiben. Es geht um den Genuss. Und wer den ganz besonders erleben will, kann sich sogar einen bequemen Gepäckshuttle dazubuchen.
Auf den Tagesrucksack sollte aber auf keinen Fall verzichtet werden. Denn der Wanderer am Millstätter See muss eines immer an den Füßen und das andere im Rucksack haben: Wanderschuhe getragen, Badeschlappen eingepackt. Genügend Zeit für eine Abkühlung beim Sprung ins Wasser oder eine Rast in einer der Hängematten, die nahe am Ufer zum Innehalten einladen, bleibt immer.
Und die Frisur, heute kein Topfschnitt mehr, sondern ein Seitenscheitel, ist danach dann wirklich völlig egal.
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