Livigno, das "kleine Tibet der Alpen"
Schon bei der Anreise wird klar: Livigno in der Lombardei ist besonders. Zunächst geht es dem Inn entlang – durch Tirol und die Schweiz, dann südwärts hinauf in einen Nationalpark, bis der einspurige, dreieinhalb Kilometer lange Tunnel Munt La Schera die Winterurlauber verschluckt – und in einem breiten, schneereichen Hochtal auf 1.816 Meter Seehöhe wieder ausspuckt. Willkommen in Livigno, dem „kleinen Tibet der Alpen“. Bis 1952 war das italienische Bauerndorf in den Bergen des Valtellina (Region Sondrio) im Winter von der Umwelt abgeschnitten, erst der Bau der Straße über den Passo di Foscagno Richtung Bormio sowie des Tunnels in den Norden (erst 1971) beendete diese Isolation. Kein Weg in die Welt von November bis Mai, das prägte Livigno: Der Tourismus hielt erst spät Einzug, die bäuerliche Ursprünglichkeit blieb teilweise erhalten, aber Grandezza und Dolce Vita kamen dazu.
Das klingt weiter entfernt, als es ist: von Landeck sind es nur zwei Autostunden. Allerdings will die Anreise gut geplant sein: Der einspurige Tunnel ist abwechselnd pro Richtung für gewisse Stunden offen. Aber wer Livigno zu spät für nachmittägliche Pistenfreuden erreicht, findet im Dorfzentrum Ablenkung dank der mondänen Mischung uralter Häuser mit südlichem Alpincharme. Dem herrlichen Espresso folgt ein stilvoller Aperol Spritz. Man ist in Italien! Dazu gehört auch die glamouröse Shoppingmeile, Livigno lockt als Zollfreizone in rund 150 Shops, Boutiquen und Marken-Outlets mit Schnäppchenpreisen – von Bekleidung über Sportartikel bis zu edlen Juwelen, von Gucci bis Rolex.
Tags darauf ruft die Piste: Skilehrerin Christina Cusini kennt die Berge Livignos auswendig (und richtet gerade mit ihrem Bruder ein Öko-Bed & Breakfast ein: green-hospitality.it). Am Vormittag liegt die östliche Bergflanke mit dem Skiberg Mottolino in der Sonne. Über bestens präparierte Pisten carven wir zum Weiler Trepalle. Dieser Gemeindeteil auf 2.200 Meter gilt als höchster permanent bewohnter Ort Europas, die Einwohner mussten bis weit in die 1960er-Jahre ohne Strom auskommen. Heute hat sich das urige Bergdörfchen dem „Slow Tourism“ verschrieben. Christina erzählt: „Don Alessandro, der 1929 nach Trepalle strafversetze Pfarrer, gilt als Vorbild der Satire rund um Don Camillo und Peppone.“
Alternativen zum Skifahren
Livigno bietet auf beiden Talseiten 115 Pistenkilometer, meist oberhalb der Baumgrenze und mit viel Platz. Die zwei Skiberge sind per Skibus verbunden. So wechselt man mit der Sonne mittags auf den Carosello 3000, die glamourös-kulinarische Seite des Skigebiets: das Gourmet-Restaurant La Stuvetta in der Bergstation San Rocco. An weiß eingedeckten Tischen schmecken regionale Spezialitäten wie Pizzoccheri (Buchweizennudeln mit Käse, Kohl und Kartoffel) sowie die Klassiker des Bel Paese.
Für Freerider und Freestyler
Richtig spannend wird der Skisport hier abseits der Pisten: Im Backcountry wartet ein hundert Quadratkilometer großes Tiefschnee-Paradies auf Freerider und Tourengeher. Dank des Projekts „ALPsolut“ mit einzigartigen Sicherheitsstandards: täglich werden in Zusammenarbeit mit fünf Meteorologie-Stationen sowie den Bergführern exakte Lawinen- und Schneebulletins veröffentlicht. Powder-Junkies müssen sich an strikte Spielregeln halten, eine komplette Sicherheitsausrüstung ist obligatorisch. An den Eingängen zu den Gebieten kontrollieren Freeride-Stationen mit Detektoren die LSV-Geräte der Offpiste-Cracks.
Am Carosello 3000 gibt es auch zwei risikoarme Freeride-Übungsgebiete, außerdem geben Bergführer ab 16 Uhr Insidertipps für den nächsten Tag sowie jeden Sonntag Einführungskurse. Alles gratis. Dafür kostet das Heliskiing, das man auch probieren kann: ab 295 Euro/Person für zwei Flüge und Offpiste-Runs.
Auch das bunte Völkchen der Snowboarder und Freestyler findet sein Glück: Livigno zählt mit gewaltigen Funparks zur Weltspitze. Legendär ist der Snowpark Mottolino mit sechzig Obstacles und vier Lines für Sprünge. Hier finden regelmäßig internationale Wettbewerbe und Events statt, 2026 ist Livigno Austragungsort aller Snowboard- und Freestyle-Bewerbe der Olympischen Winterspiele Mailand/Cortina.
Das „kleine Tibet“ blickt mit grüner Gesinnung und umfangreichem Umweltschutz engagiert in die Zukunft: Ein Regionalgesetz verbietet die Verwendung von Plastik in Geschäften und Restaurants, die Shuttlebusse dürfen immer gratis benützt werden. Mit Maßnahmen zur nachhaltigen Landschaftspflege, Solarenergie und öffentlichen E-Ladestationen für Auto und Bike präsentiert sich das lombardische Winterwonderland als grünes Juwel.
Live im Interview: Claudia Jörg-Brosche beim großen Online-Reisetag im Gespräch über Schnee: von den besten Skigebieten über Trendsport bis zum Freeriden. Zu sehen am 16. Jänner ab 10 Uhr auf kurier.at/reise und ferien-messe.at (auch aktuelle Programminfos)
Klimafreundliche Anreise
Per Zug bis Landeck, dann mit Leihauto (Rail&Drive, oebb.at, ca. 200 €/Woche). Landeck – Livigno über Zernez: 120 km, rd. 2 Std., einspuriger Tunnel Munt La Schera: 15 bis 35 € pro Strecke. Shuttledienste (4 bis 8 Pers.): Innsbruck–Liv. ab 330 €; Landeck–Liv.: ab 240 €. Info: taxilivigno.eu
Skifahren
Saison bis Anfang Mai, 115 km Pisten (1.816–2.900 m), gratis Busverbindungen im ganzen Tal, Liftöffnung für 7.1. geplant.
Freeride- und Freestyle-Mekka: 100 Backcountry, viele Funparks. Skipass Free-Aktion 10.4. bis 2.5. 2021: Gratispass ab vier Nächten im Hotel
Essen und Relaxen
– La Stuvetta: Gourmet-Restau- rant mit gemütlichem Flair auf 2.797 m, carosello3000.com
– Camanel di Planon: urigedles Bergrestaurant mit Sonnen- terrasse, mottolino.com
– Latteria di Livigno: Käse aus der Milch von 25 Bauernhöfen, Verkauf und Tagesrestaurant, latterialivigno.eu
Schlafen
– Baita Montana: familienge- führtes 4*-Hotel mit Panorama- blick, schönem Spa und sehr guter Küche. DZ/HP ab 270 €, hotelbaitamontana.com
– Montivas Lodge 4*: brandneues, entrümpeltes, hippes Sportler-Basislager nahe der Carosello-Talstation; DZ/F ab 115 €, montivas.com
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