Kuba, überraschend deutsch
Dieser Balkon ist wie eine Theaterloge: Rechts ein großer Kreisverkehr, zur Rushhour brummendes XXL-Karussell aus flirrenden Scheinwerferkegeln. Geradeaus in der Ferne: Havannas Festung im Spielzeug-Format, davor ein kleiner Park. In dieser Kulisse steigen abends ausgelassene Salsa-Partys, morgens schwitzt eine Schulklasse bei Kniebeugen und Kurz-Sprints, kommandiert vom trillerpfeifenden Lehrer.
Alltag in Kubas Hauptstadt, bis 1990 stets beäugt durch deutsche Beamte – vom Logen-Balkon. Er gehörte zum DDR-Konsulat, ist heute der wohl schönste Frühstücksplatz Havannas – als Teil einer „Casa Particular“, eines gepflegten, Zwei-Zimmer-Gäste-Apartments. Reina Muro hat es 2011 in Havannas Zentrum eingerichtet, als Raul Castro solche Privat-Unterkünfte zuließ. Die 62-jährige Funktionärin einer kubanischen Frauen-Organisation schwärmt trotzdem mehr für Rauls Bruder und Staatschef-Vorgänger Fidel Castro, zeigt stolz ihre Fotos mit ihm. Und preist beim Gehen das supersichere Türschloss – eingebaut von DDR-Beamten. Nicht die letzte deutsche Spur dieser Kuba-Reise.
Ungeschminktes Havanna
Eine tägliche Spur hinterlässt Martin Staub – mit seinen E-Bike-Touren. Die durch Havanna rollt gerade vorbei an der mit UNESCO-Millionen restaurierten Altstadt. Pastellfarbene Fassaden, säulenbewehrte Zuckerbaron-Paläste und akkurat begrünte Parks – solche Touristentrauben-Spots streift der 59-jährige Saarbrücker meist nur, radelt mit seiner heute achtköpfigen Pedal-Karawane lieber durch ungeschminkte Teile der Zwei-Millionen-Metropole: Im Schlagloch-Slalom vorbei an Warteschlangen vor „Klopapierfachgeschäften“ – ein Spitzname für Läden mit karger sozialistischer Auswahl.
Weiter zu eindringlichen Graffiti der Künstlerin Michel Marabal und dann entlang kariöser Hauseingänge, die hüfthoch Schutt zu erbrechen scheinen. Kurzer Blick in eine Hinterhof-Boxschule, dann Stopp neben Che Guevaras verwittertem Wandbild: Davor viertelt ein alter Mann einen Fisch, den er – soeben erstanden – nun lauthals feilbietet, offenbar einige Pesos Gewinn erhoffend.
Unglücklich oder bitterarm scheinen die Menschen hier nicht, im schmuddeligen Gassengewirr beim Bahnhof – niemand bettelt die Radlergruppe an, einige tanzen spontan zu Mambo und Rumba aus Martins am Rucksack baumelnder Beatbox. Nächster Stopp: eine grüne Mini-Oase mit Sitzbänken unter Palmen, kickenden Jungs in Bayern-München-Trikots und zwei Büsten auf Stein-Stelen. Die erste zeigt Naturforscher Johannes Gundlach. Der Marburger entdeckte 1844 auf Kuba den Hummel-Kolibri, mit fünf bis sieben Zentimetern kleinster Vogel der Welt. Einer saust gerade am Ohr vorbei, brummend wie eine dicke Fliege. Büste Nummer zwei: Alexander von Humboldt – nach Kolumbus – verehrt als zweiter Insel-Entdecker, weil er Kubas geografische Lage exakt berechnete und die Sklaverei der spanischen Besatzer verurteilte.
Wieder werden die Radler von einem MZ-Motorrad überholt. Mehr als zehntausend davon – aus DDR-Produktion – knattern noch über Kubas Straßen, werden für etwa 12.000 Dollar gehandelt.
Runter vom E-Bike, rein in einen Oldtimer! Wohl nirgendwo kurven so viele Buicks, Pontiacs und Cadillacs in Pink, Metallicblau oder pfirsichfarben durch die Straßen wie auf Kuba. Franks apfelgrüner Chevy ist Baujahr 1949. Wie einst sein Opa gondelt der 25-Jährige heute darin Gäste über die Insel.
Mit nachträglich eingebautem Hyundai-Motor und Mitsubishi-Getriebe schaukelt der Chevy erstaunlich bequem über 230 Kilometer ausgemergelten Asphalt, vorbei an Pferdekutschen und mit Scheinen winkenden Anhaltern nach Cienfuegos, die vielleicht schönste Stadt Kubas. Durch kolonnadengesäumte Avenidas und das klassizistisch anmutende Zentrum mit Mini-Triumphbogen geht’s zur kleinen Marina.
Hier starten Segeltörns in den smaragdgrünen Golf von Cazones zu nahezu unberührten Inseln. Eine davon ist deutsch. Also, ein bisschen jedenfalls. Isla Ernesto Thälmann heißt sie. So getauft von Fidel Castro – nach dem von den Nazis ermordeten, deutschen Kommunisten Ernst „Teddy“ Thälmann.
Am 19. Juni 1972 landet Castro zum Staatsbesuch in Ost-Berlin, bekommt einen riesigen Plüschbären und überreicht Erich Honecker sowie der DDR sein Gastgeschenk: Die Thälmann-Insel: Fünfzehn Kilometer lang, fünfhundert Meter breit, komplett menschenleer. Das blieb auch so, denn die allermeisten DDR-Bürger durften ja nicht hinreisen zum „Playa RDA“ – dem Strand der DDR, von Fidel eigens umbenannt. Also schickten die Kubaner wenigstens Thälmann auf seine Insel – als vier Meter hohe Statue, feierlich enthüllt in Gegenwart einer Strohhut tragenden, teils pitschnassen, teils sehr seekranken DDR-Delegation.
Versunkenes Denkmal
Teddy, finster-entschlossen dreinschauender Betonkopf und einsamstes Denkmal der Welt, wurde 1998 von Hurrikan „Mitch“ umgeweht, steckt seitdem den Kopf in den Sand und ist nun wohl ganz versunken. „Wir finden ihn nicht mehr“, sagt Skipper Omar Alvarez Morales. Er steuert die Isla Thälmann regelmäßig an, zeigt Fotos mit pulverigen, piniengesäumten Stränden, Mangroven an ginklarem Wasser und erzählt, wie seine Gäste dort wilde Leguane beobachten. Aber, wem gehört dieses Paradies eigentlich? Eine Insel, der DDR geschenkt, müsste doch infolge der Wiedervereinigung gesamtdeutscher Boden sein, jubelten findige Journalisten 2001, fragten das Auswärtige Amt aber erst danach. Dessen Antwort: Nein, Fidels Mitbringsel für Erich war nur ein symbolischer Akt. Schade – auch um die schöne Schlagzeile: „17. Bundesland vor Kuba – Fidel schenkte uns eine Sonneninsel“.
Klimafreundliche Anreise
Condor fliegt über Frankfurt, KLM über Amsterdam nach Havanna. CO2-Kompensation via climateaustria.at: 63 €
Casas Particulares
Die Privat-Unterkünfte haben als Logo einen blauen Anker auf den Hauswänden. Die Verständigung mit den Gastgebern klappt meist mit Händen und Füßen, ein paar Brocken Englisch oder Spanisch. Möglichst vorab buchen, etwa bei Cuba Buddy
Rundreise
9 Tage Kuba, Übernachtung in Casas Particulares und Selbstfahrer-Rundreise, bei Cuba Buddy ab 460 € p. P. ohne Flug. 15 Tage Rundreise im Oldtimer mit Fahrer ab 1.578 € p. P. cuba-buddy.de
Rundgänge
in Havanna mit Guide Luis Lemagne Acosta (auf Deutsch) luis.lemagne@nauta.cu
Essen und Trinken
– Hotel Raquel in Havanna raquel.havanacityhotels.com
– Restaurant Grados, Juwel in Havanna, Calle E, No 562.
– Restaurant Villa Lagarto in Cienfuegos, Calle 35, No 4b.
Währung
Touristen müssen in CUC zahlen. 1 CUC = etwa 1 €. Am besten in bar am Flughafen an speziell. Automaten tauschen
Internet
WLAN steckt noch in den Anfängen. Es gibt reichlich Netze in Hotels und Lokalen. Sie verlangen aber Geld für die Nutzung. Daher am besten die staatlichen ETECSA-Karten kaufen. Ein zuverlässiger Spot: Vor der Hemingway-Bar La Bodeguita del Medio, Havanna
Allgemeine Infos
cubainfo.de
Drei Tipps: Erleben und Rumkommen
Kolibris
Die vom deutschen Forscher Juan Gundlach entdeckten Kolibris beobachtet man – gegen eine kleine Spende – am besten in einem versteckten Hinterhof des Dorfes Palpite in der Nähe der Schweinebucht. Hier hat Bernabe Hernandez kleine Behälter mit Zuckerlösung in die Bäume seines Gartens gehängt, die von den Kolibris angeflogen werden.
Zigarren
Ein auf den ersten Blick gar nicht deutsches Mitbringsel: Zigarren. Deutschen Ursprung haben sie, sofern Upmann draufsteht. Zwei Brüder dieses Namens schickten als Banker auf Kuba ein paar Zigarren nach Deutschland, waren begeistert, wie gut die Glimmstangen in der Heimat ankamen und gründeten eine Zigarrenfabrik. Sie sollen auch die kunstvoll gestalteten Zigarren- Banderolen erfunden haben.
Ernst-Thälmann-Insel
Die unbewohnte Insel ist zirka 15 Kilometer lang und 500 Meter breit. Fidel Castro überreichte 1972 bei einem Staatsbesuch in der DDR Erich Honecker eine Landkarte, in der die Insel als „Cayo Ernest Thaelmann“ (ein Ex-KPD-Vorsitzender) verzeichnet war. Mehrtägige Segeltörns zur Isla Thälmann bietet der deutsche Veranstalter Platten Sailing ab Cienfuegos an. cuba-sailing.de
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