Kleine historische Städte: Urbanes Gefühl, ziemlich entspannt
Markus Deisenberger dreht sich um. Da steht ihm, „nur sechs Meter“ entfernt, ein Steinbock gegenüber, starrt ihn an. Mitten in einer Stadt. „Mir hat zuvor keiner gesagt, dass es in Steyr (im Burggraben von Schloss Lamberg) Steinböcke gibt, das war wie im Comic“, schildert er die Begegnung der tierischen Art.
Der gebürtige Salzburger, Jurist und freischaffende Journalist reiste mit Auto, Zug und Rad in siebzehn österreichische Kleinstädte und erlebte das Flair vor Ort auf sehr persönliche Art und Weise. Der aktualisierte Reiseführer dazu ist soeben erschienen.
Deisenberger war zumindest je zwei Tage vor Ort. „Der erste Tag war geführt, da wurde mir die Stadt gezeigt, den zweiten habe ich auf eigene Faust erlebt.“ Jede Stadt habe etwas Spannendes, Originelles. Wenn er am Ende eines Kapitels schreibt, er kommt wieder, sei das keine Werbefloskel. In Bad Radkersburg hat er sich regelrecht verliebt, mit seiner Familie war er mittlerweile mehrmals dort.
Überhaupt hat er zu jeder Stadt sofort eine Geschichte parat. Bludenz? „Hat eine der schönsten Umgebungen: Lünser See, Klostertal – ich bin sowieso großer Ländle-Fan.“ Radstadt? „Tolles Bergfilmfestival, lässiges Programmkino. Da kann man abseits vom Skifahren im Pongau auch was machen.“ Kufstein? „Der Orgelspieler! Die Heldenorgel der Festung Kufstein wird täglich zu Mittag gespielt. Die ist so laut, dass Kulturveranstaltungen kurz unterbrochen werden.“ Die größte Freiorgel der Welt ist, je nach Wind, bis ins benachbarte Bayern zu hören.
All diese Städte hätten eines gemeinsam – die „wahnsinnig hohe“ Lebensqualität. Er wundert sich, warum einige mit Abwanderung zu kämpfen haben, es liegt „alles um die Ecke“: der historische Stadtkern, die kulturelle Vielfalt, die Natur zum Erholen und Sporteln – und die Einkaufsmöglichkeiten. „Die Zeiten, wo man für coole Klamotten in die Landeshauptstadt fahren musste, sind vorbei. Leoben hat ein Einkaufszentrum mitten in der Stadt, das ist richtig clever.“ Entscheidend seien auch engagierte Menschen, die mit Initiativen zur Stadtbelebung beitragen, „auch gegen politische Widerstände“.
Herzblut statt verstaubter Touch
„Und“ – es klingt wie ein peinliches Geständnis – „ich bin ein Fan von Bezirksmuseen geworden.“ Von verstaubtem Touch könne keine Rede sein. Oftmals seien Privatpersonen mit irrsinnigem Herzblut bei der Sache, wie im Mühlviertler Schlossmuseum in Freistadt. „Da steht immer ein guter Typ, der das seit zwanzig Jahren betreut, jeden Fund kennt und tolle Geschichten über die Region erzählt.“
Kriterienkatalog
Um am touristischen Zusammenschluss „Kleine historische Städte“ mitmachen zu können, müssen Bewerber etliche Kriterien erfüllen, dazu zählen: Stadtrecht, Führungen mit zertifizierten Guides, Festivals mit überregionaler Bedeutung, ein regelmäßiger Bauern- oder Wochenmarkt, Besucherattraktionen (wie Therme, Brauerei oder Schifffahrt) und eine intakte Naturlandschaft in der Region.
Freistadt
„Ob Bierkultur oder ‚wirkliche‘ Kultur“, von seinem Besuch in der mittelalterlichen Braustadt war Deisenberger sehr angetan. Vor allem vom Mühlviertler Schlossmuseum (museum-freistadt.at) war er hellauf begeistert. Freistadt zählt zu den wenigen Städten in Österreich, deren Befestigungsanlagen fast vollständig erhalten sind. Im Bild: Linzertor und Stadtgraben
Bad Radkersburg
Als „familiär und sehr lässig“ beschreibt Deisenberger die südsteirische Thermenstadt. Ob Rad fahren durch die Murauen oder in den Weinbergen, Weinwandern auf dem Traminerweg – der „Reiz des Südens“ ist spürbar. „Und bei schlechtem Wetter geht’s in die Parktherme“ – diese liegt direkt am Grenzfluss Mur und nah am mittelalterlichen Stadtkern. badradkersburg.at
Hallein
Zur nahe gelegenen Arbeiterstadt habe man als „hochnäsiger“ Mozartstädter (Deisenbergers Eigendefini- tion) ein stiefmütterliches Verhältnis. Dabei hat die Keltenstadt an der Salzach mit dem unberührten Altstadtkern – im Bild die Griestorgasse – „ein „supernettes Zentrum, gute Lokale und Shopping- Möglichkeiten“. hallein.com
Was auffällt: Elf der aktuell siebzehn teilnehmenden Städte liegen in zwei Bundesländern. Generell sei die Stadtrecht-Dichte in Oberösterreich und der Steiermark größer als anderswo, heißt es seitens der Arbeitsgemeinschaft KHS. Die erforderlichen 300 Gästebetten seien oft die größte Hürde. Städte wie Krems, Hall in Tirol oder das burgenländische Rust, die kleinste Statutarstadt Österreichs, würde man gerne aufnehmen. Hartberg und Wolfsberg sind kürzlich dazugestoßen. „Diese Städte sind touristisch nicht überlaufen, die Atmosphäre ist entspannt.“ Deisenberger denkt daran, wie er am Hartberger Stadtplatz (die erste steirische Città Slow) das mediterrane Gefühl genossen hat – „wie in Italien“.
Klimafreundliche Anreise
Alle Städte sind mit der Bahn erreichbar. Tipp: Einige Städte kann man gut mit einer Radtour verbinden, etwa die entlang der Mur. oebb.at
Themenrouten
Auf khs.info werden folgende Themenrouten empfohlen:
– Entlang der Mur (Judenburg, Leoben, Bruck/Mur, Hartberg, Bad Radkersburg)
– Wein, Garten & Biergenuss (Baden, Freistadt, Schärding, Hallein)
– Stadterlebnis & Gipfelsturm (Bludenz, Kufstein, Radstadt, Wolfsberg)
– Kaiser, Künstler & Kaufleute (Braunau, Steyr, Gmunden, Bad Ischl)
– Motorradtouren
Reiseführer
Was Gäste und Einheimische in 48 Stunden in einer Stadt erleben können, wird im Guide „17 kleine historische Städte in Österreich“ erläutert. Dieser ist kostenlos erhältlich: info@khs.info,
Tel. 07252 / 522 90
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