Kajaken für Genießer: Paddeln unterm Polarlicht
Für die meisten wäre ein Abend in der ofenwarmen Jurte wahrscheinlich genau richtig gewesen. Draußen ist es schließlich nicht nur dunkel, sondern auch kalt. Sehr kalt. Das Thermometer zeigt zweistellige Minusgrade an. Doch nachdem die kleine Gruppe Reisender nach einer Autofahrt raus aus Tromsø, einer Fährüberfahrt auf die Insel Rebbenesøya und einer kurzen Schneeschuhwanderung das Camp mit den zwei Jurten erreicht, bleibt zum heimeligen Verkriechen keine Zeit.
An diesem Abend geht es nach dem Essen raus in die Natur, aufs Wasser sogar, um in die Dunkelheit zu paddeln und mit Guide Lise vom Kajak Ausschau nach den Nordlichtern zu halten. Während sich dafür alle in rundherum kältesichere Trockenanzüge zwängen, hängen zwar noch einige Wolken vor den Sternen. Die Chancen auf einen grünen, vielleicht sogar roten Lichtertanz am Himmel sollen trotzdem recht gut stehen an diesem Abend. Zumindest verspricht die Vorhersage erhöhte Nordlichtaktivität. Auch die Umgebung ist für die Beobachtungen perfekt, denn auf der abgelegenen Insel gibt es so gut wie kein künstliches Licht, das den Eindruck der Aurora Borealis abschwächt – schon gar nicht spät abends.
Wenn man nach Nordnorwegen fährt, um das leuchtende Schauspiel zu beobachten, muss man aber trotzdem gar nicht so weit aus Tromsø raus wie für diese abenteuerliche Kajaktour. Selbstbewusst und marketingwirksam wird die Stadt „Nordlicht-Hauptstadt der Welt“ genannt. Entsprechend bleiben viele dort, um ihr Nordlichtglück zu versuchen. Zahlreiche Busse kutschieren Abend für Abend große Gruppen durch die Stadt und über die Stadtgrenzen hinaus, um dem Naturphänomen nachzujagen. Gegen diese touristischen Angebote ist die Tour mit Andrei von „Enjoy the Arctic“ zwar ein bisschen teurer, dafür ist die Gruppe klein. Das hat gleich mehrere Vorteile, denn der Guide hat nicht nur genug Zeit, an jeder Station alle Teilnehmer in unterschiedlichen Posen vor den Nordlichtern zu fotografieren. Er gibt ihnen auch Ratschläge für die mitunter schwierige Polarlicht-Fotografie – ob mit dem Smartphone oder der teuren Spiegelreflexkamera: Wie stellt man Motive in der Dunkelheit scharf? Welche Einstellungen sind am besten für die Situation? Mit welchem Kniff werden die Personen auf den Bildern hell, aber nicht überbelichtet?
Außerdem ist eine Jagd mit wenigen Jägern flexibler. Immer wieder kontrolliert Andrei die aktuelle Vorhersage am Mobiltelefon. Er schaut nach, wie sich die Intensität der Aurora Borealis gerade entwickelt und in welche Richtung er mit dem Minibus sausen muss, um die größte Chance auf starke Nordlichteindrücke zu haben. Für heute Abend hatte er geplant, zu einem Berg außerhalb Tromsøs zu fahren. Doch schon zum Start der Tour tänzeln die Lichter über dem Stadthimmel so stark, dass er kurzerhand in eine Nebenstraße biegt und die Gruppe aussteigen lässt: schnell das Stativ aufstellen, die richtigen Einstellungen an der Kamera vornehmen und losfotografieren.
Es ist der erste Stopp von mehreren. Wenn das Licht an einer Stelle verschwunden ist, trommelt er alle Teilnehmer wieder zusammen und steuert mit dem Minibus die nächste Station an. Da sich das Polarlicht dabei wie ein mächtiger Bogen über den Himmel spannt, taucht es wenig später als mächtiger Schweif hinter einem Wohnhaus auf. Einmal tänzeln die grünen Himmelsschlieren über den Bergen. Am schönsten ist allerdings der Blick über den nächtlichen Fjord und die Stadt, während sich Polarlichter im Wasser spiegeln. Als nach ein paar Stunden alle vorerst nordlichtsatt sind, macht Andrei am Fjord ein Lagerfeuer und lässt die Tour bei gegrillten Würstchen und Glögg ausklingen, während die Lichter noch weitertanzen.
3 Tipps für Tromsø
Die letzte Hütte
Auch beim Besuch in der „Polar Cabin“ von Jana und Michal in Vagnes hoffen die Gäste auf Nordlichter. Um dorthin zu kommen, muss man sich nach einer fünfundzwanzig Kilometer langen Minibusfahrt auf einem Parkplatz die Schneeschuhe unterschnallen. Im Entenmarsch stapfen alle durch den Schnee bis zum letzten Haus einer kleinen Straße, das noch an das Stromnetz angeschlossen ist. Vor vierzig Jahren wurde es gebaut und als Schullandheim genutzt. Seit knapp zwei Jahren empfängt das Gastgeberpaar Touristen. Zwar kann man dort auch übernachten, heute Abend ist aber nur ein Abendessen geplant – und eine ausführlichere Schneeschuhwanderung, bei der Kabeljau und Dessert wieder abtrainiert werden. Obwohl es spät am Abend und sehr dunkel ist, sind die Stirnlampen dabei fast unnötig, denn durch den Schnee sind der Weg und die Landschaft von Vagnes gut erkennbar: eine abwechslungsreiche Gegend mit Bergen, Steppe und fünf Seen. Das alles ist in der Winternacht kaum zu sehen, aber zur Hauptattraktion wird ohnehin wieder das Nordlicht, das ausdauernd grüne Schlieren am Himmel zieht.
Auch bei der spätabendlichen Kajaktour lässt das Weiß des Schnees im Mondlicht die karge Landschaft aus Inseln, Inselchen und Felshügeln erahnen. Die Stirnlampen bleiben daher aus, als Lise die Kajaks der Mitternachtspaddler nach und nach mit einem Stoß aufs Wasser schiebt. Angst, ins Wasser zu fallen, braucht man nicht zu haben. Die Kajaks liegen stabil auf dem tintig dunklen Nass und ohnehin würden die Anzüge beim Kentern erst einmal warmhalten.
Sorglos und mit gemächlichen Zügen gleiten schließlich alle durch die Polarnacht. Am Himmel funkeln derweil die Sterne hinter ein paar schmalen Wolkenbändern. Und im Wasser glitzern die Eisverkrustungen der Algen im Lichtkegel, wenn man doch einmal die Stirnlampe anknipst und in die Gegend leuchtet. Ein paar Enten werden durch die Kajaks aufgeschreckt und fliegen zeternd fort. Ansonsten ist nichts zu hören. Nur Stille, manchmal ein leises Schwappen. Schließlich tauchen über den Paddlern tatsächlich Polarlichter auf. Nur mittelmäßig intensiv zwar und mit wenig tänzelnden Bewegungen, aber immerhin.
Fotos zu machen, ist in dieser Situation allerdings schwierig. Auf dem Kajak ist es zu wackelig. Aus dem Kajak auszusteigen und durch das Eiswasser ans Ufer zu wackeln, ist mühselig und mit der Ausrüstung auch riskant. Nach ein, zwei Versuchen ist es daher besser, im Kajak zu bleiben und den Ausnahmemoment zu verinnerlichen: Trotz Eis, Schnee und Dunkelheit im Kajak zu sitzen und irgendwo weit über dem Polarkreis diese exklusive Himmelsshow zu beobachten. Nach einiger Zeit wird es dann aber doch etwas kühl im Kajak. Es ist Zeit, zurückzupaddeln – und sich in der ofenwarmen Jurte unter die dicken Federbetten zu verkriechen.
Klimafreundliche Anreise
Ab Wien gibt es Flüge über Frankfurt oder andere Stopps, die CO2-Kompensation beträgt etwa 14 Euro hin und zurück. Wer Zeit (und Geld) hat, könnte aber die lange Traumanreise wählen: per Schiff entlang der Küste (hurtigruten.de), mit Zug und Bus (siehe Website vy.no) oder per Auto. Es lohnt sich
Übernachten
– Thon Hotel Polar: zentral gelegen, modernes Stadthotel. thonhotels.com
– Scandic Ishavshotel am Kai von Tromsø: stilvolle Zimmer, guter Ausblick, Auszeichnung für „das beste Hotelfrühstück der Region“, scandichotels.de
Nordlichttouren
– Arktische Paddeltouren mit Nordlichtjagd und Schlafen im Jurtencamp bietet Elements Arctic Camp: z. B. 2 Tage Camp mit kajaken ab 440 € p. P. elementsarcticcamp.com
– Enjoy the Arctic bietet u. a. Nordlichtjagden in kleinen Gruppen, Foto-Know-how und Snacks am Lagerfeuer, ab ca. 145 € p. P., enjoythearctic.no
– Polar Cabin außerhalb der Stadt: Abendessen, Schnee- schuhwanderung, Nordlicht. Guter Ausgangspunkt für Aktivitäten in der umliegenden Natur: polarcabin.no
– Tipp: Stadtberg Storsteinen, auf eigene Faust zu erwandern und toller Blick. Ausrüstung z. B. bei tromsooutdoor.no
Auskunft
visittromso.no
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