Hotspot der Reichen: die Hamptons
"Sensationell, das alte Segelboot, das gerade hereinkommt. Solche Boote machen sie heutzutage gar nicht mehr.“ Dan Rattiner geht zum Rand seiner Terrasse, die an die Reling eines Schiffes erinnert und lässt den Blick über die Bucht vor ihm schweifen. Er lebt seit seiner Kindheit in den Hamptons, Hotspot der Reichen und Schönen, und ist der Gründer der Gratis-Kult-Zeitung Dan’s Paper.
Dan hat sie alle kommen und gehen gesehen: Politiker, Finanzmogule, Wallstreet-Banker, Designer, Künstler, Stars und Sternchen. Zu seinen Freunden zählen Hollywood-Regisseur Steven Spielberg und Schauspieler Alec Baldwin, die hier ebenso ein Haus haben. „Jeder Ort hat sein eigenes Flair, seine eigene Persönlichkeit und das zieht verschiedene Leute an“, erklärt Dan.
Historiker Dan Rattiner im Interview mit Angelika Ahrens: „East Hampton ist vielleicht der schönste Ort.“
Ein Schiff wird kommen: eine Yacht gehört hier natürlich dazu
Endlos weite Strände
Der ehemalige Walfängerort Sag Harbor wirkt wie eine Puppenstube. Hier sind auch die Grundstücke kleiner als an der Südküste. Kaum eine Ligusterhecke versperrt die Sicht auf die Postkarten-Idylle made in the USA
Wahrzeichen Leuchtturm. Jeder, der nach Montauk kommt, pilgert hierher
Einfach mal parken und die Aussicht genießen. Aber nicht ohne meinen Sonnenhut
Hier sind viele cool unterwegs
Die Hamptons sind ein absolutes Paradies für Surfer und Sonnenanbeter mit Top-Stränden. Vom abgelegenen Montauk Statepark hat man einen perfekten Blick auf den Atlantik und New Yorks ältesten Leuchtturm aus dem Jahr 1796.
Die Bedingungen sind perfekt zum Wellenreiten. Künstler wie Andy Warhol haben die „easy going vibes“ ebenso genossen. East Hampton und Bridgehampton sind der Spielplatz der Madison Avenue. Obwohl so viele Promis und Superreiche hier leben, kreuzen keine Paparazzi plötzlich auf, wenn ein Star gesichtet wird, so wie in Manhattan oder in Hollywood. Jeder kann so sein, wie er will. Einfach und ungezwungen oder exklusiv: „Ich glaube, die Leute sind schon daran gewöhnt, dass sie Tür an Tür mit ihnen leben“, sinniert Dan.
Die Hamptons sind unter anderem bekannt aus der TV-Serie „Revenge“ und dem Film „Was das Herz“ begehrt mit Diane Keaton und Jack Nicholson (das Haus, das Kulisse im Film war, ist übrigens für 41 Millionen Dollar verkauft worden). In Montauk spielt auch die Erzählung von Max Frisch mit dem Titel „Montauk“ sowie der Bestseller von John Irving „Witwe für ein Jahr“.
Das Urlaubsparadies, das gleichzeitig nah der Stadt ist, lockt viele New Yorker. Die Hamptons liegen rund 150 Kilometer auf dem östlichen Zipfel von Long Island. „Out East“, wie man hier sagt. Ein Zusammenschluss von rund 20 Ortschaften, hübsche Kleinstädte am Atlantik. Hier haben die Menschen in der Kolonialzeit vom Fischen, Walfang und der Landwirtschaft gelebt. Heute flankieren immer mehr Luxuskarossen die pittoresken Farmstände neben der Straße.
"Check this out! – Schau dir das an!“ Shawn Eliott ist voll in seinem Element, wenn er eine seiner Immobilien präsentiert. Er ist Direktor für die Ultra-Luxury-Abteilung von „Nestseekers“. Seine Agentur bietet etwa ein Anwesen in Southampton mit Tennisplatz, Pool und Kinosaal. Der Master-Bedroom hat zwei Badezimmer – für sie und ihn, Fitnessstudio und Wellnessabteilung mit Sauna und Dampfdusche erinnern an ein Fünf-Sterne-Spa. Für mehr als 22 Millionen Dollar gibt es die Schlüssel. Ein anderes Objekt bietet viel Grün rundherum, besser gesagt Ländereien – unfassbare 200.000 Quadratmeter. Mit 7,5 Millionen Dollar vergleichsweise günstig.
„Der Immobilienmarkt ist heiß“, so Sarah Burack, ebenfalls Luxus-Maklerin bei „Nestseekers“. „Ich bekomme fünf Anrufe pro Stunde. Die Nachfrage sei in den Hamptons heuer um fast 90 Prozent gestiegen. Etliche New Yorker hätten ihr Apartment in Manhattan verkauft und wollten unbedingt in den Hamptons sein, erzählt die Luxus-Maklerin. Weil durch die Pandemie heuer lange Zeit keine Häuser besichtigt werden konnten, haben viele Käufer ihr „Haus“ nur virtuell oder im Vorbeifahren besichtigt. Dabei ist die Rede von Häusern im Wert von zehn Millionen Dollar und mehr. „Jeder will hier draußen sein. Die Leute überbieten sich bei den Preisen“, so Burack.
Durch die Pandemie und die Proteste habe es einen Massen-Exodus aus NYC gegeben, so die Makler. Viele New Yorker haben heuer im März ihre Apartments und Townhouses in Manhattan fluchtartig verlassen und sind mit Kreditkarten und dem restlichen Desinfektionsmittel in die Hamptons aufgebrochen. Sie haben einen anderen Lebensstil gesucht: „Angefangen hat es damit, dass die Leute Häuser gemietet haben. Aber schon nach kurzer Zeit gab es nichts mehr zu mieten und dann haben sie gekauft. Weil sie keine Wahl hatten“, so Shawn Eliott. „Und sie haben gesagt, wenn ich schon 300.000 bis 500.000 für den Sommer zahlen soll, dann kann ich gleich kaufen.“
Die Stars lieben die Hamptons – heuer mehr denn je: Sarah Jessica Parker wurde im Mai bei der Anbetung der Sonne gesichtet
Surfbretter kann man einfach nicht genug haben: Wellenreiten gehört hier dazu
Das Boot wird auch gleich in den eigenen Garten gebaut
Schön wie echt: Werke der New Yorker Künstlerin Carole Feuerman sind in Downtown Montauk zu sehen. Detailgenauigkeit und hyperrealistische Darstellungsform
lassen diese Schwimmerin täuschend echt aussehen
Sag Harbors American Hotel: Das Hotel aus dem Jahr 1846, aus der Zeit, in der der Walfischfang am Höhepunkt war. Die Weinkarte im Restaurant umfasst ganze 85 Seiten
Zehen-im-Sand-Style in den Hamptons
Und der Haifisch, der hat Zähne: Anfang der 60er-Jahre wurde auf Long Island ein zwei Tonnen schwerer Hai gefangen. Das Ereignis inspirierte zum Roman „Der weiße Hai“ – die Vorlage für den legendären Thriller von Hollywood-Regisseur Steven Spielberg
Alle wollen raus aus New York. Aber nicht jeder nimmt die zwei- bis dreistündige Autofahrt und den Verkehr aus der Stadt auf sich. „Du schaust nach oben und siehst all die Privatjets, die landen“, meint Landschaftsgärtner Ray Hernandez. Das sei nicht immer so gewesen. „Heute sind es allein in Westhampton 20 bis 30 pro Tag am Wochenende.“ Und viele lassen sich gleich per Hubschrauber zu ihren Häusern fliegen. Wer am Wasser residiert kommt per Wasserflugzeug aus Manhattan. Kostenpunkt: bis zu 4.000 Dollar – one way. Eine Kleinigkeit im Vergleich zu der sündteuren Monatsmiete, die Rihanna in der Nähe von Southampton oder Justin Bieber in Montauk diesen Sommer hingelegt haben: rund 400.000 Dollar für einen Monat.
Beide Deals haben die Makler von „Nestseekers“ zustande gebracht: „Angebot und Nachfrage, that’s it“, so der prägnante Kommentar dazu von Shawn Eliott, der Luxusimmobilien-Direktor der Agentur.
Auch sonst haben die Makler alle Hände voll zu tun: „Kein Zweifel, eine Masse der Mittel- und Oberklasse bis zu den Megareichen zieht es raus in die Vororte und die Hamptons“, so Shawn. In den kleinen historischen Städtchen und ehemaligen Fischerdörfern reiht sich ein Maklerbüro an das nächste, auf beiden Seiten der Straße. Manchmal wechseln sie sich ab, mit Shops oder Galerien mit maritimer Kunst: Die Clintons haben schon Installationen der international bekannten Künstlerin Carole Feuerman in ihrer Privatsammlung. Manch einer holt sich den Sommer mit Kunstwerken aus Vintage-Surfboards für 5.000 Dollar ins Haus.
Die historischen Straßen und Gassen mit ihren schmucken, viktorianischen Holzfassaden und weißen, teilweise verwitterten Gartenzäunen laden zum Flanieren ein. An den scheinbar endlosen feinen weißen Sanddünen protzen mondäne historische und moderne Villen. Das Nachtleben beschränkt sich in der Regel auf „Essen gehen“, davon profitiert auch Donna Karans Tochter Gabby mit ihrem Lokal „Tutto il Giorno“ in dem alten Walfängerort Sag Harbor.
Die Trends heuer sind aber Take-out und Drive-Thru, gezwungenermaßen. Von authentisch mexikanischen Tacos mit gegrilltem Mahi Mahi (Goldmakrele) bis zum Hummersandwich Lobster-Roll. Das „Weingut Wölffer“ in Sagaponack bietet Rosé-Liebhabern Wein und Antipasti im Vorbeifahren an. Eine Outdoor-Boutique in Form eines Candywagens steht bereit. Auch bei den beliebten Bauernmärkten heißt es heuer schon mal: Sitzenbleiben. Verkauft wird nur im Drive-Thru. Den entschleunigten Lebensstil genießt in den Hamptons auch die New Yorker Schauspielerin Sarah Jessica Parker („Sex and the City“) mit ihrem Mann Matthew Broderick und den Kindern. Dem Vernehmen nach haben sie gleich mehrere Anwesen hier, eines davon in Amagansett. Und da kann man „Carrie Bradshaw“ schon mal beim Einkaufen im lokalen Supermarkt oder am Strand treffen. Natürlich und mit Flip Flops statt sexy Glitzer-Stöckelschuhen wie in New York City.
Der Hamptons Chic ist ein Mix aus zwei verschiedenen Lebensstilen, erklärt Rex Chatterjee, Moderator von „The Out East Vibes Podcast“: Die New Yorker haben einen geradlinigen Stil, neutrale Farben, monotones Blau, Grau und Schwarz mit einem Schuss Avantgarde“, so Rex.
Und in den Hamptons gebe es eben die Tradition der maritimen Kultur, Fischerei und Landwirtschaft. Sonnengebleichte, vom Meer angespülte Holzstücke finden sich oft in Häusern als Holzbalken wieder.
Sichtschutz fürs Homeoffice
Wer es sich leisten kann, „out east“ zu sein, für den gibt es nur zwei Fragen: Wird es ein schöner Strandtag und was pflanzen wir im Garten? Landschaftsgärtner Ray Hernandez schmunzelt: „Es gibt eine Menge großer Anwesen und jeder will seine Privatsphäre haben. Und wenn jemand ein Haus kauft, pflanzt er in erster Linie Sichtschutz. Die Leute kennen ihre Nachbarn vielleicht, aber sie wollen sie nicht sehen.“
Straße für Straße sind die Anwesen penibelst gepflegt, Gärtner werden hier mit Sicherheit nicht arbeitslos. Tropisches Klima lässt die Pflanzen wuchern. Hortensien-Büsche oder Hortensienbäume zieren in breiten Reihen die Grundstücke, Buchsbäume und meterhohe Hecken sind akkurat getrimmt. Und das lassen sich die Bewohner auch etwas kosten: „Eine Menge Leute kommen her mit richtig viel Geld“, so Ray. „Und sie wollen, dass ihr Haus und Grundstück ein bisschen schöner ist als das der Nachbarn. Und dann legt der Nachbar los und will seines auch aufhübschen.“
Ein Supergeschäft für Ray. Bei einem neuen Haus sei es nicht ungewöhnlich, dass jemand 100.000 bis 200.000 Dollar in Pflanzen investiert. „No Problem“. Normalerweise ist für die New Yorker der Sommer nach dem Labor Day Weekend, Anfang September zu Ende. Da aber jetzt auch viele Superreiche im Homeoffice arbeiten, werden heuer auch mehr Kinder in den Hamptons eingeschult. Statt Sommersaison heißt es immer öfter: Wir bleiben ganz da.
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