Granitpilgern im Mühlviertel: Äußerer Zauber, innere Einkehr

Granitpilgern im Mühlviertel: Äußerer Zauber, innere Einkehr
In drei bis vier Tagesetappen führt der Granitpilgerweg durch das Obere Mühlviertel. Auch im Herbst bietet das Wandern alle Kraftstoffe der Region: die stillen Wälder, die redseligen Leut’, das hopfige Bier.

Peter Haudum lacht. „Wir hätten nicht gedacht, dass der Granitpilgerweg so einschlägt, wir haben einen Nerv getroffen.“  Pilgern boomt. Allein  im oberösterreichischen  Mühlviertel entstanden in den vergangenen Jahren mehrere markierte Weitwanderwege mit spirituellem Beipackzettel: der Kraft-Quelle-Baum-Weg (59 km), der Johannesweg (84 km) und der Weg der Entschleunigung (162 km). Nun also Granitpilgern.

Haudum, Wirt des gleichnamigen Landgasthofes mitten in der 1.500-Seelen-Gemeinde Helfenberg, ist einer der Initiatoren des noch jungen Pilgerwegs. 2019 eröffnet, führt die 95 Kilometer lange Strecke durch den südöstlichen Teil des Bezirks Rohrbach. Je nach Kondition und Zeitbudget sind drei oder vier Tage einzuplanen. Mehr als 3.000 Höhenmeter hat man am Ende in den müden Pilgerbeinen.

Granitpilgern im Mühlviertel: Äußerer Zauber, innere Einkehr

Frohgemuter Start am frühen Morgen in Helfenberg, gleich durch Wald  und über Wiese. Über einen steilen Kreuzweg – heißa! so viele süße Waldheidelbeeren  – geht’s hinauf zur versteckt gelegenen Waldkapelle Maria Rast. Eine Besonderheit in  der Region sind die Kapellen und unzähligen  Bildstöcke – meist aus Granit gehauen. Fünfzehn  dieser „Kraftplätze“ liegen am Weg. Bei einer Brücke über die Steinerne Mühl,  lehnt ein Mann mit Wanderrucksack am Geländer, schaut zum Fluss hinab. Das Wasser hat die  Steine über Jahrtausende geduldig glatt geschliffen. Es wird an jenem Wandertag unterwegs die einzige Begegnung mit einem Pilger bleiben.

Griaß di. – Griaß di. (Pause)
Vü Stoa. (Lange Pause) – Jo, voi vü Stoa. (Pause)
Pfiati.  – Pfiati. 

Das Mühlviertel, eine Kulturlandschaft zwischen dem Donautal im Südwesten und dem Böhmerwald im Norden, prädestiniert fürs Gedankenschweifenlassen. Die tiefen Wälder und blühenden Kornfelder, die stillen Weiler und die belebten Märkte, der Hopfenanbau und die Brauereien, die Flüsse Steinerne Mühl und Große Mühl. Alles ist eins, ist vielfältig.

Granitpilgern im Mühlviertel: Äußerer Zauber, innere Einkehr

So wie die Nutzung des Granits. Ob Marterl oder „Stoablos“-Bauernhöfe, das grobkörnige Gestein ist allgegenwärtig im Landschaftsbild und in der Architektur. „Überall wo du hingehst – du triffst auf Granit“, so Haudum, selbst auch eine Art Urgestein. Der Name Granitpilgern sei  auf der Hand gelegen. Der umtriebige Wirt, der auch Bier-Verkostungen veranstaltet, schmunzelt. „Zuerst dachten wir ja an Bier-Pilgern ...“ Aber Alkohol und Glaube, da wäre letztlich zu viel Geist im Spiel. Gepasst hätte es: Aigen-Schlägl besitzt Österreichs einzige Stiftsbrauerei, Neufelden ist stolz auf die erste Biobrauerei   und in der Familienbrauerei Hofstetten in St. Martin im Mühlkreis wird seit 1229 Bier gebraut (älteste Brauerei Österreichs).

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Labestationen: Die Pilger-Kühlschränke sind gut gefüllt.

Weiter geht’s, vorbei an der Burg Piberstein, wo sich ein herrlicher Blick auf die wellenförmige Landschaft öffnet. Beim Auf und Ab stellt sich Durst ein. Das Wirtshaus am Weg hat  Ruhetag? Kein Problem: Unterwegs sind die privaten Pilgerrast-Stationen ein Segen. Meist eine kleine Holzhütte mit Kühlschrank, mit Wasser, Radler, Selbstgemachtem, Keksen und „Guzzi“  bestückt. Pilger können sich laben. Preisliste bzw. Spendenbox hängen anbei.

Oder, in Haudums Worten: „Du kriegst auch beim Bauern was.“ Innere Einkehr, wichtig. Aber Jausnen auch.

Granitpilgern im Mühlviertel: Äußerer Zauber, innere Einkehr

Von St. Johann am Wimberg geht es kurz die Straße entlang, an dieser Stelle zweigt man hinauf zum Hansberg an.

Hinauf zum Hansberg, die Aussicht an diesem sonnigen Tag ist grandios. Am Ende sind 26 Kilometer bis Niederwaldkirchen geschafft. Der Clou: Ein Anruf bei einem der sieben Partnerbetriebe  wie Haudum genügt, per Shuttleservice geht’s bequem zurück nach Helfenberg ins Quartier. Pilgern de luxe.

In der urigen Gaststube sitzen Steffi und Adam. Das Pärchen aus dem Pinzgau war drei Tage  zu Fuß unterwegs. Der  Abschnitt von Haslach nach Helfenberg fehle ihnen, „den holen wir nach“. Vom Granitpilgern zeigt sich Adam – langer weißer Zopf, Brille – begeistert, „es ist die sprichwörtliche Erdung“. „Bei uns    im Westen gehst   den Berg steil rauf, dann runter. Hier ist die Landschaft unglaublich reizvoll, vielfältig.“ Sie sind schon am „schönen“ Johannesweg im Unteren Mühlviertel gepilgert und am Jakobsweg in Spanien. Ein Detail betont Adam:  Vergleichsweise wenig asphaltierte Abschnitte, das gefalle ihm hier gut.

Entlang der Steinernen Mühl

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Die Steineren Mühl, auf dem Weg nach Helfenberg

Der Abschnitt Haslach–Helfenberg folgt am zweiten Tag. Ein Waldweg führt an der gurgelnden Steinernen Mühl entlang. Welset Pühret, mit Rast- und Badeplätzen, ist ein Naturjuwel und  persönliches Highlight. Die restliche Strecke steht 2021 auf dem Plan.

„Es war ein Kunststück“, erzählt Haudum, zehn Gemeinden einzubinden, teils bestehende Ortswanderwege zu einem  Rundweg zu verbinden. Der Akt ist gelungen.  Bauern konnte man einbinden, sie erlaubten die Nutzung der Feldwege, die entlang von Gerste- und Haferfeldern führen. Die Beschilderung verläuft   im Uhrzeigersinn, ein Einstieg ist  überall möglich. Wenn sich die Gedanken im Kreis drehen, sollte man wenigstens beim Pilgern Orientierung finden.

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Pilger- und Weitwanderwege in Oberösterreich

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85  Kilometer lang führt dieser  im Frühjahr 2020 eröffnete Pilgerweg über die Hügel und Höhen der Nationalpark Region Ennstal. Spiritueller Kern ist die „Wertschätzung im Alltag“, entlang der Strecke finden Wanderer sieben Kirchen, drei Wallfahrtskirchen, dreißig Kapellen sowie Museen in der Region Eisenwurzen und Naturschätze am Rande des Nationalparks Kalkalpen

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Johannesritt.„Pilgern auf vier Hufen“ heißt das Motto beim  Johannesritt. Dieser folgt dabei auf einer separaten Route der Idee des Johannesweges, einem Rundwanderweg im Unteren Mühlviertel. Auf einer Länge von rund 110 Kilometern werden alle zwölf Johannesweg-Stationen mit dem Pferd erreicht. Infos: johannesritt.at, pferdereich.at

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Donausteig. Der 450 Kilometer lange Weitwanderweg feiert heuer sein 10-Jahres-Jubiläum. Er führt von der 3-Flüsse-Stadt Passau über Linz bis nach Grein im Strudengau. Klöster, Stifte und Dome säumen den Weg.  Für jüngere Wanderer gibt es zudem Spannendes und Amüsantes aus der reichen Sagenwelt rund um die Donau. Stilvoll genächtigt wird in den „Donau(T)Raum“- Unterkünften. Infos: donauregion.at, donausteig.com

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