Grand Canyon: Im Schlauchboot durch die Schlucht

Grand Canyon: Im Schlauchboot durch die Schlucht
Major John Wesley Powell und seine acht Begleiter durchfuhren 1869 erstmals auf dem Colorado den gesamten Grand Canyon. Auch heute ist eine Rafting-Expedition durch die größte Schlucht der Erde eine Traumtour für Wildwasserfreunde.

Welche Herausforderungen die US-amerikanischen Flusspioniere im Jahr 1869 zu bestehen hatten, wird im Tagebuch der Powell-Expedition verdeutlicht: „Wir schießen an spitzen Steinen vorbei, die aus dem Wasser ragen. Dann wird unser kleines Boot von einem Strudel erfasst und mehrfach gedreht… Wir haben die Kontrolle über das Boot verloren… Das Getöse des Flusses donnert unaufhörlich.“

Viele Abenteurer vor John Wesley Powell waren an den Stromschnellen und an der Unzugänglichkeit des bis zu 1.600 Meter unter den Ufersteilwänden tosenden Flusses gescheitert. Eine Rafting-Tour auf dem Colorado ist heute kaum weniger abenteuerlich, über einen Veranstalter organisiert, aber wesentlich bequemer und ungefährlicher. Auf unsinkbaren Schlauchbooten geht’s den Colorado hinunter, wenn man als zahlender Tourist das Rudern scheut, lässt sich die 300 Kilometer lange Flussfahrt motorgetrieben in sechs Tagen zurücklegen. Powell benötigte drei Monate, bis er am 30. August 1869 das Ende des Canyons erreichte. Auch ist der Fluss nicht mehr völlig unberechenbar, seitdem der 1963 errichtete Glen Canyon Staudamm die Eingangspforte des Grand Canyon verschließt.

Grand Canyon: Im Schlauchboot durch die Schlucht

Die Tour beginnt nahe der kleinen Stadt Page im Nordosten Arizonas. Bei „Lake Powell“ geht es an der „Lees Ferry“ auf den Fluss, der in den letzten sechs Millionen Jahren die 446 Kilometer lange und bis zu 29 Kilometer breite Schlucht des Grand Canyon aus den Gesteins- und Bodenschichten herausspülte.

In den nächsten sechs Tagen wird ein Satellitentelefon die einzige Verbindung zur Außenwelt sein. Aber bei den Nachfolgern von Major Powell weiß man sich in guten Händen. Die Guides von „Arizona River Runners“ sind Profis, die ihre 27 Mitreisenden in zwei großen Booten sicher durch die Stromschnellen schleusen. Sean, Holly, Amanda und Jason wissen, dass der Fluss an jedem Tag ein anderes Gesicht zeigt. Er kann bei Sonnenschein gemächlich dahin rauschen, verwandelt sich aber bei heftigem Gewitter zu einer reißenden braunen Schlammwalze. In kürzester Zeit steigt dann der Schwierigkeitsgrad der Stromschnellen, der auf einer Skala von 1 bis 10 gemessen wird.

Bald sind die ersten größeren Stromschnellen mit einer Schwierigkeit von 4–6 in Sicht. Zuerst gleitet das Gummiboot wie in einen Trichter hinab, dann schäumen Wellen über den Bug des Bootes, saugen es in ein Wellental und spucken es wieder aus – das wiederholt sich Mal um Mal . „Wow, that’s just great“, befinden die Passagiere nach der Taufe einhellig. Die Stimmung an Bord steigt weiter, als das Donnern der nächsten Stromschnellen zu vernehmen ist.

Unter freiem Himmel

Nach vier Stunden ist die erste Tagestour beendet und Teamwork beim Entladen der persönlichen Sachen und Küchenutensilien gefragt. Von Hand zu Hand gereicht, wandern Faltstühle, Kochtöpfe und Wassereimer den Uferstrand hinauf. Unter freiem Himmel errichtet jeder sein Feldbett, Schlafsäcke werden ausgerollt und die Küche eingerichtet. Im Gebüsch versteckt kommt die transportable Toilette zum Einsatz, denn nichts wird unterwegs zurückgelassen. Vor dem Dinner bleibt noch Zeit, mit den Mitreisenden bei einem kühlen Bier ins Gespräch zu kommen. Neben vier Deutschen und drei Australiern sind es mehrheitlich US-Amerikaner, die sich mit der Fahrt einen Lebenstraum erfüllen. Das Alter der Teilnehmer reicht von 20 bis weit in die siebziger Jahre. Nach dem Genuss der gegrillten Lachsfilets leuchtet ein glasklarer Sternenhimmel, von dem einige Sternschnuppen herabfallen.

Bei der Weiterfahrt wechseln die Gesteinsschichten der höher wachsenden Canyonwände ständig Farbe, Form und Konsistenz. Immer tiefer geht es in die Erdkruste mit ihren sedimentären Ablagerungen und metamorphen Gesteinen hinein. Insgesamt durchfahren die Boote 40 Gesteinsschichten und 1,8 Milliarden Jahre Erdgeschichte.

Redwall Cavern

Beim Landgang an der gigantischen Höhle „Redwall Cavern“ treten fossile Spuren ältesten Meereslebens zutage. In „Nankoweap“ führt eine kurze Wanderung zu den Ruinen der Kornkammern früher Anasazi-Clans, die bis vor 700 Jahren hier lebten und Mais kultivierten.Täglich sind die Boote im Durchschnitt rund fünf Stunden unterwegs. Wanderungen in Seiten-Canyons verschaffen mit kleinen Wasserfällen, bizarren Felsgebilden, engen Canyons und grünen Oasen viel Abwechslung und Einblicke in Flora und Fauna. Dickhornschafe, Raben und Falken, der seltene Condor und unterschiedlichste Arten von kleinen Echsen sind hier zuhause. An manchen Stellen sind die Uferhänge mit Utah-Agaven und roten Kakteenblüten übersät.

Wasserrutsche

Am Zufluss des „Kleinen Colorado“ sorgt eine natürliche Wasserrutsche dafür, dass sich selbst 70-jährige im warmen, hellblau schimmernden Wasser des kleinen Colorado-Bruders treiben lassen.

Grand Canyon: Im Schlauchboot durch die Schlucht

Die Wasserrutsche im Kleinen Colorado sorgt für ausgelassene Stimmung.

Am vierten Tag kommen mit dem „Vishnu-Tempel“ und „Wotan“ die ersten prominenten Bergriesen des Grand Canyon in Sicht. In Höhe der „Phantom-Ranch“, die über den „Bright Angel Trail“ auch per pedes erreichbar ist, gibt es nach langer Zeit Begegnungen mit Wandergruppen. Tag fünf wartet noch einmal mit drei Hikes in unberührte Seitencanyons auf, wobei die Teilnehmer gern das Angebot annehmen, unter einem Wasserfall ein Duschbad zu genießen.

Rasantes Finale

Am Morgen des sechsten Tages überrascht der Seitenarm des „Havasu Creek“ mit seinen Fischen, üppigem Grün und mit milchig-blauem Badewasser, das sich über Travertin-Kaskaden ergießt. Umrahmt von ocker-braunen Felswänden meißelt der Bach eine bilderbuchartige Landschaft in das harte Gestein. Nach Verlassen dieser Idylle durchquert der Colorado eine dunkle, von Lavaflüssen eingeengte Schlucht. Die Stromschnellen erreichen an den „Lava Falls“ die Spitzenskala 10. Tosende Wellen bäumen sich bis zu vier Meter auf, zerren am Boot und schlagen über den Passagieren zusammen. Groß ist der Jubel nach jedem gut überstandenen Katarakt, alle Bootsinsassen sind vom Rafting-Fieber gepackt. Beim abschließenden Dinner spricht pure Begeisterung aus der Schilderung der Tageserlebnisse. Weit entrückt sind die Probleme des Alltags und einige Teilnehmer berichten ihren Mitreisenden nach der Tour per E-Mail, dass der Colorado ihren Lebensrhythmus verändert hat.

Anreise
Flug ab Wien via Chicago bis Phoenix – CO2-Kompensation via climateaustria.at: 58,31€. Weiter mit dem Mietauto bis Marble Canyon oder Flug bis Las Vegas und weiter per Kleinflugzeug bis Marble Canyon

Beste Reisezeit
Mai/Juni und September/Oktober. Die Monate Juli und August bringen oft Extremtemperaturen

Rafting Touren
Z. B. Arizona River Runners:  Man sollte die Tour zumindest 12 Monate im Voraus buchen, da die Plätze sehr gefragt sind. Die 6-tägige Tour beginnt in „Lees Ferry“ und endet nach 300 Kilometern am Whitmore Helipad. Von dort geht es per Helikopter zur „Bar 10 Ranch“, von wo der Rückflug nach Page oder Las Vegas per Kleinflugzeug erfolgt. All inklusive Kosten für Erwachsene: 2.850 US-Dollar (aktuell ca. 2.545 €). Es gibt auch kürzere Touren. Tel: 001 800-477-7238, info@raftarizona.com,  raftarizona.com

Klima
 In Arizona herrscht ein trockenes Wüsten- und Halbwüstenklima mit zumeist milden Wintern und heißen Sommern. Aufgrund der Höhenlage des Colorado-Plateaus (über 2.000 Meter) gibt es große Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht. Im Inneren des Canyons liegen die Temperaturen nicht selten um 10–15 Grad höher als am Canyonrand

Auskunft
visitarizona.com, tourism.az.gov, visit-usa.at

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