Ein Spaziergang in Lyon, der "Hauptstadt der Gastronomie"

Ein Spaziergang in Lyon, der "Hauptstadt der Gastronomie"
Vor allem die nach dem französischen Jahrhundertkoch Paul Bocuse benannten Markthallen sind einen Besuch wert.

Austern essen zum verspäteten Frühstück – ist das nicht dekadent? In Lyon keineswegs. Für die genussbegabten Lyoneser zählt es zum guten Ton, Samstagvormittag zur „Morgenmesse“ zu gehen. Mit dem Kirchgang hat das Ritual gar nichts zu tun. Gemeint ist ein Besuch in den nach Paul Bocuse benannten Markthallen, wo an Stehtischen frische Austern und dazu ein Schluck Weißwein – bevorzugt Chablis – geschlürft werden. Am besten in geselliger Runde. Wir nehmen das Hochamt ernst, bestellen eine Platte mit zwölf Austern, auf Eis gekühlt, mit Zitrone serviert. Der Verzehr der Schalentiere ist für mich eine schlatzige, aber genussvolle Premiere.

Wer am Wochenende durch die Essmeile „Les Halles de Lyon Paul Bocuse“ schlendert, sollte rechtzeitig kommen. Nach zehn Uhr vormittags füllen sich Stehtische und Sitzplätze vor den einzelnen Marktständen rasch mit Einheimischen und Touristen. Geschäftig geht es zu, die Gänge sind aber nicht überfüllt. Reservierungen sind übrigens nicht möglich. Als nächsten Gang bestellen wir in Mehl frisch herausgebackene Froschschenkel. Knusprig, mit Petersilie und reichlich Knoblauch kredenzt aber nicht für Rendezvous geeignet. „In ganz Frankreich werden Schnecken gegessen. Auch ich bevorzuge Schnecken, nicht Froschschenkel“, sagt die Einheimische Eléonore mit einnehmendem Lächeln. Bleiben noch Seeigel. Lange Zeit ein Armeleuteessen, heute ein Gourmet-Trend. Gegessen werden davon nur die orangefarbenen Gonaden im Inneren.

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Frische Seeigel in den Markthallen Paul Bocuse.

An einem einzigen Vormittag noch mehr kulinarisches Neuland zu entdecken – dazu lasse ich mich nicht aufstacheln. Gibt es zudem noch 57 weitere Marktstände zu erkunden, oft mit Mini-Restaurant angeschlossen. Für das Schlendern und Schlemmen genug Zeit einplanen. Plan braucht man hingegen keinen, immer der Nase nach. Für Souvenirs bieten sich Wurstwaren wie „Saucisson de Lyon“ oder die Knödelart „Quenelle“ an. Letztere gibt’s „nature“, mit Hühnerfleisch oder Scampi gefüllt, etwa beim Stand Giraudet. „Manche Lyoner kommen am Nachmittag gegen fünf Uhr wieder, um bis zum Abendessen nicht zu verhungern“, sagt Anneliese mit Augenzwinkern. Die Österreicherin lebt seit Jahrzehnten in Lyon, führt mit Detailwissen durch den Markt.

Kochen und Essen bestimmen das Lebensgefühl der Stadt am Zusammenfluss von Rhône und Saône. Bereits die Comic-Helden Asterix und Obelix haben in Lugdunum, der Hauptstadt der Gallier, einen lukullischen Zwischenstopp auf ihrer „Tour de France“ eingelegt. Seit der antiken Wildschweinjagd hat sich viel getan. Bouchons (traditionelle Lokale mit deftigem Essen), Boulangerien (Bäckereien), Brasserien (Gaststätten) und Pâtisserien (Konditoreien): Man stolpert an jeder Ecke in einen Gourmettempel – nicht nur wegen des Kopfsteinpflasters. Mit 4.000 Betrieben, an den Einwohnern gemessen die größte Zahl in Frankreich, ist Lyon „Hauptstadt der Gastronomie“. Dieses Prädikat zielt noch mehr auf die Qualität der Kochkunst ab. 2019 brachten satte 23 Michelin-Sterne die Metropole zum Strahlen.

Kein Bocuse ohne „Lyoner Mütter“

Nach der Französischen Revolution wurde in den Bürgerhäusern die „Perle der Küche“ ermuntert, Rezepte niederzuschreiben. Im 20. Jahrhundert machten sich „Lyoner Mütter“ selbstständig, bieten Hausmannskost an. Eine von ihnen ist Eugénie Brazier, ein junger Bursche wird ihr berühmter Lehrling: Paul Bocuse. Der zweifach als Jahrhundertkoch ausgezeichnete Bocuse aus dem Arrondissement Lyon übt großen Einfluss auf die Nouvelle Cuisine aus, ein frischer Gegenpol zur typisch deftigen Kost der Region. Auch die Lage ist ein Trumpf, viele Produkte wie Fleisch und Fisch kommen aus Rhône-Alpes-Region. Nördlich liegt die Anbauregion des Beaujolais. Mit der “Cité Internationale de la Gastronomie“ wurde dem mittlerweile verstorbenen Koch der Köche ein Denkmal gesetzt. Das geschichtsträchtige Hôtel-Dieu, jahrhundertelang ein Spital, wurde restauriert und im Herbst als Zentrum der Gastronomie eröffnet. Highlights sind edle Lokale, Show-Cooking, die historische Apotheke und interaktive Ausstellungen über gesunde Ernährung, speziell auch für Kinder.

Stadtviertel entdecken

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Staunen beim Seidenweber

Lyons Geschichte ist seit dem 16. Jahrhundert eng mit den Canuts (Seidenwebern) verknüpft. Tipp: Eine geführte Tour im Viertel Croix-Rousse. Ein mit Gold durchsticktes Gewebe, hier Seide, nennt man Brokat. Dieses Exemplar (Bild) fühlt sich fein an und kostet laut Workshop-Guide Estelle 9.000 Euro pro Meter.

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"Traboulieren" in der Altstadt

Das Stadtzentrum Vieux-Lyon ist seit 1998 Weltkulturerbe. Hier sind viele der Traboules zu finden. Diese typischen Passagen verlaufen durch Gebäude und Innenhöfe, vorbei an Wendeltreppen und verbinden Parallelstraßen. Mit einem Guide kann man gut die versteckten Plätzchen (oft im Renaissance-Stil)  erkunden.

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Flanieren am Saône-Ufer

Ehemals Industriegebiet, blüht das Confluence-Viertel mit moderner Architektur auf. Eine Bootsfahrt bietet gute Ausblicke. An der Südspitze der Halbinsel – wo Rhone und Saône zusammenfließen – thront das „Musée des Confluences“, entworfen von der Wiener Architektengruppe Coop Himmelb(l)au.

Architektonische Zeitreise

Um sich einen Überblick über die drittgrößte Stadt der Grande Nation zu verschaffen, empfiehlt es sich, mit der Funiculaire, der Standseilbahn, auf den Stadthügel zu fahren, wo die Kirche Notre-Dame de Fourvière thront. Linkerhand vom Aussichtspunkt sieht man das Dächermeer des alten Seidenweber-Viertels Croix-Rousse.

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Seidenweberviertel

In der Ferne schimmert die Silhouette der Alpen. „Wenn das Wetter klar ist, sieht man den Mont Blanc“, sagt Anneliese. „Am Wochenende fahren wir eine Stunde nach Grenoble zum Skifahren, zum Mittelmeer brauchen wir gut zwei Stunden.“ Direkt unter dem Hügel das Gassengewirr der Altstadt Vieux-Lyon mit den Traboules: Versteckte Durchgänge, die es über Hinterhöfe und Galerien ermöglichen, von einer Straße zur anderen zu gelangen. Dank des labyrinthartigen Systems konnten viele Lyoner zur Zeit der Revolution oder des Zweiten Weltkriegs ihr Leben retten. Rechterhand, flussabwärts, bevor sich Rhône und Saône vereinen, liegt auf der Halbinsel der postindustrielle Stadtteil La Confluence mit zeitgenössischer Architektur. Und Cineasten wissen: Ein Abstecher zur Villa der Brüder Lumière ist Pflicht. Audioguides auf Deutsch geben einen Einblick in die Zeit, als „die Bilder laufen lernten“.

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Anreise
Linienflug Wien–Lyon–Wien mit Austrian Airlines (ca. 80 €) austrian.com
Ihr Beitrag zur CO2-Kompensation beträgt 7,00 €, climateaustria.at

Unterkunft
Im zentral gelegenen 4-Sterne-Hotel Mercure Lyon Centre Chateau Perrache Hotel all.accor.com/hotel/1292/index.de.shtml

Veranstalter
Sternfahrt „Genussvolles Lyon“, 14.–17. 5. 2020, 15.–18. 10. 2020,
4 Tage/3 Nächte im DZ ab 990 €
Columbus Reisen, 01/534 11340
touristik@columbus-reisen.at
columbus-reisen.at

Auskunft
Infos über das Institut Lumière, das Miniaturenmuseum, die Halles Paul Bocuse und die Cité
Internationale de la Gastronomie auf onlylyon.com, at.france.fr

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