Dürnstein: Kraftplatz der Hoffnung
Es ist ruhiger geworden in jener Stadt, die im 12. Jahrhundert König Richard Löwenherz gefangen gehalten hatte. In den engen Gassen, in denen sich sonst Touristen aus der ganzen Welt drängten, ist plötzlich wieder Platz. Und auch die Chance, die Schönheit der alten Häuser zu genießen. Die ständigen Klagen über Overtourism sind in Dürnstein verstummt. Die Corona-Krise hat da viel verändert. Die Schiffsgäste aus dem amerikanischen und asiatischen Raum bleiben in der Wachau aus. Dafür beginnt das heimische Publikum diese wunderschöne Gegend wieder neu zu entdecken.
Für Petrus Stockinger, Propst der Augustiner Chorherren im Stift Herzogenburg, ist es die Chance, "Dürnstein touristisch neu zu erschließen". Er sagt: "Dieses Dürnstein ist kein Disneyland und darf auch keines werden." Als Propst ist er für das Kloster Dürnstein zuständig, das im Jahr 1788 aufgelassen worden ist. Dennoch besteht dort immer noch eine Pfarrgemeinde. Propst Petrus: "Man darf nie übersehen, Dürnstein ist nicht nur Tourismus, es ist auch Lebensraum."
Für die Touristen will er das Stift Dürnstein zum Kraftplatz der Hoffnung, der positiven Gedanken, des Schönen, des Guten machen. Ein Leitsatz ist dabei für ihn eine Erkenntnis des großen Viktor Frankl, der das Konzentrationslager in Auschwitz überlebt hatte: "Jeder, der das Bild des Schönen in sich trägt, hat noch Hoffnung."
Das Gute, das Schöne, das Wahre
Es ist nicht nur das historische Stift, das die Besucher anlocken soll. Propst Petrus hat in den Gemäuern des ehemaligen Klosters, das 1732 in einer kleinen Kapelle seinen Ursprung hatte und im 18. Jahrhundert unter dem damaligen Propst Hieronymus Übelbacher prachtvoll ausgebaut worden war, eine Ausstellung gestalten lassen, die er unter den Titel "Entdeckung des Wertvollen" gestellt hat.
Das Durchwandern der Ausstellung, die Besichtigung des Stiftes soll auch ein Rückzug aus dem normalen touristischen Getriebe sein. Dafür wurden sogar Regeln geschaffen. Im Klosterladen dürfen nur heimische Waren verkauft werden. Eine Führung dauert zumindest 45 Minuten. Die Zeiten, als Schiffstouristen in knapp 25 Minuten durchgeschleust worden waren, sind Vergangenheit. Propst Petrus: "Wer sich für die Besichtigung nicht mehr Zeit nimmt, soll es lieber gleich bleiben lassen."
Dafür könne intensiv "die Welt als guter Ort" im Stift Dürnstein erlebt werden.
Die Ausstellung umfasst dieses Ansinnen mit drei Stationen: das Gute tun, das Schöne bewahren, das Wahre suchen. Da geht es nicht nur um die kirchliche Vergangenheit. Da geht es auch um Gedankenspiele, um Grundlinien des europäischen Denkens, um das Besondere an der Donau und natürlich auch um die Wachau. "Dürnstein hat sich zu einem Sehnsuchtsort entwickelt. Heute suchen die Menschen hier etwas anderes als die Mariandl-Romantik", sagt Propst Petrus.
Dem Guten, dem Schönen, dem Wahren wird immer im Zusammenhang mit dem Stift Dürnstein nachgegangen. Man stößt etwa auf Bibeln in 220 Sprachen, auf Bilder von der Wachau, auf Zitate des hl. Augustinus, auf die Dürnsteiner Monstranz, den prunkvollen Messkelch. Den Höhepunkt bildet die Stiftskirche in ihrer ganzen Pracht, wo an den Seitenaltären noch immer Gebeine von Märtyrern zur Schau gestellt werden.
Der blaue Turm
Wobei auch hier eine strikte Regel gilt: Bei einer Führung werden die Besucher nur auf die Empore gebracht, um von dort den Gottesbau zu betrachten. In der Kirche selbst ist man dann allein unterwegs, um die Atmosphäre konzentriert einfangen zu können, um in Stille die Augen über die besondere Kirchenausstattung, wo sich viele Künstler verwirklicht haben, schweifen zu lassen. Und auch, um hier ein wenig – innere – Ruhe zu finden.
Nicht direkt verbunden mit der Stiftskirche ist der blaue Turm, der als Wahrzeichen der Wachau gilt. Der hatte im Laufe der Zeit die verschiedensten Färbelungen erhalten. Erst bei der Restaurierung in den 1980er-Jahren wurde die ursprüngliche blaue Farbe wiederhergestellt.
Für die Christen ist mit dem Turm dem Glauben an die Erlösung des Menschen aus Leid und Tod ein monumentales Zeichen gesetzt worden. Für den Tourismus ist der Turm an der Donau das Wachau-Symbol geworden. Eine Führung durch das Stift macht auch immer auf dem Balkon neben dem Turm Halt, um die Aussicht auf die Donau genießen zu können. Einer der besten Plätze für Fotomotive aus der Wachau.
Der Turm hat die Gestalter der Ausstellung dazu bewogen, sich mit der Farbe Blau auseinanderzusetzen. An einer Wand sind alle Blautöne, die es gibt, verankert. "Die Wahrnehmung der Farbe Blau ist je nach kulturellem Hintergrund und persönlicher Assoziation unterschiedlich. Blau strahlt wegen der Nähe zu Wasser und Eis eine gewisse Kälte aus, andererseits aber repräsentiert Blau als Farbe des Himmels auch Sehnsucht nach Weite und Unbegrenztheit." So die Erklärung.
Der blau-weiße Turm wurde mit Smalteblau gefärbt, das aus gepulvertem Kobaltglas gewonnen wird. Für den Anstrich kamen noch Bleiweiß und Leinöl dazu.
Dieser Turm ist auch ein Zeichen für das Selbstbewusstsein, mit dem die Augustiner Chorherren damals im Stift Dürnstein Position bezogen hatten. Was durch ein weiteres Detail unterstrichen wird. Propst Hieronymus Übelbacher setzte die Heiliggeisttaube in der barocken Stiftskirche vor ein orange gefärbtes Fenster. In Anlehnung an den Petersdom in Rom.
Neue touristische Qualität
Propst Petrus führt manchmal auch selbst durch die Ausstellung und das Stift. Mit sehr viel Leidenschaft und einem Plädoyer für das positive Denken. Das zeigt, wie wichtig ihm dieser Besitz seines Stiftes Herzogenburg ist. Er merkt, dass nach dem Corona-Lockdown nun die Besucher in Dürnstein wieder mehr werden, auch wenn die großen Gruppen aus dem Ausland vorerst ausbleiben.
Für ihn war und ist Corona nicht nur ein schwerer Schlag, der Dürnstein – immerhin eines der wichtigsten touristischen Ziele in Österreich – getroffen hat, sondern auch die Chance, "dem Tourismus in Dürnstein eine neue Qualität zu geben".
848 Einwohner zählt die Gemeinde Dürnstein. Das Stadtgebiet erstreckt sich über 16,8 Quadratkilometer.
30 Pröpste standen ab dem Jahr 1410 an der Spitze des Stiftes Dürnstein, ehe das Kloster 1788 unter Kaiser Joseph II. aufgehoben wurde.
23 Tonnen Silber soll das Lösegeld gewesen sein, um König Richard Löwenherz 1192 aus der Gefangenschaft in Dürnstein zu befreien.
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