Die griechische Küche hatte lange Zeit keinen besonders guten Ruf. Das hat sich geändert: Junge Griechen krempeln die Gastroszene in Athen um – und überraschen dabei.
23.03.21, 05:00
Bei aller Schönheit muss man ehrlich sein: Griechenland gehörte nie zu jenen Ländern, die man wegen der besonders eindrucksvollen Küche bereist. Eher im Gegenteil: Zaziki, Moussaka und griechischer Salat haben es zwar zu gewisser Berühmtheit gebracht, als Inbegriff des kulinarischen Hochgenusses galt das Dreierlei aber nie. Vielmehr hatte die hellenische Küche lange Zeit den Ruf, eher simpel, eintönig und viel zu fettig zu sein. Dieses Blatt hat sich inzwischen gewendet: Eine neue Generation von Köchen hat das Zepter übernommen und erfindet die griechische Küche neu. Viele von ihnen haben ihr Handwerk im Ausland gelernt, in Städten wie New York, London und Paris. Auf der Suche nach neuen Herausforderungen kommen sie zurück nach Athen, um ihre Hauptstadt um ein paar Weltstadtlokale zu bereichern.
So auch im Fall der Küchenchefs des Funky Gourmets: Georgianna Hiliadaki und Nikos Roussos lernten einander Anfang der 2000er-Jahre am Institute of Culinary Education in Manhattan kennen, kochten bereits unter der Leitung von Ferran Adrià im katalanischen Drei-Sterne-Restaurant El Bulli und brachten ihre experimentelle Avant-Garde-Cuisine mit nach Athen zurück, wo sie 2009 das Funky Gourmet eröffneten. Das saisonal wechselnde Menü des Zwei-Sterne-Restaurants ist eine Mischung aus Molekularküche, moderner nordischer Cuisine und einem Hauch Griechenland.
„Aber keine traditionelle Küche, auch wenn wir auf regionale Zutaten setzen“, präzisiert Patissier Manolis Stithos. Die Konzeption neuer Gerichte ist genau das, was Hiliadaki und Roussos so besonders macht: Alte hellenische Küchentraditionen werden ins kleinste Detail zerlegt und zu etwas völlig Neuem zusammengefügt. Aus einfachen Zutaten wie Gurken, Tomaten, Oliven und Schafskäse wird so im Handumdrehen ein weißer Eishaufen, der aber dennoch nach allen Zutaten des griechischen Salatklassikers schmeckt. Auch das weich gekochte Frühstücksei zum Nachtisch lässt anderes erwarten, als es letztlich ist.
Ein Hauch von Tradition
Traditionelle Lokale mit Seele gibt es nur noch wenige in Athen – solche wie das Stani in der Marika-Kotopouli-Straße 10, in dem die Einheimischen hausgemachtes Schafsjoghurt und Milchspeisen wie Galaktoboureko (Griespudding in Filo-Teig) kaufen. Während Athen in den 1960ern noch rund 1.600 dieser Milchläden beherbergte, ist heute nur noch das Stani übrig. „Nur weil es nie umgezogen oder expandiert ist und stets treue Kunden hatte, konnte es die Krise überstehen“, erklärt der Athener Konstantinos Kalfakakos bei einer kulinarischen Stadttour. Und das, obwohl es sich direkt hinter dem historischen Omonia-Platz befindet. Einst das geschäftige Herz der Stadt, ist der Platz, dessen Name „Harmonie“ bedeutet, heute ein Ort, den man eher meidet. Von den Kaufhäusern, Cafés und Hotels sind nur noch Fassaden übrig, die meisten Läden von damals geschlossen. Der Platz ist zum Treffpunkt für Dealer, Drogensüchtige und Prostituierte geworden – und damit zum Symbol für den Niedergang des Landes.
Von Unmut und Verfall ist in der Küche des Varoulko im Hafen von Piräus aber nichts zu spüren. Dort wirkt kein anderer als Lefteris Lazarou, der 2002 als erster griechischer Koch mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Wie schon Dichter Odysseus Elytis passend beschrieb, kann die hellenische Republik auf drei Elemente heruntergebrochen werden: Olivenbäume, Weinberge und Fischerboote. Auch Lazarou nutzt diese drei Zutaten, um seine Gäste auf eine kulinarische Reise durch sein Heimatland zu nehmen. Ein besonderes Faible hat der Chef de Cuisine für seltene Fischarten und Meeresfrüchte. Viele seiner Kompositionen wurden bereits zum Erfolg und gelten heute als Klassiker. Dennoch hat er nie aufgehört, seine Küche immer wieder neu zu erfinden und aufregende Aromen und Texturen in seine Gerichte einzubauen.
Haute Cuisine und Streetfood
Auch das Cookoovaya („Eule“) passt so gar nicht zum Image der langweiligen griechischen Küche. Anstatt verkohlter Fleischspieße und verkochter Hülsenfrüchte zaubern die fünf Küchenchefs moderne und lustbetonte Speisen auf die Teller ihrer Gäste. „Obwohl wir uns mit dem Cookoovaya bereits selbst verwirklicht haben, hatten wir noch das Bedürfnis nach etwas Einfachem“, erklärt Vangelis Liakos. Um sich die gewünschte Bodenständigkeit zu erfüllen, eröffneten die fünf Köche Anfang 2018 das Streetfood-Lokal Hoocut und weiteten damit ihr Wissen auf das schon in der Antike beliebte Fast Food aus: Souvlaki. „Der beliebte Klassiker ist der Grund dafür, dass amerikanische Fast-Food-Ketten in Griechenland nie Fuß gefasst haben“, berichtet Kalfakakos. In ganz Athen gebe es nur einen einzigen McDonalds, nämlich am touristischen Syntagma-Platz. Auch amerikanischer Filterkaffee und Donuts mit bunter Glasur konnten sich nicht halten. „Wir Griechen lieben unseren Kaffee“, schwärmt der Guide. Nichts gehe über eine brasilianische Arabica-Röstung und dazu Loukoumades, frittierte Hefeteigbällchen mit Zimt und Honig.
Obwohl die Süßspeise das Vorurteil einer simplen und fettigen Küche bestätigt, schöpfen die Athener Gastronomen immer öfter das Potenzial der griechischen Kochtraditionen aus. Damit schaffen sie zumindest kulinarisch, was auf politischer und wirtschaftlicher Ebene nicht zu funktionieren scheint: ein neues, zukunftsweisendes Kapitel aufzuschlagen – fettige Loukoumades hin oder her.
Klimafreundliche Anreise
Aegean Airlines fliegt täglich nonstop von Wien nach Athen. CO2-Kompensation via climateaustria.at: 59,02 Euro;aegeanair.com
Unterkunft
Das Athens Marriott Hotel zwischen Stadtzentrum und dem Hafen von Piräus liegt gegenüber der Oper und ganz nahe an der Akropolis. DZ ab 125 €/Nacht. marriott.com
Essen
Im Onassis-Kulturzentrum bietet das Hytra hochwertige mediterrane Küche (Sommer unter freiem Himmel), hytra.gr
– Die Speisekarte des Aleria zeigt, wie sich die griechische Küche gleichzeitig weiterent- wickeln und traditionell bleiben kann, aleria.gr/en
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