Auf Tauchfühlung mit Seekühen an der Küste Floridas

Eine Gruppe von Seekühen schwimmt im türkisfarbenen Wasser.
In der Kings Bay vor der Westküste Floridas überwintern Manatis an natürlichen, warmen Quellen. Um mit den gemütlichen Tieren zu schwimmen, muss man ganz still und leise sein – und am besten selbst zur Seekuh werden.

Wie aus dem Nichts erscheint ein riesiger grauer Schatten neben dem Boot von Captain John Span und seinem Kollegen Ed. Es ist früh am Morgen und die beiden sind mit einer Gruppe Touristen in der Kings Bay an Floridas Golfküste unterwegs. Das Wesen im Wasser wirkt so breit wie lang, definitiv zu massig für einen Alligator. Begeistert zücken die Bootsinsassen ihre Fotoapparate. Luftblasen steigen an die Wasseroberfläche. Kurz darauf erscheint eine Knautschnase mit borstigen Tasthaaren: eine Rundschwanzseekuh, auch „Manati“ (engl. Manatee) genannt. Ein richtig dicker Brocken.

Als Christoph Kolumbus und seine Männer zum ersten Mal auf Manatis trafen, glaubten sie an Meerjungfrauen. Eine erstaunliche Annahme, wenn man bedenkt, dass die als gefährdet gelisteten Rundschwanzseekühe bis zu vier Meter lang und neunhundert Kilogramm schwer werden. Ihr Bestand ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Nach Angaben der Florida Fish and Wildlife Conservation Commission gibt es im Bundesstaat über 5.700 Exemplare (Stand Februar 2019).

Eine Frau taucht mit einer Schnorchelausrüstung und hält die Flosse eines Manatis.

Zwei Seekühe schwimmen im türkisfarbenen Wasser.

Eine Frau taucht mit einer Gruppe von Seekühen im türkisfarbenen Wasser.

Luftaufnahme einer großen Gruppe von Seekühen im klaren Wasser, umgeben von Booten und Menschen.

Eine Gruppe von Seekühen schwimmt in einem klaren, flachen Gewässer.

Zwei Seekühe schwimmen im klaren, türkisfarbenen Wasser.

Die warmen Quellen der Kings Bay

Die Kings Bay, das Quellgebiet des Crystal River, ist einer ihrer letzten geschützten Lebensräume. Die Bucht ist mit dem Golf von Mexiko verbunden und besteht aus mehr als fünfzig Süßwasserquellen, die mit ihren konstanten 22 Grad Celsius stetig warmes Wasser liefern. Und genau das mögen die kälteempfindlichen Schwergewichte. So kommen jedes Jahr im November bis zu siebenhundert Manatis in die Kings Bay, um in den warmen Quellbecken zu überwintern. „An den Quellen von Three Sisters Springs sieht man dann vor lauter Seekühen keinen Boden mehr“, erzählt Captain John lachend.

Die amerikanische Kleinstadt Crystal River mit ihren 3.100 Einwohnern gilt nicht grundlos als „Manati-Hauptstadt der Welt“. Nur dort dürfen Urlauber offiziell mit den streng geschützten Meeresbewohnern schnorcheln. Auf geführten Bootstouren mit Captain John und Captain Ed kann man den scheuen, aber äußerst neugierigen Lebewesen ganz nah kommen.

Damit es aber tatsächlich zu einer Meeresbegegnung der schwergewichtigen Art kommt, muss man einige Dinge beachten: nicht planschen, nicht mit den Füßen zappeln, nicht reden, nicht lachen. Ruhe ist das beste Lockmittel. „Manatis sind wie Katzen“, erklärt John: „scheu und zurückhaltend“. Der Trick sei, sich wie ein Artgenosse zu verhalten: Mit starren Beinen als „Schwanzflosse“ und nur leicht paddelnden Händen als „Brustflossen“ treibt man nahezu reglos an der Wasseroberfläche – genauso wie die „gentle giants“, die freundliche Riesen.

Luftaufnahme eines Kanus auf einem klaren, türkisfarbenen Fluss, umgeben von üppigem Grün.

Das Wasser ist nicht so kristallklar, wie der Ortsname vermuten lässt. Die Sicht reicht nur ein paar Meter, doch Captain Ed sieht vom Boot aus, wo die Seekühe Luft schnappen. „Die kommen schon“, antwortet er auf die suchenden Blicke der schwimmenden Touristen. „Manatis sind neugierig.“ Aber langsam. Sogar so langsam, dass sich auf ihrer Haut Algen festsetzen und dort weiterwachsen.

Es dauert nochmals zehn Minuten, bis sich im trüben Blau endlich die Silhouetten zweier Manatis abzeichnen: eine Mutter und ihr Junges. Kurze Zeit später nähern sich drei kleinere Jungtiere und ein großer Bulle mit einschüchternden Ausmaßen.

„Wir haben eine ziemlich beleibte Population, bei der einzelne Exemplare auch mal eine Tonne wiegen“, berichtet Captain John, während er von dem Baby-Manati freudig umklammert wird. Ein weiterer Artgenosse rollt sich auf den Rücken, um am Bauch gekrault zu werden. „Manatis sind haptische Wesen. Sie lieben es, gestreichelt zu werden“, erklärt der Experte. „Vorausgesetzt natürlich, sie haben gerade Lust, von ihrer Lieblingsbeschäftigung – dem Essen – abzulassen.“

Aufgrund des geringen Nährwerts von Seegras und Algen müssen Manatis täglich große Mengen Nahrung zu sich nehmen, üblicherweise fünf bis zehn Prozent ihres Körpergewichts. Eine fünfhundert Kilogramm schwere Seekuh vernascht also bis zu fünfzig Kilogramm Seegras am Tag.

Motorboote sind ihr Verhängnis

Bis Mai werden die kuschelbedürftigen Riesen in der Kings Bay bleiben. Eine gute Gelegenheit für Naturschützer und Wissenschaftler, sie zu untersuchen und zu zählen. Rund zweihundert Freiwillige kommen jedes Jahr nach Crystal River, um ihre Population zu zählen und wiederkehrende Exemplare zu erfassen.

Es ist nämlich noch nicht so lange her, da waren Seekühe vom Aussterben bedroht. Wegen ihres Fleisches wurden sie über Jahrhunderte gejagt und ihr Lebensraum von Menschen vereinnahmt. Das brachte einige Seekuharten an den Rand der Ausrottung – auch an den Küsten Floridas. Selbst seitdem sie unter strengem Artenschutz stehen, leben Manatis gefährlich. Die häufigste Todesursache: Unfälle mit Motorbooten.

Da die trägen Meeressäuger nahezu lautlos durch das trübe Wasser gleiten und bei gemütlichen zwei bis fünf Stundenkilometern auch gerne mal schwimmend eindösen, werden sie tragischerweise immer wieder von Motorbooten übersehen. Deswegen haben viele Tiere hässliche Schrammen von Propellerschrauben auf den Rücken oder tiefe Kerben in den Schwanzflossen. Und das, obwohl sie selbst nicht einmal Plankton etwas zuleide tun könnten.

Eine Karte von Florida, USA, mit hervorgehobenen Städten wie Tampa und Miami.

Drei Personen paddeln in Kajaks auf einem ruhigen Gewässer mit Schilfgras im Hintergrund.

Kajak

Kajaktour am Chassahowitzka River, wo  Alligatoren, Watvögel und Schildkröten leben. fws.gov/refuge/Chassahowitzka

Drei Frauen, als Meerjungfrauen verkleidet, posieren unter Wasser vor einem Hintergrund aus Luftblasen.

Meerjungfrauen-Show

Im Ort Weeki Wachee gibt es mit der Meerjungfrauen-Show eine der ältesten Attraktionen Floridas

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