David Schalko übers Schreiben
freizeit: Herr Schalko, Sie sehen müde aus. Der Stress rund um die DVD-Präsentation Ihrer neuen Serie „Altes Geld“?
David Schalko: Wir waren nachher noch ein bisschen aus. Ich habe nicht so lange geschlafen, aber alles gut.
Sie haben des Öfteren in Interviews über Ihre chronische Müdigkeit gesprochen. Koketterie oder gibt es sie wirklich?
Ich bin schon oft müde, aber eine Grundmüdigkeit ist kein schlechter Zustand, wie ich finde. Sie macht langsamer und man lässt sich weniger von der Geschwindigkeit anstecken.
Sie sind also eher ein langsamer Mensch?
Ja, das kann man sagen.
Sie sind Regisseur, Autor und Entwickler von TV-Formaten. Große Erfolge wie „Aufschneider“ oder „Braunschlag“ gehen auch auf Ihr Konto. Können Sie sich die Langsamkeit beruflich überhaupt leisten?
Bei mir klingt es immer nach mehr als es ist. Das aber kommt noch aus einer Zeit, als ich auch noch mehr gemacht habe. Damals haben wir Fernsehformate wie „Die Sendung ohne Namen“ oder „Dorfers Donnerstalk“ und „Sunshine Airlines“ wöchentlich parallel produziert. Heute ist es wesentlich weniger und viel übernimmt auch mein Partner, John Lüftner.
Trotzdem gibt es nur wenige Menschen, die vom Drehbuchschreiben bis zur Regie alles selbst machen.
Ich verhunze meine Bücher lieber selbst. Und wenn man eine gewisse Freiheit haben und Rechte behalten will, ist eine eigene Produktion empfehlenswert.
Auf wie viele Projekte kommen Sie pro Jahr?
Wenn Sie es sich genau anschauen, ist es in etwa eines. Ich mache immer eines nach dem anderen. „Braunschlag“ habe ich vor drei Jahren gedreht, danach den Roman „Knoi“ geschrieben. Wieder eineinhalb Jahre später kam „Altes Geld“.
Ein straffer Plan.
Das ist ein normaler Rhythmus. Ich muss ja auch von irgendwas leben.
Das klingt bei Ihrem derzeitigen Erfolg stark nach Understatement.
Ich verdiene normal, würde ich sagen. Filme machen und Bücher schreiben ist in Österreich kein Beruf, von dem man reich wird. Drei Jahre nicht zu arbeiten, könnte ich mir zum Beispiel nicht leisten.
In „Altes Geld“ geht es darum, dass jenes Familienmitglied, das dem schwerkranken Patriarchen eine neue Leber besorgt, dessen Vermögen erbt. Was bedeutet Geld für Sie?
Geld ist immer dann wichtig, wenn man zu wenig davon hat. Für mich ist es sicher kein Lebensziel, möglichst viel Geld anzuhäufen. Es ist für mich Mittel zum Zweck. Aber Geld ist ja mehr. Es ist auch unsere wichtigste Kommunikationsform, das, was uns alle in einer Gesellschaft verbindet. So gesehen nicht nur schlecht behaftet.
In der Zeit haben Sie 2002 eine Reportage über Ihre allererste Lesetour veröffentlicht. Die zahlenden Zuschauer waren damals ebenso überschaubar wie Ihr Erfolg. Heute sieht das ganz anders aus. Ist man da über ein gutes Einkommen nicht froh?
Als junger Mensch ist man freier und ungebundener. Wenn man später Kinder hat, macht man sich tendenziell mehr Sorgen. Ich bin zum Glück in einer Situation, wo ich nicht allzu beengt bin. Zufriedenheit hat für mich aber nichts damit zu tun, ob man Geld hat oder nicht. Es geht mehr darum, ob einem etwas fehlt, was man will. Je mehr man will, desto unglücklicher ist man, weil gewisse Dinge sich logischerweise nicht erfüllen lassen. Ob man glücklich ist, wenn man nichts mehr will, weiß ich nicht. Vielleicht spielt Glück dann gar keine Rolle mehr.
Wollen Sie denn eine hohe Einschaltquote? „Braunschlag“ war mit einer Million Zuschauern ein Megaerfolg. Manche sprechen von einer Kultserie. Sind Sie erst zufrieden, wenn „Altes Geld“ das toppt?
Die Erwartungshaltungen haben sich natürlich gesteigert. Das war schon nach „Aufschneider“ so. Jetzt sind sie halt noch größer. Aber ich rechne bei „Altes Geld“ gar nicht damit, dass es so erfolgreich wie „Braunschlag“ wird. Man darf nie damit rechnen. Aber für mich ist das Gefühl von Erfolg ohnehin eher damit verbunden, ob mir etwas gelingt oder nicht. Wenn man anders denken würde, könnte man meinen Beruf wahrscheinlich nicht machen. Für mich geht es darum, dass ich die Möglichkeit habe, weiterzumachen.
Ihre Eltern stammen aus dem Waldviertel, Sie selbst haben dort ein Haus. Leben Sie lieber in der Stadt oder auf dem Land?
Ich brauche die Abwechslung und finde beides gut. In der Stadt bin ich umgeben von Inspirationen. Ich kann ins Theater gehen oder mit Freunden um die Häuser ziehen. Und am Land habe ich die Stille, die ich auch sehr liebe. Ich bin wahnsinnig gerne im Wald, alleine und mit meiner Familie.
Was lieben Sie am Alleinsein?
Wenn man nicht alleine sein kann, kann man nicht bei sich sein und dann entgeht einem fast alles. Es gibt genug Lebenssituationen, in denen man auf sich zurückgeworfen ist. Eigentlich ist man meistens alleine. Wenn man damit nicht zurechtkommt, verlernt man letztendlich zu leben.
Wir leben in einer Zeit, wo wir mit Social Media allerdings in eine ganz andere Richtung gehen.
Ich bin wirklich kein Feind sozialer Medien, aber das Problem ist das Suchtverhalten. Viele Menschen schauen alle zehn Minuten auf Ihr Handy, ob jemand etwas gepostet oder geliked hat. Dazu exponiert man sich ständig. So verlernt man das Alleinsein garantiert.
Wie halten Sie es mit Ihrem Handy?
Ich habe mir angewöhnt, das Handy auch einmal auszuschalten und es nicht ständig dabei zu haben. Marshall McLuhan (Anm.: ein kanadischer Philosoph und Medientheoretiker) hat vorausgesagt, dass wir das Mobiltelefon einmal als einen Teil unseres Körpers empfinden werden. Da sind wir mittlerweile schon.
Weil wir es ständig bei uns tragen?
Auf einem Flug vor zwei Jahren bin ich einmal neben einem Mann gesessen, der in einer Zeitschrift gelesen hat. Ich habe ihm dabei zugesehen, wie er versucht hat, mit den Fingern auf dem Papier die Schrift zu vergrößern. Daran sieht man, dass das Smartphone schon in unsere Körpersprache integriert ist.
Sind Sie selbst auf Facebook?
Ich habe eine private Seite mit 5.000 Leuten, die ich vor allem nutze, um meine Projekte vorzustellen. Und sie ist gut, um von Leuten etwas mitzukriegen, die man aus den Augen verloren hat. Vielleicht, weil sie woanders leben. Mehr nicht.
Benutzen Sie Facebook auch zur Themenfindung für Ihre Bücher oder Serien?
Nein, dafür ist es viel zu oberflächlich.
Wie kommen Sie dann auf Ihre Themen? Nehmen wir einmal „Altes Geld“ ...
Es hat eigentlich nicht mit einem Thema begonnen, sondern mit einer Bilderwelt, einem Milieu, von dem ich erzählen wollte. Es ging mir um eine Art von Inszenierung und Sprache. Der Rest ist dazugekommen. Ich bin den ganzen Tag damit beschäftigt, über solche Dinge nachzudenken. Peter Handke hat dazu einmal einen schönen Satz gesagt: „Wenn man schreiben will, geht es nicht darum, dass einem etwas einfällt, sondern, dass einem etwas auffällt.“ Daran halte ich mich schon ein bisschen: Ich sauge mir Dinge nicht aus den Fingern, sondern sehe sie wie Passanten, die vorbeigehen. Und dann halte ich sie auf oder nicht.
Offenbar halten Sie die richtigen auf.
Ach, ich lasse auch viel wehmütig an mir vorbeiziehen.
Haben Sie Angst vor dem Misserfolg?
Die Phase, wo mir Schulterklopfen wichtig war, habe ich längst hinter mir. Der Charakter ist kein statisches Gebilde, sondern immer in Bewegung. Es gibt so viele andere Faktoren, die einen verändern als Erfolg oder Misserfolg. Das wäre ja so, wie wenn man seine Gemütsverfassung ausschließlich vom Wetter draußen abhängig macht.
Reden wir lieber wieder über den Erfolg: Woran liegt es, dass so viele Menschen Ihre Arbeit gut finden?
In erster Linie schaue ich immer, was mir selbst gefällt und gehe davon aus, dass das auch andere mögen. Man muss natürlich einen Nerv treffen und einen originären Ton. Aber am wichtigsten ist, dass man selbst der erste Zuseher ist. Ein Zuseher, der sich nicht zufrieden geben darf. Viel hat auch mit der richtigen Besetzung der Charaktere zu tun. Aber man darf Erfolg nicht zum Mittelpunkt seines Denkens machen.
Ist Ihnen das Schreiben, egal ob Drehbuch oder Roman, je schwer gefallen?
Das war für mich nie ein Thema. Ich habe sehr früh begonnen und gewusst, dass ich schreiben will.
In Stephen Kings Roman „Misery“ raucht der Autor Paul Sheldon nach der Vollendung eines Buches immer eine Zigarette. Haben Sie auch ein Ritual, um abzuschließen?
Am Anfang eines Buches fahre ich immer in ein Hotel und am Ende dann auch. So kann ich mich ganz auf die Arbeit konzentrieren. Ein Buch ist für mich dann abgeschlossen, wenn es aus der Druckerei kommt und vor mir liegt. Dann gehe ich meistens was trinken. Aber das mache ich so auch.
Sie haben als Autodidakt weder eine Schreibschule noch eine Filmschule besucht. War das je ein Problem?
Ich habe viel von den Leuten gelernt, mit denen ich gearbeitet habe. Es geht um das Tun. Und die beste Schreib-Schule ist ohnehin das Lesen.
Haben Sie dafür überhaupt noch Zeit?
Doch, ich lese sehr viel. Dafür schaue ich kaum fern, ich habe auch keinen Fernseher. Wenn, dann schaue ich am Laptop und das höchstens alle drei Wochen einmal.
Welche Bücher haben Sie zuletzt gelesen?
Eines von Henry James und davor die Frankfurter Poetikvorlesungen von Daniel Kehlmann, die wirklich großartig sind. Mein bisheriges Lieblingsbuch von ihm.
Schreiben Sie demnächst auch wieder ein Buch oder woran arbeiten Sie?
Ich schreibe seit ein paar Wochen an einem Theaterstück für das Schauspiel Köln, wo ich im Herbst inszenieren werde. Das Stück heißt „Kimberly“. Es handelt von einer Männermörderin, die eine neue Identität annimmt. Es geht darum, was Identität eigentlich bedeutet.
Theater ist ja schon wieder ein neues Genre. War Ihnen sofort klar, wie Sie da vorgehen müssen?
Ich mache das ja nicht erst seit gestern. Wenn man in meiner Branche ist, muss man sich grundsätzlich fragen, ob man dafür geschaffen ist. Man muss gewisse Dinge einfach können. Ich kann ja auch nicht Schauspielen oder Malen. Beim Schreiben glauben die Leute immer, nur weil jeder irgendetwas schreibt, kann man automatisch Bücher schreiben. Das ist aber nicht so. Das ist schon ein Beruf.
Was glauben Sie, wohin Sie Ihr Weg noch führen wird?
Ich hantle mich von einem Projekt zum nächsten und versuche halt immer etwas Neues zu machen. Als Regisseur und Autor wird man ja ständig gefragt, ob man seinen Beruf nächstes Jahr noch ausüben wird. Einen Installateur würde man ja auch nicht fragen, ob er nächstes Jahr noch Rohre verlegt.
David Schalko, 42, Autor, Regisseur und Entwickler von TV-Formaten, wurde in Waidhofen an der Thaya geboren und ist in Wien zur Schule gegangen. Wer ihn nicht zu glauben kennt, kennt ihn doch, da seiner Feder Kultserien wie „Aufschneider“ oder „Braunschlag“ entsprungen sind. Auch TV-Formate wie „Sendung ohne Namen“ gehen auf sein Konto. Schon bald war klar, dass er nur eines wollte: Schreiben. „Ich habe das nie als Hobby gesehen, sondern immer als einen Beruf.“ Ein Betriebswirtschaftsstudium, mit dem er sich eine finanzielle Grundlage für ein Leben als Autor schaffen wollte, brach er ab. Schalko heuerte aber schon bald beim Privatfernsehen an und begann, Formate zu entwickeln. Ab da nahmen die Dinge ihren Lauf. Schalko hat zwei Kinder und ist mit einer Cutterin verheiratet. Er lebt abwechselnd in Wien und im Waldviertel.
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