François Lelord über das Glück

François Lelord über das Glück
Ein Psychiater als Bestseller-Autor: François Lelord hat die Roman-Figur Hector erschaffen, die Millionen Leser weltweit begeistert hat. Im August kommen die Abenteuer des Therapeuten, der auf Glücksuche geht, ins Kino. Zeit, mit dem Schriftsteller zu besprechen, wo man es findet.

freizeit: Herr Lelord, lassen Sie mich eine Frage stellen, obwohl Sie bestimmt schon oft danach gefragt wurden. Sind Sie. . .

Francois Lelord: Ja, ich bin glücklich. Ich würde sogar sagen, dass ich derzeit, mit 61 Jahren, die glücklichste Zeit meines Lebens habe. Ich hoffe, das dauert noch an. Aber ich weiß natürlich, dass es nicht ewig so weitergehen kann.

Die Tatsache, dass Ihr Roman "Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück" verfilmt worden ist und im August in die Kinos kommt, hat sicher auch zu Ihrem Glücksgefühl beigetragen.

Natürlich war ich sehr glücklich, als ich davon erfahren habe. Es ist ja nicht alltäglich, dass aus einem Buch ein Film gemacht wird. Und wenn plötzlich ein Charakter, den man so oft im Kopf hat, Realität wird, ist das wie eine Halluzination. Es wirkt anfangs sehr unrealistisch.

Hector ist Psychiater wie Sie. Wie ähnlich ist er Ihnen denn?

Ich möchte mich nicht mit ihm vergleichen, aber natürlich steckt auch ein bisschen Hector in mir. Er ist zwar jünger als ich, aber er ist Psychiater und beschäftigt sich sehr viel mit dem Glück. Ich würde sagen, Reales und Fiktives vermischen sich, wie wahrscheinlich bei den meisten Autoren. Viele Themen und einige Charaktere fallen mir einfach irgendwann ein. So wie Hector auch. Dann habe ich begonnen, das Buch zu schreiben. Es hat ein bisschen den Stil einer Kindergeschichte, was mir leicht gefallen ist. Und das Wichtigste: Ich war glücklich dabei. Deshalb habe ich dann auch weitergemacht, ohne genau zu wissen, wie es ausgeht.

Sie haben bisher sieben Hector-Bücher geschrieben. Hatten Sie eine Vorahnung, dass schon das erste über das Glück ein Bestseller werden würde?

Ich war mir sicher, dass es meine Freunde und meine Familie mögen würden. Aber erst als ich bemerkt habe, wie euphorisch alle waren, begann ich zu begreifen, dass die Märchen von Hector die Herzen und Gedanken der Menschen berühren. Viele Menschen haben mir erzählt, dass sie beim Lesen geweint hätten. Das hat mich schon stolz gemacht.

Was ist das Geheimnis Ihres Schreib-Erfolges?

Ich glaube es hängt damit zusammen, dass Hector in einer humorvollen Art und Weise über ernste Themen spricht.

Vor allem in Deutschland und Korea haben Sie die meisten Fans. Warum gerade dort?

Mein Herausgeber meinte, man würde mir als Franzosen abnehmen, über das Glück schreiben zu können, so wie man einem Italiener abnimmt, über die Liebe zu schreiben. In Deutschland habe ich ja noch mehr Erfolg als in meiner Heimat Frankreich. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass es in meinen Büchern um philosophische Fragen wie das Glück oder die Liebe geht. Deutsche hatten schon immer Interesse für Philosophie. Außerdem sind meine Bücher romantisch und sentimental, so wie Deutsche und Österreicher es sind – und im Übrigen auch ich.

Und der Erfolg in Korea?

Das ist eine sehr zielorientierte Kultur, in der viel gearbeitet wird. Meine Bücher dienen dort vielleicht als Erinnerung, das Leben auch zu genießen. Mir haben viele Koreaner auch persönlich gesagt, dass sie nicht so leben wollen wie ihre Eltern, deren Alltag nur aus Arbeit bestand.

Als Psychiater sind Sie ja Experte in Sachen Glück und Zufriedenheit. Kann man Glück als Laie denn überhaupt lernen?

Ich denke schon, wobei nicht jeder Mensch die gleiche Begabung hat, glücklich zu sein. Sie müssen sich das vorstellen, wie die Begabung für Sport oder Musik. Auch in diesen Bereichen wird nicht jeder Hochleistungen vollbringen.

Mit Training und Übung kann man sich allerdings verbessern. Gilt das auch für das Glück?

Würde ich nicht an eine Verbesserung glauben, wäre ich nicht Psychiater geworden. Mein Job basiert ja darauf, dass Menschen ihr Denken und damit ihr Handeln verändern können. Man kann sich nie zu 100 Prozent steigern, aber eine Verbesserung der sozialen Kompetenz ist möglich.

Als Mensch hätte man immer gerne ein Patentrezept, wie man es schafft, glücklicher zu sein. Haben Sie eines?

Schön wäre es. Man kann aber zumindest sagen, was glücklich macht. Gute Beziehungen zu Freunden, Familie und zum Partner sind zum Beispiel Hauptquellen für Glück. Man sollte deshalb seinen Fokus darauf legen. Eine andere Ressource ist zu tun, wofür man wirklich brennt. Das kann die Arbeit, aber auch ein Hobby sein. Ich bin ohnehin der Meinung, dass Hobbys als Glücksfaktor unterschätzt werden. Ein Hobby kann man frei wählen, und das alleine macht schon glücklich.

Heutzutage werden unglaublich viele Bücher zum Thema Glück veröffentlicht. Was glauben Sie denn, warum die Glücksuche so ein Trend geworden ist?

Wenn ich mir die Generation meiner Eltern anschaue, waren die Werte damals noch ganz andere. In erster Linie war es wichtig, ein guter Vater, ein guter Arbeiter oder eine gute Hausfrau zu sein. Erst dann kam das persönliche Glück. Heute ist das ganz anders. In der Konsumgesellschaft, in der wir leben, herrscht die Meinung, dass man alles kontrollieren kann, egal, ob es die Medizin oder das Glück ist. Leider wird Glück oft mit Materialismus verwechselt, was es ja nicht ist. Das zeigt auch der Film sehr gut.

In der Romanverfilmung lautet einer der zentralen Sätze sinngemäß so: "Es geht nicht um die Suche nach dem Glück, sondern um das Glück, zu suchen."

Ja genau, das ist ein toller Spruch! Ich glaube, er kommt in meinem Buch gar nicht vor, aber wäre mir der Satz vorher bekannt gewesen, hätte ich ihn auch in den Roman aufgenommen.

Was verstehen Sie genau darunter?

Man sieht das im Film sehr gut. Hector stellt sich auf der Suche nach dem Glück sehr vielen Herausforderungen. Er reist in viele Länder, verbringt dabei schöne Abende mit Freunden und hat auch Liebesaffären. Außerdem setzt er sich ein Ziel und will ergründen, was Menschen auf der ganzen Welt glücklich macht. All diese Erfahrungen zusammengenommen machen ihn glücklich. Glück ist also eine Art Nebenprodukt, das sich aus all diesen Situationen ergibt.

So viele Menschen beschäftigen sich heute mit dem Glück und finden es dennoch nicht. Woran hakt es denn?

Es ist einfach nicht mehr so leicht, Dinge zu tun, die glücklich machen. Um uns Freunden oder der Familie zu widmen, haben wir oft zu wenig Zeit, weil wir im Berufsleben so gefordert sind. Die Verbesserung unserer Beziehungen bleibt also auf der Strecke. Und den Beruf auszuüben, den man liebt, ist seit der Weltwirtschaftskrise auch nicht mehr selbstverständlich. Viele Menschen sind arbeitslos. Außerdem erschweren der Konsumzwang und der technische Fortschritt die Fähigkeit zum Glücklichsein.

Können Sie das genauer erklären?

Einer der Hauptfaktoren für Unglück ist der Vergleich mit anderen. Es bleibt dabei ein defizitäres Gefühl. Es wird immer jemanden geben, der mehr hat als man selbst. Aber das zu vermeiden, ist mit dem Markenbewusstsein und dem Stellenwert von Werbung heute nahezu unmöglich. Das fängt schon bei Teenagern an, wo es häufig darum geht, wer die bessere Kleidung, das neuere Smartphone oder die meisten Freunde auf Facebook hat. Jüngste Studien haben übrigens gezeigt, dass Menschen, die viel Zeit auf Facebook verbringen, weniger glücklich als Menschen sind, die das nicht tun.

Wegen der Vergleiche?

Genau. Es geht ja nur darum, wer das beste Bild postet oder die interessanteren Freunde hat, besonders unter jungen Leuten.

Sind Sie selbst auf Facebook?

Ich habe eine Fanseite, was bedeutet, dass ich selbst nicht mit meinen Lesern interagieren kann. Das wäre einerseits großartig, andererseits würde es meine Zeit auffressen und ich käme nicht mehr zum Schreiben. Wenn ich schreibe, ist es wichtig, dass ich mich nicht ablenken lasse. Facebook wäre garantiert das Ende meiner Schriftsteller-Karriere.

"Einer der Hauptfaktoren für Unglück ist der Vergleich mit anderen. Es bleibt dabei ein defizitäres Gefühl. Es wird immer jemanden geben, der mehr hat als man selbst."

Irgendwo habe ich gelesen, dass Sie oft im Kaffeehaus schreiben. Sind Sie da nicht erst recht abgelenkt?

Schreiben ist eine sehr einsame Arbeit und ich fühle mich ein bisschen gefangen dabei. So wie Hector, der sich in seiner Psychiater-Praxis eingesperrt fühlt. Wenn ich schreibe, muss es leise sein, aber nicht zu leise. Deshalb ist ein ruhiges Kaffeehaus am frühen Morgen das Beste für mich. Ich würde sagen, dass ich zwei Drittel meiner Bücher im Kaffeehaus schreibe und ein Drittel zu Hause.

Sehen Sie einem Menschen eigentlich an, ob er glücklich ist oder müssen Sie zuerst mit ihm sprechen?

Das erkenne ich am Gesichtsausdruck. Man sieht aus, wie man ist. Studien haben auch gezeigt, dass das Glücksgefühl, das man mit 40 Jahren hat, damit korreliert, wie oft man als 20-Jähriger gelacht hat.

Dann haben Sie mit 20 sicher viel gelacht.

Vielleicht genau so viel wie Sie. Der Film "Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück" ist ab 22. August in den österreichischen Kinos zu sehen. Prädikat: Macht garantiert glücklich.

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