Proschat Madani über Vergebung

Proschat Madani über Vergebung
Klug, witzig, erfolgreich: Proschat Madani, 46, ist aus Kino und TV nicht mehr wegzudenken. „Der letzte Bulle“, „CopStories“, „Die Mamba“ – ab 3. Juli auch in deutschen Kinos zu sehen. Trotzdem versucht die Schauspielerin ihren Beruf nicht zu wichtig zu nehmen. Ein Gespräch über die Kunst, aus allem das Beste zu machen.

freizeit: Frau Madani, auf Ihrer Homepage erfährt man sehr persönliche Dinge von Ihnen. Zum Beispiel, dass Sie Bachs Cello Suiten glücklich machen, gerne Eiswürfel auf der Haut zergehen lassen und oft stolpern. Erzählt man das sonst nicht nur guten Freunden?

Proschat Madani: Es gibt Themen, über die ich öffentlich nie sprechen werde, zum Beispiel über meinen Beziehungsstatus. Da werde ich immer sagen, dass ich Single bin, weil das niemanden etwas angeht. Aber andere Dinge teile ich gerne, weil Offenheit Verbundenheit zwischen den Menschen schafft. Wenn ich etwa über meine Ängste und Schwächen rede, hat das Gegenüber das Gefühl, dass es auch seine Fassade fallen lassen darf. So erkennen wir, dass wir uns in vielem ähnlicher sind, als wir glauben. Und das macht das Zusammenleben einfacher.

Sie verraten im Internet aber, dass Sie nie verheiratet waren und das so bleiben soll. Was schreckt Sie an der Ehe ab?

Ich sehe die Notwendigkeit nicht. Ich bin auch nicht umgeben von lauter glücklichen Ehepaaren, die seit 20 Jahren verheiratet sind und sagen: ‚Das war die beste Entscheidung meines Lebens.‘ Ich wundere mich eher über Beziehungen, die nach dem gängigen Modell laufen, in denen die Menschen aber mehr an das Modell glauben als daran, was zwischen zwei Menschen stattfindet.

Aus Ihrem Buch "Suche Heimat, biete Verwirrung", das Sie 2013 veröffentlicht haben, weiß man, dass Sie als Kind vom Vater verlassen wurden. Die Hobbypsychologin fragt sich nun, ob Ihre Heiratsphobie damit zu tun haben könnte.

Als ich zwei war, bin ich mit meiner Mutter, der Großmutter und drei Geschwistern aus dem Iran weggegangen. Wir sind nach einiger Zeit in Österreich gelandet, weil wir hier eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen haben. Mein Vater war Internist und wollte nach dem Auflösen seiner Praxis nachkommen. Das ist aber nie passiert. Es kann schon sein, dass mich diese Erfahrung in früheren Jahren geprägt und mein Vertrauen in Männer beeinträchtigt hat. Der Vater ist doch der erste Mann im Leben einer Frau. Mittlerweile habe ich mich damit aber ausgesöhnt und will aus den eben genannten Gründen trotzdem nicht heiraten. Das ist aber auch nur eine Momentaufnahme. Vielleicht ändere ich meine Meinung, wenn mir ein triftiger Grund einfällt. Das ist bisher noch nicht passiert.

Sie haben Ihren Vater erst nach 28 Jahren wiedergesehen. Warum nicht früher? Gab es keine Gelegenheit dazu?

Dass mein Vater sich letztlich für sein Land und gegen seine Familie entschieden hat, war für mich ein Grund, zu sagen, dass ich keinen Vater habe. Ich wollte nichts mit ihm zu tun haben. Das hat sich im Nachhinein klar als Trugschluss erwiesen. Man kann die Eltern nicht aus seinem Leben verbannen. Konflikte wird es immer geben, aber es ist wichtig, sich mit den Eltern auszusöhnen. Wir sind ein Teil von ihnen und sie ein Teil von uns. Gibt es keinen Frieden mit ihnen, gibt es keinen Frieden in uns. Aber diese Erkenntnisse hat man als Erwachsener oft lange nicht und schon gar nicht als Kind.

Was hat Ihnen auf dem Weg zu dieser Erkenntnis geholfen?

Auf dem langen Weg dorthin, habe ich mich auch mit Viktor Frankl beschäftigt. Er ist einer meiner großen Helden, weil er selbst im Konzentrationslager noch das Schöne im Leben gesehen hat. Das beschreibt er auch in seinem Buch "Und trotzdem Ja zum Leben sagen". Seine ganze Familie wurde im KZ getötet, ein unvorstellbares Schicksal. Es hat ihn trotzdem nicht davon abgehalten, Sinn im Leben zu finden. Das ist für mich der Beweis, dass der Mensch auch die schrecklichsten Dinge verarbeiten kann.

Frankl war allerdings Psychologe und im Umgang mit der Seele geschult.

Man kann sich aber auch mit der Seele beschäftigen, wenn man kein Psychologe ist. Ich habe dadurch gelernt, dass lieben die beste Form des Egoismus ist. Alles, was wir empfinden, mag von außen ausgelöst werden, aber letztendlich ist dieses Gefühl in uns. Wenn man hasst, fühlt man sich in erster Linie selbst nicht gut dabei. Aber man hat immer die Wahl: Entweder das Opfer zu sein oder sein Leben im Rahmen des Möglichen selbst zu bestimmen und etwas Gutes daraus zu machen.

Es gibt aber viele Menschen, die benachteiligt sind. Nehmen wir die Frauen im Iran. Glauben Sie, es ist dort einfach, das Beste aus seinem Leben zu machen?

Ich glaube, wir müssen mit dem Konzept, das wir von Frauen im Orient haben, aufpassen. Das Meiste über das Leben dort wissen wir aus den Medien, wo alles gefiltert wird. Ich war als erwachsener Mensch auch nur drei Mal im Iran, aber ich habe dort sehr selbstbewusste Frauen erlebt. Als ich meinen Vater im Krankenhaus besucht habe, konnte ich beobachten, wie ein Assistenzarzt von einer älteren Krankenschwester mit Kopftuch belehrt wurde. Die Versatzstücke waren also da. Trotzdem ist er wie ein Schulbub vor ihr gestanden und hat sich entschuldigt. Ich habe meinen Augen nicht getraut. So etwas wäre bei uns aus hierarchischen Gründen nie möglich.

In meinem Kopf überwiegt trotzdem noch das Bild der unterdrückten iranischen Frau. Sehen Sie Möglichkeiten, dieses Bild zu verändern?

Prinzipiell finde ich, dass Zuhören und Offenheit immer gut sind, egal, bei welchem Thema. Vor allem, wenn es um Menschen geht, die nicht unserer sozialen Schicht angehören. Wir sind zu voreingenommen. Das lässt sich gut an dem Film "Nader und Simin" beobachten, in dem es um eine iranische Scheidung geht. Am Anfang glaubt man, nichts mit den handelnden Personen zu tun zu haben und sie nicht zu verstehen. Aber der Regisseur schafft es, dass man sich am Ende in alle Personen hineinversetzen kann und sie nicht mehr verurteilt, auch wenn man vielleicht nicht so handeln würde wie sie. Es gibt kein Schwarz-Weiß-Denken mehr. Das ist doch eine Lebenseinstellung, die man kultivieren kann.

Keine Vorurteile zu haben ist schwierig.

Offen zu sein bedeutet ja nicht, keine Vorurteile haben zu dürfen. Das gehört zum Menschsein dazu. Ich kann mich ja auch erst mit ihnen auseinandersetzen und sie verändern, wenn ich sie mir eingestehe. Man darf nicht zu streng mit sich sein und erwarten, dass jahrelange Konditionierungen verschwinden, nur weil man einmal ein buddhistisches Buch gelesen hat. Manchmal macht man zwei Schritte vor und drei zurück. Veränderung ist ein langer Prozess. Man kann sich nur jeden Tag aufs Neue auf die Schulter klopfen, wenn wieder einmal etwas gelungen ist und sich sagen: ‚Wow, das hast du gut gemacht.‘

Wann war das bei Ihnen zuletzt der Fall?

Ich habe das ganz oft bei meiner Tochter. Bei ihr habe ich das Gefühl, dass viel geglückt ist. Wir haben eine innige Beziehung und ich kann sie trotzdem frei lassen und zuschauen, wie sie sich wandelt und in welche Richtung sie geht. Dafür bin ich sehr dankbar, weil das nicht selbstverständlich ist. Ich klopfe mir immer wieder auf die Schulter, wenn es um die Beziehung zu anderen Menschen geht, weniger im Beruf. Da gibt es auch Momente, wo ich mir denke, da ist mir was geglückt. Das hat aber nicht denselben Stellenwert.

Das klingt fast so, als wäre Ihnen der Beruf nicht so wichtig.

Ich liebe meinen Beruf. Aber ich habe in den vergangenen 25 Jahren gelernt, dass es in der Schauspielerei keine Sicherheit gibt. Man kann sich weder auf Erfolg noch auf Misserfolg verlassen. Das gibt einem die wunderbare Möglichkeit, eine innere Distanz dazu zu schaffen. Sonst bist du verloren. Denn manchmal bist du oben, dann wieder unten. Meistens weiß man aber nicht, woran das liegt.

Wenn man gut ist, kriegt man Lob – und umgekehrt. Ist das zu einfach?

Wenn mir jemand sagt, dass ich großartig gespielt habe, denke ich mir oft: ‚Warum seid ihr so verwundert darüber? Ich hatte einfach noch nie die Möglichkeit, so eine Rolle zu spielen.‘ Aber wehe, man ist danach einmal nicht so gut. Dann ist man wieder unten durch. Das klingt jetzt negativ. Ich darf mich nicht beschweren, mir geht es gut. Ich meine nur, dass man nie hinterfragen soll, warum es mal läuft und dann wieder nicht. Für mich gibt es dahinter keine Gesetzmäßigkeit. Es ist wichtig, auch andere Projekte zu haben. Deshalb habe ich auch begonnen, zu schreiben.

Sie arbeiten also wieder an einem Buch?

Ich recherchiere gerade. Es wird um Authentizität gehen. Mit dem Wort wird oft verknüpft, zu wissen, wer man ist. Das impliziert, dass wir eine bestimmte Person sind. Aber der Mensch ist kein statisches Objekt, sondern ein dynamisches Wesen.

Sie meinen, dass wir mehrere Seiten in uns entdecken sollten?

Genau – wie ein Schauspieler, der in verschiedene Rollen schlüpft. Viele haben sich für einen Entwurf entschieden, aber es wäre spannender, mehrere Facetten seiner Persönlichkeit zuzulassen und zu leben.

Das klingt spannend. Wenn das Buch fertig ist, sollten wir uns wiedersehen. Was heißt ‚Auf Wiedersehen‘ auf Farsi?

Khoda hafez.

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