Das Ende der Diät-Mythen

Das Ende der Diät-Mythen
Was Sex mit Abnehmen zu tun hat, wie viel ein Kilo Körperfett wert ist und ob es möglich ist, ohne Nahrung auszukommen, hat ein Physiker ausgerechnet. Mit überraschenden Ergebnissen.

Schön schlank, und das möglichst für immer. Um dieses Ziel zu erreichen, ist manchen Menschen jedes Mittel recht. Auch wenn es womöglich gar nichts taugt. Denn in vielen Fällen hält der Mythos vom schnellen auch dauerhaften Abnehmen der wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Der Wiener Physiker und Sportwissenschaftler Martin Apolin setzt gängigen Diät-Mythen die Wissenschaft entgegen. Das kann mitunter ernüchternd sein, aber auch hilfreich. Weil er einerseits beweist, dass Sex ein höchst untaugliches Mittel zum Abnehmen ist. Weil man aber auch andererseits erkennt, dass es völlig unmöglich ist, in nur einer Woche fünf Kilo abzuspecken, wie sehr man sich auch bemüht. "Das ist ein ganz einfaches Rechenbeispiel", sagt Apolin. "Ein Kilo Körperfettgewebe hat einen Brennwert von 7.143 Kalorien. Der durchschnittliche Tagesbedarf beträgt 2.400. Mit krachharter Nulldiät braucht man drei Tage, um ein Kilo Fett zu verlieren. Mehr als zwei Kilo pro Woche sind also nicht drin, da der Grundumsatz des Körpers und damit die verbrannte Energiemenge sofort einbricht.

Apolins Grundthese: "Die Energiebilanz muss stimmen. Wer seinem Körper mehr Energie zuführt, als er verbraucht, nimmt zu." Denn gemeinerweise speichert der Körper überschüssige Energie stets in Fett. Ganz ohne Essen auszukommen, ist unmöglich. "Der Hungerkünstler wäre die perfekte Umsetzung eines Perpetuum mobile, und das gibt es bekanntlich nicht."Durch Bewegung – eh klar – lässt sich die Energiebilanz positiv beeinflussen. Der Körper verbraucht mehr. Allzu große Hoffnungen vernichtet Apolin aber gleich wieder. "Wunderworkouts gibt es nicht."

Es gibt eine einfach Formel, wie lange man laufen muss, um ein Kilo Körperfett zu vernichten. Die lautet: 7.000 dividiert durch Gewicht. Ein 70-Kilo-Mann muss also 100 Kilometer weit laufen. Auch Errungenschaften wie Elektroden, Vibra-Belt oder Saunagürtel, die angeblich das Fett schmelzen lassen, sind ebenso Humbug wie die Geräte aus dem Werbe-Fernsehen, die gezielt den Bauch mit nur fünf Minuten Training täglich verschwinden lassen. "Wo sich nix bewegt, ist nix. Bei fünf Minuten Aktivität täglich braucht man 20 Wochen, um ein Kilo Fett zu verlieren. "Und dann ist da noch die Sache mit dem Sex. Beim Sex in der Missionarsstellung verbraucht der Mann etwa so viel Energie wie beim langsamen Gehen. Apolin: "Es gibt sicher viele gute Gründe, öfter einmal Sex zu haben, aber Abnehmen gehört ganz definitiv nicht dazu."

1. METABOLIC BALANCE

SO GEHT‘S: Das Blut des Abnehmwilligen wird getestet, um herauszufinden, welche Lebensmittel für seinen Körper geeignet sind. Das kostet ab 300 €. Unter Berücksichtigung von 36 Werten, Gewicht, Größe und eventuellen Krankengeschichten wird ein individueller Ernährungsplan mit erlaubten Nahrungsmitteln erstellt. Jeder soll nur das essen, was seinem Stoffwechsel guttut. Dann laufen vier Phasen ab. Jede Mahlzeit beginnt mit Eiweiß. 1. Entlastungsphase mit Abführmittel und leichter Kost. Dauert zwei Tage. 2. Zwei Wochen lang wird fettfrei laut Plan gegessen. Danach sind Öle erlaubt und es darf bei "Schlemmermahlzeiten" alles gegessen werden. 3: Jetzt wird die Liste der erlaubten Lebensmittel erweitert. 4. Der Teilnehmer soll mit Hilfe seiner bisherigen Erfahrungen selbst herausfinden, was ihm guttut. Der Plan muss nicht mehr eingehalten werden, die Metabolic-Balance-Ernährungsgewohnheiten schon.

BEWERTUNG: Die Diät ist teuer und es ist ein Geheimnis, wie jemand aus Blutwerten eine individuelle Diät zusammenstellt. Das ist immer verdächtig. Metabolic Balance enthält kein wissenschaftlich abgesichertes Konzept und baut auf Grundlagen auf, die den ernährungsmedizinischen Empfehlungen weitgehend widersprechen. Die Zielsetzungen sind in Ordnung, aber es gibt keinen einzigen Beweis, wie auf diese Art eine Ernährungsumstellung erreicht werden kann. Solange keine ausreichende Evidenz für das 4-Phasen-Programm der Metabolic Balance vorliegt, kann diese Kostform nicht empfohlen werden.

SO GEHT‘S: Karl Lagerfeld schwört auf diese Dreistufen-Diät unter örtlicher Aufsicht. Jeder wählt die Stufe, die er möchte. Stufe 1: Maximal 900 Kalorien. Gegessen wird nur Eiweiß in Pulverform. Gemüse wie Paprika, Spargel, Paradeiser, Kohlsprossen. Dazu mindestens 1 l Wasser. Zwei bis drei Wochen lang. Stufe 2: Maximal 1.200 Kalorien. Zum Frühstück oder Abendessen Eiweißpulver, Fisch, Geflügel, Eier, Magertopfen, Gemüse. Mehrere Monate lang. Stufe 3: Maximal 1.600 Kalorien, jetzt sind auch Vollkornbrot und magere Milchprodukte erlaubt. Dazu Proteinpulver. Mehrere Monate lang.

BEWERTUNG: Klingt sehr mondän, aber vor allem Stufe 1 und 2 sind durch die hohe Kalorien-Reduktion nicht auf Dauer durchzuhalten. Außerdem sinkt dabei der Grundumsatz sehr stark ab, was nach Beendigung zu einem starken Jojo-Effekt führt.

SO GEHT‘S: Essen, so viel Sie wollen – an fünf Tagen pro Woche. An zwei Tagen nicht mehr als 600 Kalorien. Erlaubt sind 250 Gramm magere Lebensmittel, etwa Fisch, Geflügel, Eier, Topfen, Tofu. Erlaubt sind Wasser, Kaffee, Tee, verboten sind Kohlenhydrate (Brot, Nudeln, Zucker) Alkohol. Diese Diät soll nicht nur zu Gewichtsverlust führen, sondern auch Blutdruck und Cholesterinwerte senken sowie Demenz vorbeugen. Gegessen wird auch an den Fasttagen, wann und wie oft man Lust hat.

BEWERTUNG: Die große Frage ist, inwieweit nicht die negative Energiebilanz an den beiden Fasttagen durch das Ich-darf-essen-was-ich-Will unter der Woche ausgeglichen wird.

SO GEHT‘S: Ausgewogene Ernährung wie im Urlaub bei unseren südlichen Nachbarn. Gemüse, Salat, Olivenöl, Pasta und Fisch. Frische Früchte als Dessert. Das soll schlank machen und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Weiterer Vorteil: Auch beim Ausgehen ins Restaurant ist diese Diät machbar – mit gegrilltem Fisch und Salat etwa.

BEWERTUNG: Hier müssen Sie aufpassen, dass Sie nicht zu viel Fett zu sich nehmen. Es wird oft nicht darauf hingewiesen, dass es nur Studienergebnisse sind, auf deren Basis zwischen dem Gesundheitszustand der Teilnehmer und ihren Ernährungsgewohnheiten ein Zusammenhang hergestellt wird. Das darf aber nicht mit einem kausalen Beweis verwechselt werden. Es handelt sich also nur um Theorien, und diese wurden im Fall der Kreta-Diät mehrfach geändert.

SO GEHT‘S: Menschen vertragen einige Lebensmittel besser, andere schlechter, meint der Diäterfinder und Arzt Peter D’Adamo. Blutgruppe 0: Fleischesser, verträgt auch Obst und Gemüse. Schlecht: Getreide und Hülsenfrüchte. Blutgruppe A: Empfohlen wird vegetarische Ernährung, wenig Fisch und Milchprodukte. Blutgruppe B: Wild, Lamm, Lachs, Kabeljau, Milch, Obst, Gemüse werden gut vertragen, Krustentiere, Huhn schlecht. Wenig Getreide und Hülsenfrüchte. Blutgruppe AB: Am besten vegetarisch ernähren, ein wenig Fleisch und Milchprodukte.

BEWERTUNG: Insgesamt erscheinen D'Adamos Ratschläge auf den ersten Blick verblüffend einsichtig. Wissenschaftlich geprüfte, in Fachzeitschriften veröffentlichte Daten zur Bestätigung seiner Ideen legt der Autor nicht vor. Die Diät basiert also auf ungeprüften Hypothesen.

SO GEHT‘S: Der Körper kann Eiweiß und Kohlenhydrate nicht gleichzeitig verdauen, meinte der US-Arzt Howard Hay. Der Körper "übersäuert". Er hält Zucker, weißes Mehl und Brot für "unnatürlich". Auch Milch solle man meiden, bei Fett und Fleisch sparen. Dazu empfiehlt er reichlich Bewegung.

BEWERTUNG: Wissenschaftlich nicht haltbar. Wenn man wahlweise nur Fleisch oder Kartoffeln essen darf, isst man natürlich in Summe weniger und erleichtert die negative Energiebilanz.

SO GEHT‘S: Auf die Punktezahl kommt’s an. Nach einer Formel werden Nahrungsmittel bewertet. Man darf alles essen, Hauptsache das tägliche Punktekonto wird nicht überschritten. Eine Scheibe Salami oder vier Scheiben Lachsschinken – egal. Für Bewegung gibt es Bonuspunkte. Dazu kommt das Gruppenerlebnis – sich bei den wöchentlichen Treffen für seine Erfolge feiern zu lassen oder sich nicht blamieren zu wollen.

BEWERTUNG: Sehr übersichtliches System, und Abnehmen in der Gruppe ist leichter. Allerdings ist die "Betreuung" nicht gratis.

SO GEHT‘S: Essen, so viel und was Sie wollen, dazwischen als Ausgleich maximal drei Fasttage mit nicht mehr als 800 Kalorien: Salzarme Kost, Reis, Erdäpfel, Getreide, Obst, Gemüse. Das entschlackt.

BEWERTUNG: Der Gewichtsverlust beruht hauptsächlich darauf, dass der Körper Wasser ausscheidet, weil möglichst salzfrei gegessen wird. Fettgewebe wird kaum reduziert.

SO GEHT‘S: So wenig Kohlenhydrate wie möglich, dafür dürfen mehr Eiweiß und Fett gegessen werden. Der Körper verwandelt die Kohlenhydrate nämlich in Zucker, produziert Insulin, um ihn wieder abzubauen, dadurch wird weniger Fett verbrannt. Außerdem verleitet das Hungergefühl zum Essen. Erlaubt sind Fisch, Fleisch, Gemüse, Eier, Joghurt. Verboten sind süßes Obst wie Bananen, Nudeln, Reis, Brot.

BEWERTUNG: Diese Diät hat einen großen Anfangseffekt, weil die Kohlenhydratspeicher geleert werden, wodurch auch sehr viel im Muskel gebundenes Wasser frei wird. 1g KH im Muskel bindet nämlich 3 bis 4 g Wasser. Wenn man 400 g KH verliert, zeigt die Waage in Summe rund 1,5 kg weniger. Dabei hat man aber natürlich noch kein Fett verloren, weil das nur über eine negative Energiebilanz geht. Der Mangel an Kohlenhydraten macht unzufriedener, als weniger Fett zu essen! Low-Carb-Diäten führen zwar nach zwölf Monaten zu einem etwas höheren Gewichtsverlust als Low-Fat-Diäten, allerdings erhöht sich das gefäßschädigende LDL-Cholesterin. Ein negativer Effekt, denn ein erhöhtes LDL-Cholesterin gilt als Risikofaktor für koronare Herzerkrankungen.

SO GEHT‘S: Eine Diät zum Sattessen. Kein Kalorienzählen und so viel Kohlenhydrate wie man möchte. Also keine Einschränkungen bei Brot, Nudeln, Reis oder Erdäpfeln. Dazu viel Obst, Salat, Gemüse und Fisch. nicht mehr als 50 Gramm Fett (gute Öle) pro Tag. Wichtigstes Küchengerät: Der Wok. Ein ausgewogenes Bewegungs- und Entspannungsprogramm gehört unbedingt dazu.

BEWERTUNG: Klingt sehr vernünftig, weil nicht die Nahrungsreduktion im Vordergrund steht, sondern der Sport. Das Vermeiden von fettreichen Lebensmitteln ist sinnvoll. Außerdem ist das Konzept langfristig angelegt. Man muss aber wissen, dass man durch Sport nur langsam Fett verliert. Ein Mensch mit 70 kg muss 100 km laufen, um ein Kilo abzuspecken.

SO GEHT‘S: Alles, was unsere Urur-Ahnen aßen, ist hier erlaubt. Denn die litten nicht unter Fettleibigkeit oder erhöhten Cholesterinwerten oder Diabetes. Also: Nichts, was industriell verarbeitet ist, weitgehender Verzicht auf Kohlenhydrate, kein Brot, keine Getreideprodukte, keine Milch. Erwünscht sind frisches Obst, Nüsse, proteinreiches Fleisch, Fisch.

BEWERTUNG: Ob in der Steinzeit tatsächlich so gegessen wurde, wie von den Autoren behauptet, wird kontrovers diskutiert. Sollte die Botschaft lauten, Obst, Gemüse, Nüssen, magerem Fleisch und Fisch ist gegenüber Junk Food der Vorzug zu geben, wird wohl kein Ernährungswissenschaftler etwas dagegen einwenden. Ist für mich aber eigentlich keine wirkliche Diät, weil weniger das Abnehmen im Vordergrund steht als vielmehr die Art der Ernährung, also eher die Lebensein­stellung.

SO GEHT‘S: Dr. Atkins’ Theorie: Der Körper braucht Kohlenhydrate, um Fett zu verbrennen. Bekommt er keine, setzt sich das Fett nicht an. Also: Keine Getreideprodukte, kein Brot, keine Erdäpfel. Dafür Fleisch, Speck, Eier, Wurst, Fisch, Käse und Milchprodukte, egal wie hoch der Fettgehalt ist. Das Ende des Kalorienzählens.

BEWERTUNG: Ist auch nur eine Form der Low-Carb-Diät (siehe Punkt 8).

SO GEHT‘S: Hier kommt’s auf den "glykämischen Index" an. Der bezeichnet die Wirkung von Lebensmitteln auf den Blutzuckerspiegel. Ist der niedrig, produziert der Körper weniger Insulin. Viel Insulin bewirkt, dass der Appetit steigt, der Körper Fett ansetzt, statt Reserven abzubauen. Erlaubt sind Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Pflanzenöl, Nüsse, Hülsenfrüchte, Fisch, Geflügel, Milchprodukte und Eier. Verboten: Weißbrot, geschälter Reis, Nudeln, Erdäpfel. Sport soll den Stoffwechsel anregen.

BEWERTUNG: Die Daten über den Einfluss des glykämischen Index auf das Körpergewicht sind umstritten; es ist noch nicht erwiesen, dass eine Verringerung der glykämischen Last anderen diätetischen Aktionen (z.B. Reduktion des Fettanteils) eindeutig und nachhaltig überlegen ist. In meinen Augen die größte Schwachstelle: Die aufgenommene Kalorienmenge wird vernachlässigt! Letztlich ist es aber immer nur die negative Energiebilanz, die das Abspecken sichert.

SO GEHT‘S: Alte, trockene Semmeln einspeicheln und kauen. Dazu Milch oder Kräutertee und Wasser, Bittersalz. Alles unter ärztlicher Aufsicht.

BEWERTUNG: Ist eigentlich vorrangig eine Methode, um den Darm zu reinigen, die aber umstritten ist. Als Diät ist sie wegen der einseitigen Ernährung nicht zu empfehlen.

SO GEHT‘S: Die gleichen Nahrungsmitel wie immer, aber eben von allem nur die Hälfte.

BEWERTUNG: Sehr rigorose Maßnahme mit viel Magenknurren, die man auf Dauer nicht durchhält. Durch die starke Kalorien-Reduktion kommt es zu einem sehr starken Absinken des Grundumsatzes. Das führt nach dem Ende der Diät zu einem starken Jojo-Effekt.

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