Peter Weck: "Es gibt Verrückte, die werden im Alter noch Vater"
Ein Sonntag im November. Gerne hätten wir Peter Weck persönlich getroffen. Doch ein Mann wie er sitzt nicht daheim und wartet. Der 89-Jährige weilt bis Ende des Monats in München, wo er mit Friedrich von Thun in „Sonny Boys“ auf der Bühne steht. Es geht um zwei alte Komiker am Ende ihrer Karriere. Karriere-Ende? Nichts für Weck. Schauspielen tut ihm gut. „Deswegen mache ich das.“ An diesem Sonntag hat Weck seinen einzigen freien Tag. Wir erreichen ihn am Handy in seinem Hotel. „Guten Tag, Herr Weck. Hier ist die aus Wien. Wir wollen mit Ihnen über Ihre Katzen plaudern.“ Weck lacht. Er weiß, was gemeint ist. „Legen Sie los!“
Herr Weck, zum 80er kam Ihre Biografie „War’s das?“ heraus. Seither sind fast zehn Jahre vergangen. Sie werden 2020 90 Jahre. Die Antwort auf Ihre Frage lautet: Das war’s nicht!
Naja, ich gebe nichts auf Zahlen, sondern verlasse mich auf mein biologisches Alter. Ich fühle mich heute nicht anders als mit 70, und wenn ich geistig und körperlich fit bleibe, kann ich auch noch arbeiten und das mache ich.
Sie spielen derzeit mit Friedrich von Thun theater in München. „Sonny Boys“ handelt von zwei alternden Comedy-Stars. Wie denken Sie über Alter?
Ich bin kein Mensch, der sich hinsetzt und auf den Tod wartet. Ich habe mein ganzes Leben nie an Pension gedacht, sondern immer an meinen Beruf. Das tut mir gut, deswegen mach ich das.
Ohne Beruf hätten Sie nach dem Tod ihrer Frau 2012 wohl auch nicht so leicht zurück ins Leben gefunden ...
Natürlich hatte ich einen starken Einbruch, als meine Frau gestorben ist. Es hat einige Zeit gedauert, zu spüren, wie sich das Gefühl der Trauer etwas erleichtert. Mein berufliches Stillhalten nach ihrem Tod hat niemandem geholfen. Weder ihr noch mir.
Stillstand war nie das Ihre. Nachdem „Cats“ jetzt wieder in Wien gespielt wird, waren Sie als Gesprächspartner sehr gefragt. Sie haben das Musical 1983 als Intendant ans „Theater an der Wien“ gebracht. Wie gefällt Ihnen die Version 2019?
Sehr gut, vor allem, weil vieles gleichgeblieben ist. Der Regisseur ist immer noch Trevor Nunn. Für das Bühnenbild ist wie damals John Napier verantwortlich.
Kamen in letzter Zeit Erinnerungen an „Ihre“ Premiere 1983 hoch?
Natürlich! Es war ja sehr fraglich, wie das Publikum reagiert. Die meisten Leute haben im Vorfeld gesagt, „Operette ist mir lieber. Was soll das sein? Tänzer, die singen und als Katzen verkleidet sind?“ Auch der damalige Bürgermeister (Anm.: Leopold Gratz, SPÖ) ist nicht zur Premiere gekommen, sondern saß in seinem Lieblingsbeisl und hat sich per Telefon erkundigt, wie es läuft. Es gab eine große Unsicherheit. Aber „Cats“ ist sieben Jahre gelaufen und war mit Ausnahme von „Elisabeth“ das erfolgreichste Stück.
Waren Sie gleich vom Erfolg überzeugt?
Ich habe sehr darauf gehofft, weil mir „Cats“ sehr gefallen hat. Es war meine Vorgehensweise als Intendant, Stücke zu forcieren, die mich selbst begeistert haben. Nach der Premiere gab es 20 Minuten „Standing Ovations“. Da war alles klar. Unvergesslich!
Würden Sie zustimmen, wenn ich sage: Das Musical von heute ist nicht das Musical von damals?
Das sehe ich so. Was heute unter Musical läuft, ist keines mehr. Das sind Revuen wie damals in den 1970er-Jahren, banale Geschichten, verpackt in Schlagermusik. Mein Ansinnen war immer, Musical zu machen, wie man es aus England und den USA kannte. Dabei ist es leider nicht geblieben. Jeder macht eben seine Sache, wie er sie für richtig hält.
Was Sie beschreiben sind Jukebox-Musicals wie „Ich war noch niemals in New York“.
Ja, das ist eigentlich eine typische Revue. Auch „I am from Austria“ ist eine Aneinanderreihung von Hits, um die man eine banale Geschichte erzählt. Die Leute gehen heute ins Theater, als würden Sie ins Kino gehen. Das Wesentliche ist, dass sie mitjohlen können. Manchmal sag’ ich zu der Person im Theater neben mir: „Sie wissen, dass Sie lauter sind als die Darsteller auf der Bühne?“ Es kommt mir vor wie beim Hausfrauen-Nachmittag. Grauenhaft! Ein echtes Musical ist im Grunde eine Sache, die aus sich selbst heraus entsteht. Bei „Cats“ ist der Ansatz literarisch. T. S. Elliot hat Gedichte über Katzen geschrieben, die dann von Andrew Lloyd Webber zu einem Musical durchkomponiert wurden.
Und jetzt kommt im Dezember auch noch „Cats“ ins Kino. Lassen Sie mich raten: Sie gehen nicht hin.
Ich habe ein Stück vom Trailer gesehen, der mir nicht gefallen hat. Ich finde das Thema für einen Film nicht geeignet. Die Leute, die das gemacht haben, wollen den letzten Rest der großen Einnahmen von „Cats“ auch noch mitnehmen. So sehe ich das! Die Besetzung ist hochkarätig, lauter tolle Namen, aber teils ohne Stimme. Wie das aufgehen soll, ist mir ein Rätsel.
Ihr Vater wollte eigentlich, dass Sie Maschinenbau studieren und nicht Künstler werden. Haben Sie ihm das krumm genommen?
Nein, er hat mich ja immer unterstützt. Das war bei uns mehr oder weniger vorprogrammiert. Mein Vater war ein sehr begabter Elektro- und Maschinenbau-Ingenieur mit eigenem Betrieb, der selbst Patente erdacht hat. Als er keinen Nachfolger hatte, dachte er eben an seinen Sohn. Mein Bruder war als akademischer Maler zu diesem Zeitpunkt schon an der Hochschule. Ich wusste damals nicht genau, was ich werden wollte. Es stand Dirigent im Raum, eine Idee aus meiner Zeit als Sängerknabe. Rückblickend interessant ist, dass ich damals schon die Fäden ziehen wollte. Das hat mich letzten Endes zur Regie und zur Intendanz geführt.
Zuvor waren Sie als Schauspieler an der Burg und bei den Salzburger Festspielen, danach hatten Sie großen Erfolg in Unterhaltungsstücken, sind aber immer wieder an große Schauspielhäuser zurückgekehrt. Warum? Unterhaltung macht doch bessere Laune?
Es hat mich nach einiger Zeit, ich möchte nicht sagen gelangweilt. Wenn ich ein Erfolgsstück über ein Jahr en suite durchziehen musste, wollte ich irgendwann nicht mehr den relativ oberflächlichen oder auch gehobenen Boulevard spielen. Manche sind froh, wenn sie den Status eines Publikumslieblings haben. Das war mir unerträglich, weil ich es mir dann zu leicht gemacht habe. Ich wollte gefordert sein. In solchen Momenten bin ich dann nach Berlin, Hamburg oder Zürich ans Schauspielhaus gegangen, um ein neues Publikum gewinnen zu können und neue Rollen zu erarbeiten.
Hat es Ihnen Ihr sympathisches Äußeres manchmal schwer gemacht?
Am Theater ist das vollkommen wurscht, aber für Film und Fernsehen vielleicht eine gegebene Sache. Wenn man mehrere Rollen dieser Art spielt, kriegt man ein Mäntelchen umgehängt und ist halt plötzlich „der Sympathische“.
„Ich heirate eine Familie“ war großartig. So herrlich unbeschwert.
Das Lustige ist, dass wir ja nur 14 Folgen gedreht haben. Die Serie ist aber so oft wiederholt worden, dass man den Eindruck hatte, sie wäre unendlich. Die Folgen waren gut geschrieben und – das man muss man sagen – nicht schlecht von mir gemacht. Es gab schon Familienserien wie „Diese Drombuschs“, die gut ankamen. Aber „Ich heirate eine Familie“ war noch mal etwas Neues, das sich zum Straßenfeger entwickelt hat. Es hat seltsamerweise alles gestimmt.
Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Filmfrau Thekla Carola Wied?
Ja freilich, wir telefonieren hie und da. Das ist aber nichts Regelmäßiges.
Was ist mit anderen Kollegen?
Da bin ich nicht so heiß drauf. Ich habe wohl Freunde, wenn auch nicht viele. Die sind aber alle aus anderen Branchen. Die meisten Schauspieler sprechen nur über sich. Da gibt es den Spruch: „Red’ ma von was anderem, red’ ma über mich!“ Ich bin froh, wenn ich mich bei einem anderen Thema entspannen kann.
Und eine neue Partnerschaft?
Schauen Sie, es ist natürlich kein Spaß, alleine zu sein. Aber ich war lange Junggeselle, dann habe ich mit 36 eine fantastische Frau kennengelernt und war 45 Jahre mit ihr verheiratet. Als sie gestorben ist, war ich schon 82. Es wäre also Blasphemie, wenn ich sagen würde, ich denke noch mal ans Heiraten.
Da wären Sie nicht der Einzige.
Es gibt so Verrückte, die werden im Alter sogar noch Vater – was eine Frechheit ist für das Kind. Das hat dann Großvater und Vater in einem. Das sind Dinge, die mir nicht mal durch den Kopf gehen. Was in mir und um mich passiert, wird das Leben noch zeigen. Offen bin ich für vieles, aber nicht mehr für alles!
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