Die vergangenen Tage waren für Aida Garifullina Stress pur. Die Sopranistin war zuletzt am Bolschoi-Theater in Moskau und davor in London engagiert, nun folgt Wien. Sie hat hier nicht nur ihre Homebase, sondern wird mit ihrem Kollegen Piotr Beczala den Wiener Opernball eröffnen. Grund genug, „La Garifullina“ besser kennenzulernen! Von Placido Domingo entdeckt, machte Garifullina abe rnicht nur in der Opernwelt von sich reden. sie stand mit Hugh Grant und Meryl Streep vor der Kamera und eröffnete mit Robbie Williams die Fußball-WM 2018 in Moskau. Die 32-Jährige spricht sehr gut Deutsch, das Interview möchte sie aber auf Englisch geben. Solange wir die Fragen nicht auf Russisch singen müssen, ist das auf jeden Fall okay.
KURIER: Aida, for you in English, für unsere Leser auf Deutsch: Sie sind ja schwieriger zu erreichen als der Papst!
Aida Garifullina: Es ist schon irgendwie verrückt! Ich hatte nur zwei Wochen Zeit, um eine große Rolle in der Rimsky-Korsakov- Oper „Sadko“ am Bolschoi-Theater vorzubereiten. So eine kurze Vorlaufzeit ist eigentlich nicht normal, aber ich hatte ein Engagement am „Royal Opera House“ in London und keine Möglichkeit, früher nach Moskau zu kommen.
Und jetzt steht mit der Eröffnung des Wiener Opernballs schon der nächste Auftritt an. Uff ...!
Ich liebe Oper! Auch wenn ich von früh bis spät arbeite, konzentriere ich mich immer darauf, was zu tun ist. Disziplin ist meine beste Freundin und die Wiener Oper ist mein zweites Zuhause.
Warum die Wiener Oper und nicht etwa die New Yorker Met?
Garifullina lebt nicht nur hier, sondern hat auch die österreichische Staatsbürgerschaft
Weil (der scheidende Staatsopern-Direktor)Dominique Meyer immer an mich geglaubt hat. Kurz nachdem ich 2013 den (von Placido Domingo gegründeten) Operalia-Gesangswettbewerb gewonnen habe, gab er mir die Möglichkeit, an der Wiener Oper meine Traumrollen zu singen. Vergangenen Oktober war das die „Mimi“ (aus der Oper La Bohème), und jetzt spiele ich bald die „Violetta“ in der „Traviata“.
„La Traviata“ geht auf das Konto des Komponisten Giuseppe Verdi, der auch die Oper „Aida“ geschrieben hat. Der Verdacht liegt nahe, dass Aida, die Opernsängerin, ihren Namen genau deshalb trägt. Aber: Weit gefehlt. Ihre Eltern, eine Musikerin und ein Innenarchitekt, gaben ihr den Namen, weil Aida im Islamischen ‚Geschenk‘ bedeutet.
Sie kommen ja aus dem Schwärmen nicht mehr heraus!
Ich glaube, Dankbarkeit ist im Leben etwas sehr Wichtiges. Man darf Menschen, die am Anfang einer Karriere an einen geglaubt haben, nie vergessen. Deshalb wird die Opernball-Eröffnung am Donnerstag für mich schön und traurig zugleich sein. Wenn Dominique Meyer das Haus verlässt, wird nichts mehr so sein, wie es war!
Auch Placido Domingo ist einer Ihrer Mentoren. Oder hat sich das nach den Missbrauchsvorwürfen 2019 geändert?
Placido ist viel mehr als mein Mentor für mich. Er ist der berühmteste und charismatischste Opernsänger, den ich kenne. Ich fühle mich privilegiert, mit ihm auf der Bühne zu stehen. Maestro Domingo wird im Juni auch meine erste „Traviata“ an der Wiener Staatsoper dirigieren. Ich kann es kaum erwarten.
War #MeToo je ein Thema für Sie?
Ich habe einen starken Charakter, weil meine Eltern mich sehr selbstbewusst erzogen haben. Ich weiß, wie man „NEIN“ sagt. Mir tun aber alle Frauen leid, die je unter Druck ausgenutzt wurden. Ich verachte Männer, die ihre Position ausnützen.
Sie sind eine schöne Frau. Das könnte Sie in brenzlige Situationen bringen.
Die Oper ist Show-Business. Ich arbeite auch viel fürs Fernsehen, wo es wichtig ist, gut auszusehen. Deshalb achte ich sehr darauf, was ich anziehe und wie mein Make-up aussieht. Aber noch viel wichtiger ist ein gesunder Lebensstil. Ich achte auf meine Ernährung, mache Sport und versuche, genug zu schlafen. Das ist bei so vielen Reisen nicht einfach, aber mein Körper ist mein Instrument. Und auf das muss ich aufpassen.
Es heißt, Sie wären nicht nur eine außergewöhnliche Sängerin, sondern auch eine tolle Schauspielerin. Wie sehen Sie das?
Das muss ein Opernsänger heute auch sein. Einer der besten Teile meiner Proben-Arbeit ist, den Charakter einer Rolle kennenzulernen und am Ende in etwas Eigenes zu verwandeln.
Es gab schon Opern-Diven wie Maria Callas, die Filme gedreht haben. Vielleicht starten Sie eine Zweitkarriere?
Ich lese viel über Schauspielerei und schaue mir einige Filme auch zehn Mal an, wenn ich dabei Emotionen und deren Umsetzung studieren kann. Ich habe auch das Gefühl, dass die Schauspielerei nach der Oper zu meiner zweiten Leidenschaft werden könnte.
Sie standen für den Film „Florence Foster Jenkins“ mit Meryl Streep vor der Kamera. Drei Oscars, 21 Nominierungen: Wow, nicht wahr?
Meryl Streep ist eine charismatische, aber auch bescheidene Frau. Ich hatte leider nur eine Szene mir ihr, aber sie wollte wirklich etwas über meinen Beruf erfahren und kannte auch die Partitur genau. Es hat mich sehr beeindruckt, wie offen und unprätentiös sie sich gab.
Streep startet im Film als Opernsängerin durchs - ohne Talent, ganz im Gegensatz zu Ihnen. Wann wussten Sie, dass es bei Ihnen flutscht?
Meine Mutter ist professionelle Musikerin und hat mich in meiner Liebe zur Musik unterstützt, seit ich im Alter von drei Jahren meinen Mund zum ersten Mal aufgemacht habe. Ab diesem Zeitpunkt hat sich alles ganz natürlich entwickelt. Meine Mutter hat mir Klavier- und Gesangsunterricht gegeben und ich habe es von Anfang an geliebt!
Garifullina ist Perfektionistin und singt am Tag drei bis vier Stunden, im Urlaub etwas weniger. Ihr Credo lautet: Die Stimme muss man jeden Tag trainieren, um besser zu werden.
Placido Domingo hat über Sie gesagt, Sie wären die aufregendste Operndiva von heute und morgen. Kann Ihnen irgendwer das Wasser reichen?
Es gibt so viele tolle Opernsänger. Ich treffe sie jeden Tag in unterschiedlichen Produktionen in Opernhäusern auf der ganzen Welt. Und in wenigen Tagen werde ich mit dem unglaublichen Piotr Beczala beim Opernball auf der Bühne stehen.
Es heißt oft, Sie wären die nächste Anna Netrebko. Was sagen Sie dazu?
Anna ist eine der besten Sängerinnen des Jahrhunderts. Ich kenne sie sehr gut und wir respektieren uns. Es ist eine große Ehre für mich, mit ihr verglichen zu werden. Aber mir ist es doch lieber, die nächste Aida Garifullina zu sein!
Gibt es Freundschaften in der Opernwelt? Zum Beispiel mit ihrem Opernball-Eröffnungs-Partner Piotr Beczala?
Ich würde es eher eine unsichtbare Verbindung nennen, die sehr stark ist, aber ohne Worte auskommt. Eigentlich treffen wir uns aber nur, um gemeinsam zu arbeiten.
Gestern war Valentinstag. Könnten Sie je mit einem Opernsänger liiert sein?
Ich würde Folgendes sagen: „Love can come from anywhere!“ Du musst offen sein für die Liebe, egal, woher sie kommt.
Über das Liebesleben Garifullinas ist wenig bekannt. Sie möchte auch nicht über den Vater ihrer Tochter Olivia sprechen. Vor einigen Jahren berichteten Medien über eine Beziehung mit Ex-Tennisspieler Marat Safin, der wie Garifullina aus der halbautonomen Republik Tatarstan stammt. Die Zeitung „Welt“ bezeichnete ihn nach seinem Rücktritt 2009 als „letzten Tennis-Playboy“.
Wie bringen Sie eigentlich Kind und Karriere unter einen Hut?
Mein Geheimnis lautet Organisation und Zeitmanagement. So bleibt viel wertvolle Zeit, die ich mit Olivia verbringen kann. Meine Familie ist auch immer für mich da und Olivia besucht in allen Städten, in denen ich vertraglich gebunden bin, eine Ballettschule und hat einen Sprachlehrer. Sie geht auch in den Kindergarten, um mit anderen Kindern zu spielen.
Mag es Olivia, wenn Sie singen?
Sie ist ein kluges Mädchen und liebt es! Sie begleitet mich auch oft zu Proben und Auftritten. Es ist schön, Mutter zu sein, ohne die Karriere dafür geopfert haben zu müssen.
AIDA GARIFULLINA, 32, wurde 1987 in Kasan in der Sowjetunion geboren. Ihr Vater ist Innenarchitekt, die Mutter Musikerin. Schon mit drei Jahren bekam sie von ihr Gesangs- und Klavier-Unterricht und trat mit fünf Jahren bei einem Wettbewerb im Fernsehen auf. Von da an wollte Garifullina Opernsängerin werden. Ihre Ausbildung begann sie in Russland und ging mit 17 Jahren nach Europa, wo sie zuerst in Deutschland, später in Wien an der Universität für Musik und darstellende Kunst studierte. Ihren Abschluss machte sie 2011.
Zwei Jahre später belegte sie den ersten Platz beim von Placido Domingo ins Leben gerufenen Operalia-Gesangswettbewerb. Seit 2014/15 gehört sie zum Ensemble der Wiener Staatsoper und eröffnete kurz darauf erstmals den Opernball. Heuer wird Garifullina, gemeinsam mit Piotr Beczala, zum zweiten Mal zu sehen sein. Garifullina ist Mutter einer Tochter, deren Vater sie öffentlich nicht preisgibt. Der Wiener Opernball: Am 20. Februar ab 20.15 Uhr in ORF 2, www.aidagarifullina.net
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