Olympia: Die Letzten werden die Ersten sein

Olympia: Die Letzten werden die Ersten sein
Was wäre Olympia ohne Sport-Exoten? Ein Prinz auf Skiern, ein Rodler, der aus der Südsee kommt und zwei jamaikanische Bob-Fahrer machen Sotschi 2014 bunt. Die Sportler aus der Karibik wecken Erinnerungen an eine Disney-Produktion, die zum Kultfilm wurde. Und eine Weisheit, die fürs Leben taugt: Man muss nicht siegen, um zu gewinnen.

Wenn am 16. und 17. Februar in Sotschi die Entscheidung im Zweierbob der Männer fällt, werden die Augen auch auf zwei Bewerber gerichtet sein, die nicht den Funken einer Chance auf eine Medaille haben. Irgendwann werden Marvin Dixon und Winston Watt ihren Bob in den jamaikanischen Landesfarben besteigen und, egal, welche Zeit die Stoppuhr zeigt, im Ziel bejubelt werden. Denn Watt und Dixon sind das, was man Sport-Exoten nennt. Trotz Chancenlosigkeit sind sie bei Olympia kaum wegzudenken. Die Zuschauer lieben Geschichten von Athleten, die unglaubliche Hürden auf sich nehmen, nur um dem olympischen Gedanken gerecht zu werden: "Dabei sein ist alles". Und die Sponsoren? Lieben schräge Vögel auch, weil sie Aufmerksamkeit erregen und so ideale Werbepartner sind.

Den Jamaikanern Watt und Dixon etwa, wurde die Teilnahme in Sotschi erst durch den Elektronikriesen "Samsung" ermöglicht, der die Videokampagne "Keep on Pushing" startete und an ein rührendes Olympia-Highlight von 1988 anknüpfte. Damals faszinierte in Calgary die Idee, sonnenverwöhnte Jamaikaner im Bob bei Winterspielen starten zu lassen, sogar Hollywood. "Cool Runnings" wurde zum Kultfilm.

Auch der Renn-Rodler Bruno Banani heißt nicht zufällig wie eine Mode-Firma, sondern ist im Grunde das Produkt einer Werbekampagne. Er wurde für Olympia sogar extra gecastet. Die nette Story dazu: Die sportbegeisterte Prinzessin Salote hätte auf diesem Wege einen Olympiateilnehmer für ihr Königreich Tonga gesucht, wo Renn-Rodler nicht gerade auf den Palmen wachsen. Seither verkauft sich Banani, der eigentlich Fuahea Semi heißt, besser als der alte und neue Olympiasieger Felix Loch. Einer, der 2009 zum ersten Mal im Leben Schnee gesehen hat, ist halt doch spannender als einer, der damit aufgewachsen ist. Modeunternehmer und Marketing-Genie Willi Bogner kombinierte schnell und kleidete heuer nicht nur die deutsche Olympia-Mannschaft, sondern auch Südsee-Rodler Banani leider ziemlich geschmacklos ein.


Von so viel materieller Zuwendung konnte Michael "Eddie the Eagle" Edwards, der als erster Skispringer Groß­britanniens bei Olympia 1988 an den Start ging, anfangs nur träumen. Für die Zuneigung der Zuschauer zahlte er einen hohen Preis, hatte Schulden und wurde von den Veranstaltern gehasst. Einen Clown wollte man bei Olympia nicht haben. "Es wurde wegen mir sogar eine eigene Regel installiert, um Typen wie mich von den Großveranstaltungen des Sports auszusperren." Allerdings erst nach Calgary, wo er das Limit mit einem 69,5-Meter-Sprung noch knackte. "The Eagle" hob ab und kann auch heute noch, 25 Jahre später, von seiner Bekanntheit als Sport-Exot gut leben. "Aber fragen Sie doch jemanden auf der Straße, ob er noch weiß, wer 1988 in Calgary gewonnen hat", regte er in einem Interview zum Nachdenken an. "Sie werden überrascht sein."

HUBERTUS VON HOHENLOHE

Hubertus von Hohenlohe wäre nicht er, würde er sich in Sotschi nicht vom Rest der startenden Skifahrer unterscheiden. Da er mit Schnelligkeit kaum punkten kann, wird der Pop-Prinz im Mariachi-Rennanzug die Pisten rocken und so seiner Geburtsstadt Mexiko Tribut zollen. Mit Sotschi nimmt er zum sechsten Mal an Olympischen Spielen teil – vielleicht zum letzten Mal, wie es heißt. Das wäre schade, weil der 55-Jährige dann einen Rekord niemals brechen könnte: Als bisher ältester Teilnehmer bei Olympia ist der bereits 1937 verstorbene schwedische Curler Carl August Kronlund in die Geschichte eingegangen. Er war bei den Spielen 1924 in Chamonix 58 Jahre alt. Sein erstes Rennen absolvierte Hohenlohe übrigens in der Saison 1981/82. Seine lange Erfahrung hat sich zuletzt in Vancouver 2010 bezahlt gemacht. Er wurde nicht Letzter und ließ im Riesenslalom und Slalom Sportler aus Pakistan, Ghana und Indien hinter sich.

PRINZ ALBERT VON MONACO

Dass Prinz Albert von Monaco später auf einem Thron Platz nahm, ist bekannt. Der Sitzplatz, den er zwischen 1988 und 2002 vier Mal bei Olympia einnahm, war aber auch nicht schlecht. Im Zweierbob konnte der damals 29-Jährige gemeinsam mit Gilbert Bessi 1988 in Calgary sogar den 27. Platz belegen, das beste Ergebnis seiner Karriere. Das letzte Rennen bestritt er 2002 in Salt Lake City. Auch, wenn man es ihm heute nicht mehr ansieht: Albert betrieb in seiner sportlichsten Zeit 14 Sportarten: Rudern, Fechten, Windsurfen oder Rallye sind nur einige davon.

VANESSA MAE

Vanessa Mae, die man eigentlich als Star-Geigerin kennt, wirft wie viele Promi- und Exoten-Olympiasportler eine Frage auf: Wie ist es möglich, als Ski-Amateur bei Olympia zu starten? Laut Reglement dürfen Länder, die keinen Fahrer unter den Top 500 der Rangliste haben, pro Geschlecht einen Vertreter nach Sotschi schicken, falls der Läufer in der entsprechenden Disziplin die geforderten 140 FIS-Punkte erreicht. Mae, die für Thailand antritt, startete bei FIS-Rennen, die als dritte Liga der Skirennfahrer gelten. Dort treffen meist jüngere, unerfahrene Athletinnen aufeinander, die es ihr ermöglichten, vier Top-Ten-Plätze zu belegen. Als Geigerin hat die passionierte Hobby-Skiläuferin Mae angeblich 40 Millionen Euro verdient, um für ihren Traum, bei Olympia zu starten, die Karriere zu Trainingszwecken ein Jahr auf Eis gelegt. Danach will sie wieder musizieren. Sorgen um ihre Hände macht sie sich nicht: "Natürlich besteht das Risiko einer Verletzung, aber das Leben ist kurz. Man muss alles mitnehmen, was einem Spaß macht."

Kommentare