Magical Mystery Tour

Magical Mystery Tour
Zehn Jahre nach dem Jahrhundert-Hurrikan Katrina findet New Orleans zurück zum lässigen Lebensgefühl des „Big Easy“. Besonders zur Zeit des Karnevals, des legendären Mardi Gras.

Meistens ist es schwül hier“, sagt Nancy, die aparte Stadtführerin im French Quarter, dem pulsierenden Herz von New Orleans. „Aber auch wir kennen vier Jahreszeiten: Sommer, Hurrikan, Weihnachten – und Mardi Gras.“ Mardi Gras. Der „fette Dienstag“ vor dem Aschermittwoch. Wenn der naht, wächst die Zahl der Bewohner der Hauptstadt von Louisiana im Nu auf das Dreifache. Der Sommer mag länger sein, heißer zu geht’s zu Mardi Gras. Der erste Karneval nach Hurrikan Katrina schien noch etwas schaumgebremst. Zu frisch waren die Wunden der Verwüstung. Aber nach einem Jahrzehnt kehrt die Stadt wieder zu ihrem normalen Betriebszustand zurück. Und der lautet: „Fun“, verspricht Nancy. „F. U. N.“, also Spaß ohne Ende. Und das meint sie ernst. Vor zehn Jahren, als die Deiche der Wiege des Jazz brachen, bekam auch die touristische Fassade aus elegantem Savoir-vivre sowie ungestümer Lebenslust Risse. Die Naturkatastrophe setzte die Stadt zu 80 Prozent unter Wasser, mehr als 1.500 Menschen verloren damals ihr Leben, die Schäden gingen in die Milliarden. Jetzt ist man erfreut, sich von Neuem als musikalische und kulinarische Hauptstadt der USA herauszuputzen. Spannende und vor allem üppig dekorierte Restaurants gibt es an jeder Ecke. In manchen davon hängen Kronleuchter mit dem Ausmaß mittlerer Zimmer von der Decke, andere beherbergen ein Labyrinth, in dessen Mitte man sich plötzlich in einem Museum wiederfindet. Derzeit zählt man an die 1.400 Lokale in der ganzen Stadt – doppelt so viele wie vor Katrina, listet der britische Reiseverlag „Rough Guides“ auf, der New Orleans zu den zehn Top-Destinationen des Jahres zählt.

Was darüber hinaus für einen Besuch der Kulisse für Filme wie „James Bond 007: Leben und sterben lassen“ oder „The Big Easy“ mit Ellen Barkin und Dennis Quaid spricht: Bier und Cocktails kann man hier, entgegen der sonst strengen US-Gesetze, offen auf der Straße hinunterkippen. Nein, der Name Bourbon Street hat trotzdem nichts mit Hochprozentigem zu tun. Er spricht das vielfältige Erbe der beinahe dörflichen 350.000-Einwohner-Metropole an. Gegründet anno 1718 als französische Kolonie, gilt New Orleans nach wie vor als die am wenigsten amerikanische Stadt der USA. Aber nicht allein die französische Vergangenheit wird hier hochgehalten. Die Stadt am Mississippi ist seit Jahrhunderten ein echter Schmelztiegel. Rund um das French Quarter trifft man auf Afrika, die Karibik, das alte Europa und das neue, postmoderne Amerika. Man schmeckt das. Und hört es auch. Gerade jetzt. Wie gesagt, Mardi Gras steht vor der Tür. Und es heißt, dass im Fasching sonst nur in Rio und Trinidad so enthusiastisch gefeiert wird. Schon jetzt finden täglich Paraden und Feiern statt, die von geheimen Männerbünden veranstaltet werden, den „Mystick Krewes“. Deren Zusammensetzung für Außenstehende so mysteriös ist wie die Rituale der Freimaurer. Die meisten „Krewes“ werden von weißen Geschäftsleuten geleitet, einer Auswahl der Oberen Zehntausend. Aber da gibt es noch die „Zulu Krewe“. Die an das Zulu-Königreich im südlichen Afrika angelehnte schwarze Mardi-Gras-Gruppe wurde im Jahr 1909 gegründet und hatte 1949 mit dem legendären Jazztrompeter und -sänger Louis Armstrong einen echten Star als Anführer. Seit dem Jahr 2001 ist New Orleans’ größter Flughafen nach Louis Armstrong benannt. Auch das ist ein Verweis darauf, wie locker und lebenslustig sich grundsätzlich die Betriebstemperatur der Heimat der „Big Easy“-Lebenseinstellung anfühlt.

Nach ein paar bunt-gefährlichen Cocktails vom Schlag eines „Hurricane“ wiegt der Kopf am Tag danach natürlich extra schwer. Als beschwipster Tourist muss man trotzdem keine Angst haben, auf der Bourbon Street schief angeschaut zu werden. Es könnte ja sein, dass man sich den Weg in ein echtes Traditionsrestaurant bahnen möchte, das „Galatoire’s“ auf der Bourbon Street Nr. 209. Egal, ob der Stil des Dixieland-Jazz schon zu einer aussterbenden Gattung zählt, im „Galatoire’s“ servieren die Ober wie seit nunmehr schon 110 Jahren in schwarzer Weste mit Fliege Köstlichkeiten aus Krabbenfleisch, Artischocken und Champignons. Und ein Gläschen Champagner hat man hier auch noch niemandem verwehrt. Die legendären Mardi-Gras-Paraden starten heuer am 6. Februar. Am verlängerten Wochenende vom 13. bis 17. Februar, dem Faschingsdienstag, werden sich das French Quarter und die umliegenden Bezirke wie jedes Jahr in einen Hexenkessel verwandeln. Wem das zu wild ist, der kann ja am 24. April am Louis Armstong International Airport auschecken. Da nämlich startet das andere legendäre Stadtfest, das bis zum 3. Mai dauernde New Orleans Jazz & Heritage Festival. Spätestens da wird man merken: Jazz hört sich nirgendwo anders so echt und gut an wie an seinem Geburtsort.

ANREISE

Wien-New Orleans-Wien mit American Airlines mit zwei Zwischenstopps ab € 1.100,-

MUST SEE

► Galatoire’s: Das Traditionsrestaurant in der Bourbon Street Nr. 209 wird auch in Tennessee Williams Stück „Endstation Sehnsucht“ erwähnt

► Gautreau’s: Für die New York Times eines der zehn besten Restaurants der Welt; 1728 Soniat Street

► Arnaud’s: Museum, Speisetempel, Institution – die Adresse 813 Bienville Avenue ist eine der besten der Stadt.

www.galatoires.com

www.gautreausrestaurant.com

www.arnaudsrestaurant.com

57 Milli-Liter sind nicht viel, wirklich nicht. Aber für Fans eines bestimmten Stoffes bedeuten sie die Welt. 57 ml – oder umgerechnet 2 oz (Unzen) – steht als Mengenangabe auf dem Etikett jeder Flasche Tabascosauce, mit der die McIlhenny Company von einem kleinen Landstrich im US-Bundesstaat Louisiana aus die Welt beliefert.

„750.000 dieser Flaschen werden täglich hier abgefüllt“, sagt Harold G. Osborn, Vizepräsident des seit der Gründung im Jahr 1868 im Familienbesitz befindlichen Unternehmens McIlhenny Company. Und fügt an: „So viel hat der Firmengründer Edmund McIlhenny in seinem ganzen Leben verkauft.“ Ein scharfe Sache. Ursprünglich wurden sogar alle für die nach einer Geheimrezeptur hergestellten Chilis auf Avery Island hergestellt. Längst kooperiert das Unternehmen aber auch mit Bauern in Mittel- und Südamerika. In den USA kennt man neben der roten und der grünen Chili-Sauce auch die ultrascharfe „Tabasco Habanero Pepper Sauce“ sowie die „Sweet & Spicy“-Sauce. Geschmack kennt eben kaum Grenzen. „Derzeit versuchen wir, die Italiener dazu zu bringen, ihre Pasta statt immer nur mit Pesto auch einmal mit Tabasco zu würzen“, verrät Mr. Osborn eine Zukunftsstrategie. In mehr als 180 Länder wird exportiert. Und wo leben die größten Tabasco-Fans? „Auf Guam im westpazifischen Ozean.“ Pro Kopf wird dort fast eine Flasche wöchentlich konsumiert. Dabei muss man nicht unbedingt auf Chili abfahren, um an Avery Island Gefallen zu finden. Edward Avery McIlhenny, Sohn des Gründers, legte um 1892 neben dem Firmensitz ein Vogel- und Naturreservat an. Heute quert man es gemütlich im Auto. Und mit etwas Geduld erhascht man einen Blick auf eine andere scharfe Sache – das Gebiss von Alligatoren. Diese Spezies ist der Familie besonders verbunden. Hobby-Ornithologe Edward Avery McIlhenny galt lange Zeit als jener Mann, der den größten Alligator der USA erlegt hat. Anno 1890 war das; und mehr als sechs Meter Länge maß das Prachtexemplar.

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