Nadja Bernhard über die Welt

Nadja Bernhard über die Welt
Schön, klug, weltgewandt: Nadja Bernhard, 38, merkt man ihre zahlreichen Auslandsaufenthalte an. Seit 2012 moderiert sie die ZiB souverän und elegant. Ein Gespräch über das Hüpfen zwischen den Kontinenten, ihren Umgang mit Kritik und die Herausforderungen ihres Lebens.

Frau Bernhard, Sie sind in Kanada aufgewachsen und haben außerdem in Österreich, Washington und Rom gelebt. Wo sind Sie denn zu Hause?

Nadja Bernhard: Ich hatte zum Heimatbegriff immer ein ambivalentes Verhältnis. Die ersten acht Jahre meines Lebens, die ich in Kanada verbracht habe, waren sehr prägend. Mein Vater hat dort für Chrysler gearbeitet. Insofern ist Kanada sicher Heimat. Aber mittlerweile kommt auch der kleine südsteirische Hügel, auf dem das Haus meiner Eltern steht und vor dem ich immer flüchten wollte, dem Heimatgefühl sehr nahe.

Haben Sie als Kind die österreichischen Wurzeln überhaupt realisiert?

Mein Vater war der typische Auswanderer, der nach Kanada ging, um Karriere zu machen und das auch geschafft hat. Zu jener Zeit stand einem dort die Welt offen. Mein Vater hatte sich komplett mit dem Land identifiziert und war Kanadier durch und durch. Er hat, auch mit mir, nur Englisch gesprochen. Meine Mutter hingegen hat ihr Heimweh regelmäßig damit kompensiert, dass sie mich in ein Dirndl steckte. Sie hat zum Glück Deutsch mit mir gesprochen, sonst hätte ich jetzt Probleme.

Sie waren dann ein paar Jahre in Österreich. Während des Studiums sind Sie nach Italien gegangen. Warum hat es Sie wieder in die Ferne gezogen?

Für mich war immer klar, dass Österreich nur eine Zwischenstation bleiben würde. Wien, wo ich eine Zeit lang studiert habe, habe ich als morbide Stadt mit einer abweisenden Atmosphäre empfunden. Ich war immer auf dem Sprung. Und dann ergab sich die Möglichkeit, über Erasmus ein Auslandssemester zu absolvieren. Ich war schon immer italophil und dachte: Ein Jahr möchte ich schon in Italien leben.

Geworden sind es dann acht Jahre. Sie wurden Korrespondentin für den ORF. Wie sind Sie dazu gekommen?

Ich bin da reingekippt. Ans Fernsehen habe ich beruflich nie gedacht, eher an Öffentlichkeitsarbeit. Aber im Grunde wusste ich nicht, wohin die Reise geht. Dann habe ich dem damaligen Italien-Korrespondenten Andreas Pfeifer via E-Mail meine Mitarbeit angeboten und hatte das Glück, dass ich mit seiner Hilfe Erfahrung sammeln konnte. Der Korrespondentenjob ist deshalb so interessant, weil man permanent in verschiedene Realitäten eintauchen kann. Das hat genau meinem Lebenskonzept entsprochen.

Konnten Sie überhaupt Italienisch und haben Sie sich gleich an den italienischen Lebensstil gewöhnt?

Ich konnte gerade einmal einen Cappuccino bestellen. Das war’s. Aber ich musste mich ja schon früh durch verschiedene Kulturen navigieren und komme daher überall schnell hinein. Und die italienische Kultur macht’s einem ja nicht wirklich schwer.

Tut es Ihnen weh, zu sehen, wie sich Italien zuletzt entwickelt hat?

Ich will nicht pathetisch klingen, aber als ich 2000 nach Rom gekommen bin, konnte ich das ‚Dolce Vita‘ ganz stark spüren. Das Wetter war immer schön und die Leute waren immer gut gekleidet. Ganz dem Klischee entsprechend. In den darauffolgenden Jahren habe ich den wirtschaftlichen und moralischen Niedergang miterlebt. Das sehen auch meine Freunde so. Sie sind zum Teil Juristen und Professoren, haben kaum Karriere-Chance, geschweige denn, dass sie gut bezahlt werden. Rom hatte immer schon Patina und war nie die sauberste Stadt. Aber mittlerweile ist sie wirklich schmutzig geworden.

Welchen Anteil hat Berlusconi daran?

Die Wirtschaftskrise spielt natürlich eine große Rolle, aber Berlusconi hat viel zur Perspektivenlosigkeit beigetragen. Er hat meiner Meinung nach mit seinem Fernsehen ganze Generationen geprägt, die mit einem völlig kranken Frau-Mann-Bild groß geworden sind. Vielen jungen Frauen wird in Italien eingebläut, dass man es nur schaffen kann, wenn man sich einen Fußballer angelt oder halbnackt durch eine der schrecklichen Humtata-Sendungen tanzt.

Ich habe einmal in Venedig im Fernsehen das Interview einer "Journalistin" mit einem Regisseur gesehen. Beide haben sich ernst über seinen neuen Film unterhalten. Das Problem war nur: Die Frau war nackt.

Man würde es nicht für möglich halten. Und das in einem katholischen Land. Das italienische Fernsehen hat eigene Gesetze, die mit unserer Moral und Ästhetik nichts zu tun haben. Diese Sendungen gibt es seit Jahrzehnten. Das prägt eine Gesellschaft. Aufgespritzte Lippen sind dort für Frauen zum Accessoire geworden. Bei uns hätte man vor solchen Lippen Angst, in Italien sind sie schon fast zum Statussymbol geworden.

- Nadja Bernhard

Waren das Gründe, warum Sie dann nach Washington gegangen sind?

Nach Washington zu gehen, bringt einem Journalisten Prestige. Ich war sehr jung, da sagt man nicht Nein, wenn einem das angeboten wird. Auch der Gedanke, wieder in Nordamerika zu sein, war verlockend. Es wurde dort Weltpolitik gemacht. Ich kam kurz vor der Wahl von Barack Obama nach Washington, was journalistisch nicht zu toppen war. Außerdem war in Italien nach der 150. Bunga-Bunga-Radio-Geschichte die Luft draußen.

Sind Sie Barack Obama jemals begegnet?

Ja, allerdings bin ich ihm nicht sehr nahe gekommen. Das Weiße Haus lädt alljährlich beim Foreign-Correspondence-Dinner Auslandskorrespondenten ein. Obama war frisch im Amt und wirkte sehr fragil und jung. Unglaublich, wie schnell er in den Jahren seiner Präsidentschaft gealtert ist.

Sie haben 2010 auch vom schweren Erdbeben in Haiti berichtet. Wie ist es Ihnen dabei ergangen?

Ich wurde von Washington aus hingeschickt. Es war ein traumatisierendes Erlebnis. Als ich nach zwei Wochen nach Washington zurückgekehrt bin, habe ich mich sehr alleine gefühlt, obwohl ich dort gute Freunde und Kollegen hatte. Da dachte ich mir, es wäre gut, mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen.

Wurde Ihnen bewusst, was im Leben wirklich wichtig ist?

Das ist zu abgeschmackt. Ich wollte einfach eine Zäsur machen. Ich habe in Haiti Sachen gesehen, auf die ich nicht vorbereitet war. Das Schlimmste war, als einem Mädchen auf dem Lehmboden die Beine amputiert wurden. Das vergisst man nicht. Trotzdem war es journalistisch eine tolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte.

Können Sie das näher beschreiben?

Es war die ursprüngliche und traditionelle Form der Berichterstattung. Man hat dort kein Internet und keine Nachrichtenagenturen. Berichtet wird, was man sieht und hört. Die Chance hat man heute nicht mehr so oft, wo wir alle Opfer der Aktualität sind.

Mittlerweile moderieren Sie mit der ZiB die wichtigste Nachrichtensendung des Landes. War es nicht eine Umstellung, dauerhaft in Wien stationiert zu sein?

Ich bin auch überrascht, wie wohl ich mich in Wien fühle. Es ist immer noch keine junge Stadt, aber es tut sich doch einiges. Vor allem kulturell. Man hat das Gefühl, in einer Großstadt zu sein, die aber überschaubar ist. Und die Lebensqualität ist unschlagbar.

Und was reizt Sie an der ZiB?

Mein Kollege Rainer Hazivar meint, das lässt sich mit journalistischen Kriterien schwer erklären. Das stimmt. Aber eine Million Zuschauer pro Abend, geben natürlich den Kick.

Wie gehen Sie damit um, dass in Foren weniger Ihre Kompetenz als viel mehr Ihre Schönheit besprochen wird?

Mir war klar, dass man als Frau am Bildschirm sehr aufs Äußerliche reduziert wird. Damit kann ich leben. Was aber für mich nach wie vor schwierig zu akzeptieren ist, dass ich Projektionsfläche für verschiedenste Gefühlslagen bin. Und ja, manche Kommentare sind verletzend. Jeder Mensch will geliebt werden. Das ist ein Ur-Instinkt. So abgestumpft will ich gar nicht sein, dass alles an mir abprallt. Aber man baut Schutzmechanismen ein.

Zum Beispiel?

Regel Nummer eins: Keine Postings lesen! Anfangs konnte ich nicht widerstehen, das hatte fast etwas Masochistisches. Die deutsche Schriftstellerin Sybille Berg antwortete unlängst auf die Frage, was sie denn mit Österreich assoziiere: Die bei weitem fiesesten Postings. Ich bin nicht kritikresistent, im Gegenteil, aber sie muss konstruktiv sein.

Wie lange können Sie sich vorstellen, den Job zu machen?

Man muss sich für die psychische Hygiene eine Exit-Strategie zurechtlegen. Man darf nicht vergessen, dass es eine geborgte Prominenz ist – alles hat ein Ablaufdatum. Ich hoffe sehr, dass ich meinen Job noch ein paar Jahre machen kann. Und dann? There will be no hard feelings! Und das nächste Kapitel in meinem Leben findet sicher wieder im Ausland statt.

Sie sind 38. Denken Sie manchmal über eine eigene Familie nach?

Ich habe meine Eltern, die mir sehr wichtig sind. Und mein Hund Symi fungiert sicher auch ein bisschen als Familienersatz, der arme Hund. Abe ich bin natürlich an einem Punkt angelangt, an dem ich erkennen muss: Hilfe, die Zeit rast verdammt schnell dahin!

Ihr Partner ist der profil-Herausgeber Christian Rainer. Wie bringen Sie seine Exzentrik und Ihre Rolle als ZiB-Lady unter einen Hut?

Am Anfang war es sehr schwierig für mich. Es ging ja nicht nur darum, dass Christian ein sehr öffentliches Leben führt, sondern dass ich als neue ZiB-Moderatorin über Nacht im Fokus des öffentlichen Interesses stand. Ich sage nicht, dass ich das nicht will, aber ich musste erst meinen Weg finden. Mittlerweile habe ich alles ganz gut im Griff – die Öffentlichkeit und Christian.

Aber grundsätzlich kommen Sie mit seiner Offenheit zurecht?

Ich habe schon einmal gesagt, dass die Gesellschaft polarisierende Menschen braucht. Christian ist eine extrem schillernde Figur, die man durchaus kontroversiell diskutieren kann – aber das macht ja auch sein Charisma aus.

Zu guter Letzt: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Es möge bitte weiterhin spannend bleiben!

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