Werner Kogler kam "oben ohne" zur Angelobung: Ja darf er das?
Die wichtigste Nebensache gestern Vormittag in der Hofburg? Die modischen Entscheidungen der frisch angelobten Regierungsmitglieder für den historischen Anlass. Grünen-Chef Werner Kogler hatte bei der offiziellen Amtseinführung gleich für eine doppelte Premiere gesorgt: nicht nur als erster grüner Vizekanzler, sondern auch als erster Vizekanzler, der ohne Krawatte vom Bundespräsidenten angelobt wurde.
In den sozialen Medien wurde der legere Auftritt des 58-Jährigen – schwarzer Anzug, weißes Hemd – ambivalent diskutiert: Viele lobten den unkonventionellen Stil des Grünen, andere rümpften ob des fehlenden Halsschmucks die Nase – respektlos und unwürdig für einen Anlass wie diesen.
Ein Kanzler, 14 MinisterInnen, zwei Staatssekretäre
Anmerkung am Rande: Ex-Alt-und-jetzt-wieder-Kanzler Kurz hatte sich einst ebenso krawattenlos zum Staatssekretär angeloben lassen. Gestern führte er, ganze 25 Jahre jünger als sein Vize, ein marineblaues Modell aus.
Umgang wird lockerer
Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren der Niedergang der Krawatte (deren Namen auf die französische Form von "nach kroatischer Art" zurückgeht) herbeigeschrieben. Junge Staatsoberhäupter wie Kurz oder Emmanuel Macron hatten bei öffentlichen Auftritten immer wieder auf Krawatten verzichtet. "Tatsächlich ist es so, dass die Relevanz der Krawatte abnimmt", weiß die Stil- und Imageberaterin Bettina Kohlweiss. "Der Umgang in der Gesellschaft wird lockerer, die Krawatte ist sehr formell. Im Alltag ist sie obsolet."
Bei einer Angelobung – noch dazu in einer staatstragenden Position wie dem Vizekanzler – hätte das jahrhundertealte Herren-Accessoire jedoch seine Berechtigung, sagt Kohlweiss. "Ich denke, Werner Kogler ist sich noch nicht bewusst, dass er mit Kleidung kommuniziert. Kleidung hat für ihn in diesem Kontext keine Relevanz."
Noch deutlichere Worte findet Österreichs erste Benimminstanz, Tanzschulbesitzer und Buchautor Thomas Schäfer-Elmayer: "Zu einem historischen und feierlichen Staatsakt beim Bundespräsidenten ohne Krawatte zu erscheinen, ist ein Zeichen von mangelndem Respekt und fehlendem Bewusstsein für die eigene Verantwortung für seinen Beitrag zur festlichen Atmosphäre", so der ehemalige Dancing-Stars-Juror zum KURIER. "Herr Kogler ist allerdings nicht der Erste, der auf diesem Gebiet noch die Chance hat, sich zu verbessern. Vielleicht wird er sich ein Vorbild an Joschka Fischer nehmen, der sich als Minister rasch an elegante und zum Amt passende Kleidung gewöhnt hat. Ein offenes Hemd passt nicht zu einem Festakt."
Ausdruck eigenen Stils
Auch Martin Sturm, Inhaber des Modegeschäfts Sturm Herrenausstatter am Parkring, hätte den Steirer gestern lieber mit Krawatte gesehen. "Es mag ja sein, dass alte Konventionen in den letzten Jahren etwas lockerer geworden sind, aber zu feierlichen und bedeutenden Anlässen muss ein gewisser Dresscode eingehalten werden", insistiert der Experte. "Aber ich bin guter Dinge, dass er – so wie Alexander Van der Bellen – seinen Stil finden und auch ohne Krawatte einen guten Job für Österreich machen wird."
Der Langbinder, ist Sturm überzeugt, habe "noch lange nicht ausgedient": "Die Krawatte macht einen Anzug erst perfekt und dient als Ausdruck des eigenen Stils. Im Zweifel bitte immer zum Selbstbinder greifen."
Ob Kogler die Stiltipps beherzigt, wird sich zeigen. In den kommenden Wochen ist er höchstwahrscheinlich mit Wichtigerem beschäftigt.
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