Maßschuhe und Maßkleidung sind angesagt, gerade was die Schuhe betrifft, allenthalben findet man heute kleine Schustereien, die nicht nur vom Schlüsselservice und Sohlenkleben leben, sondern ihren Kunden tatsächlich Stücke vom extra angefertigten Leisten anpassen.
Eine Entwicklung, die auch Markus Scheer, Innenstadt-Schuhmacher in siebenter Generation, aufgefallen ist. „Das ist schön. Wir gehen mit unseren Füßen viel zu nachlässig um. Fast, als wären sie kein Teil von uns. Dabei kann ein schlecht sitzender Schuh gravierende Folgen haben, Fehlhaltungen und chronische Schmerzen verursachen. Es wäre schön und auch gesund, wenn sich der Trend zur Maßarbeit wirklich fortsetzt.“ Doch eine Sorge hat der Mann, der als einer der besten Schuhmacher der Welt gilt: „Viele dieser Betriebe sind Ein-Mann-Unternehmen und funktionieren, weil ein gewisser Teil des Bürgertums sich das derzeit leisten kann und will. Wenn dieser Teil wegbricht, ist der zarte Frühlingswind von Trend schnell wieder vorbei und es kommt ein neuer Winter.“
Für Scheer ist die Lage stabiler. Sein Urgroßvater, k.u.k. Hof-Schuhmacher Rudolf Scheer hat für Kaiser und Könige Schuhe gefertigt, und er selbst spielt heute in einem Segment, dem die wirtschaftliche Entwicklung der Mittelschicht wenig anhaben kann.
Derzeit geht es schneller
Nicht mehr als 300 Schuhe stellt Markus Scheer im Jahr her, mindestens die Hälfte davon für internationale Kunden. Wer sich heute um einen Termin bemüht, muss bis Februar 2021 warten. Oder nur bis Februar? „Es geht schneller jetzt, weil die Auftragslage durch Corona und die beschränkte Reisefreiheit etwas weniger dicht ist“, sagt Markus Scheer. Und wer einen Scheer-Schuh will, muss ordentlich in die Tasche greifen. „Der Begriff teuer ist hier aber nicht zutreffend“, erklärt Scheer, „denn teuer würde bedeuten, dass der Preis über dem Wert liegt.“
70 bis 90 Arbeitsstunden stecken in einem Schuh aus seiner Werkstatt, ein genau nach dem Fuß des Kunden modellierter Leisten wird von Scheer persönlich handgeschnitzt, in einem Erstgespräch geht es um Einzelheiten wie die Tätigkeit des Kunden, eventuell ausgedehnte Reisen, klimatische Bedingungen, er studiert den Fuß, die Haltung, den Gang. „Der Mensch wird der Maschine immer überlegen sein, wenn's um den Menschen geht. Erfahrung, Intuition und die Beziehung zum Kunden sind unersetzlich.“
Und das Positive am Trend zur Maßarbeit sei, so findet Scheer, dass die Vorzüge eines Maßschuhs eine wesentlich breitere Öffentlichkeit erreichen. Vielleicht kommt’s ja irgendwann zu einer echten Durchdringung. Denn Mann braucht ja nicht gleich einen ganzen Schuhraum von den Dingern – bei richtiger Pflege sind sie richtig treue Freunde. „Ein gut gemachter Schuh lebt länger als wir“, sagt der Schuhmacher-Meister.
Von Hemd bis Krawatte
Und ja, Maßschuhe sind Männersache. 70 bis 80 Prozent seiner Kunden sind Männer, sagt Markus Scheer. Das trifft allerdings auch für Maß-Mode zu. Passend dazu heißt Christian Scheuchs Maß-Atelier auf der rechten Wienzeile auch schlicht „Männersache“. Hemden, Anzüge, Krawatten. Und alles gar nicht altmodisch. „Herren-Schneider ist meiner Meinung nach die Königsklasse der Schneiderei. Und dass man zum Schneider geht, heißt heute nicht mehr, dass es unbedingt etwas Traditionelles sein soll, wie vielleicht vor 50 Jahren“, sagt Scheuch.
Natürlich ist zu bedenken, dass ein Maßanzug um 2.500 bis 3.000 Euro einem in vier, fünf Jahren auch noch gefallen sollte. Weil er länger hält, als ein in Massenproduktion gefertigtes Industrie-Teil. „Aber wir machen schon auch ausgefallene Sachen, wenn’s der Kunde wünscht“, sagt Scheuch und lacht. Er hat Grund dazu, die Auftragslage ist nicht schlecht, der immer stärker werdende Online-Handel macht eher den großen Ketten Probleme, nicht den kleinen Individualisten. Denn genau das ist es, was zählt: Individualität. Genau, welcher Mann will schon sein wie alle andern?
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