Gabrielle Chanel: Eine Ausstellung in Paris würdigt die Modeikone
Mademoiselle Chanel sagte einst „Mode ist nicht etwas, das nur in Kleidern existiert. Mode liegt in der Luft.“ Welche Devise könnte besser in unsere Zeit passen, als die der großen Modeschöpferin, der das Pariser MuseumPalaisGalliera jetzt die Ausstellung „Gabrielle Chanel: Manifeste de Mode“ widmet. „So viel wurde schon gesagt über das Leben von Gabrielle Chanel, aber wir wollten uns bei der Ausstellung auf die Frau und ihre Arbeit konzentrieren und über das, was sie vermittelte: nämlich Unabhängigkeit, Ehrgeiz, Jugend und Bewegungsfreiheit: sagt Miren Arzalluz, Direktorin des Palais Galliera.
Fotos Collagen: „Inside CHANEL“ erzählt Gabrielle Chanels Beziehung zu Literatur und Kunst in Kapitel 27. Alle Kapitel über ihr Leben nachzulesen unter https://chanel.com
Aber wer war Gabrielle Chanel? Woher kamen ihr Ehrgeiz, ihr Erfolg, ihr Stil und ihr Selbstbewusstsein? Was trieb die Frau an, die auch zu Hause Seidenkleider, Tweed-Kostüme und Perlenketten trug und damit einen Stil kreierte, dem sie ein Leben lang treu blieb? Gabrielle Bonheure Chanel wurde 1883 in Saumur in ärmlichen Verhältnissen geboren und kam im Alter von zwölf Jahren in ein Waisenhaus, nachdem ihre Mutter an Tuberkulose starb. In dem Zisterzienserkloster lernte sie in den darauf folgenden sieben Jahren neben strenger Disziplin vor allem nähen und sticken. Fertigkeiten, die später den Grundstein für ihren Erfolg legen sollten.
William Kleins Modefoto für die Vogue, Oktober 1960. Zu sehen in MANIFEST DE MODE, Paris
Cocos neuer Stil
Als Zwanzigjährige arbeitete Chanel als Verkäuferin in einem Strickwarenunternehmen und verdiente sich als Chanson-Sängerin im „Rotonde“ in Moulins etwas dazu. Ihre etwas frivolen Songs „Qui qu’a vu Coco“ und „Ko-Ko-Ri-Co“ gaben ihr den berühmten Spitznamen Coco. Mit 25 zog sie auf den Landsitz ihres Geliebten Étienne Balsan. Sie wurde die Mätresse des französischen Textilerben, lernte reiten und bemerkte dabei, wie bequem Jockey-Hose und Hemdbluse sein konnten. Dem opulenten Stil der Belle Époque widersetzte sie sich energisch, zog Hemden und Hosen von ihrem Freund an und schnitt sich die Haare kurz. Ihr berühmter „Garçonne“-Look war geboren. Zum Arbeiten trug Coco wadenlange Röcke, zweifärbige Schuhe, Perlenketten, Pillbox-Hüte und rauchte dabei gerne eine Zigarette.
André Kertész fotografierte Coco Chanel 1930. Zu sehen in MANIFESTE DE MODE, Paris
Viele Frauen wollten damals so aussehen und sich von gesellschaftlichen Zwängen befreien wie Mademoiselle. „Geld ist der Schlüssel zur Freiheit“, sagte sie, eröffnete bereits 1910 ihre erste Chanel-Boutique in der berühmten Pariser Rue Cambon 31, der ehemaligen Junggesellenwohnung Balsans, und etablierte dort ihr Hutatelier. Coco Chanel verliebte sich in Arthur „Boy“ Capel, der sie finanziell unterstützte, und konnte so 1913 ihr zweites Geschäft in Deauville und 1915 ein weiteres in Biarritz eröffnen. In sportiven Sommerkleidern aus Taschentuchleinen, Tuniken aus Jersey, ein Stoff der damals vorwiegend für Unterwäsche verwendet wurde, Flanellblazern und gerade geschnittenen Röcken sah man Mademoiselle Chanel damals, zwischen Damen in engen Korsetts, am Strand promenieren.
Richard Avedon fotografierte Gabrielle Chanel und Suzy Parker in Chanel-Kostümen in Paris, Jänner 1959. Zu sehen in MANIFESTE DE MODE, Paris
Trotzdem war nicht sie die erste Modeschöpferin, die auf Korsetts und Fischbeine verzichtete. Das hatten schon früher die Couturières Mariano Fortuny und Paul Poiret in ihren Kollektionen umgesetzt. Aber wie sagte „Coco“ doch auch? „Mode hat etwas zu tunmit Ideen,mit der Art, wie wir leben, was um uns geschieht“.
So setzte sie den Zeitgeist geschickt in Einfachheit mit Stil um. 1918 waren die Damen der Gesellschaft verrückt nach ihren Kleid-Mantel-Ensembles und Abendkleidern aus schwarzer Spitze.
Abendkleider mit Fransen – Chanels Symbol für Freiheit und Beweglichkeit (1926/27 und 1927), zu sehen in MANIFESTE DE MODE, Paris
Und dass Chanel keine Entwürfe zeichnete, sondern ihre Kreationen direkt am Körper von Kundinnen und Schneiderpuppen formte, um den Kleidern möglichst viel Bewegungsfreiheit zu geben, war ein ungewöhnlicher Zugang zur damaligen Schneiderkunst. Ihre neue revolutionäre bewegungsfreudige Mode führte zu einer modernen Lebensart. Dank ihrer Nähkunst hatte Chanel immer die nötige Präzision und Ausdauer.
Der neue Duft Coco Mademoiselle wurde von Chanel-Parfumeur Olivier Polge für die Nacht kreiert, als Hommage an Coco, die die Nacht liebte.
1921 brachte sie das berühmte Parfum Chanel No. 5 heraus, der erste aldehydhaltige Duft. Und 1926 war es dann soweit: Coco schuf das legendäre Etui-Kleid aus schwarzem Crêpe de Chine, das die amerikanische Vogue zum „Ford der Mode“ deklarierte. Die neue Abenduniform für Frauen, das berühmte „Kleine Schwarze“ erobert seit damals die Modewelt. Chanel-Kleider waren zwar immer aufwendig genäht, doch im Stil leicht zu kopieren. Deshalb konnte sich der berühmte Chanel-Look erfolgreich von der Masse abheben.
Chanel-Codes
Rote Abendkleider 1955 und 1970/71. Zu sehen in MANIFESTE DE MODE. Paris
Coco Chanel schloss ihre Geschäfte 1939 bei Kriegsausbruch. Erst im Alter von 70 Jahren eröffnete sie ihr Pariser Modehaus wieder. Diesmal war Christian Dior der Anlass für ihr Couture-Comeback:
Prototyp des berühmten zweifarbigen Chanel-Pumps von Massaro, um 1961. Zu sehen in MANIFESTE DE MODE, Paris
mit gepaspelten bequemen Tweedkostümen, den berühmten zweifärbigen Pumps und den Farben Rot, Weiß, Gold, Schwarz und Beige wollte sie den „New Look“ Diors, der damals Wespen-Taillen und steife Tellerröcke zeigte, widerlegen.
Kultstück: Der Sac 2.55, von 1955 bis 1971, aus schwarzem Matelassé-Leder, mit Goldkette aus Metall. Zu sehen in MANIFESTE DE MODE, Paris
1955 schuf sie mit der Chanel 2.55 eine bis heute begehrte Handtasche mit Schulterriemen, die Frauen die Möglichkeit gaben, ihre Hände bequem in die Manteltaschen zu stecken. Ähnlich den damaligen Militärtaschen. Vielleicht kam ihr auch die Idee dazu, als sie selbst frierend im Winter von ihrem Atelier in der Rue Cambon nächtens ins Hotel Ritz hinüberging. Die Grand Mademoiselle residierte tagsüber in ihrem Studio, doch wohnte im „Ritz“, da das Atelier nicht als Wohnung gewidmet war.
Chanels Erbe
Das „Kleine Schwarze“ neu interpretiert für Herbst/Winter 20/21 von Virginie Viard, vorgeführt von Kaia Gerber in Paris
„Die Mode wird unmodisch, Stil niemals“ war Coco Chanels Devise. „Ich bin gegen Mode, die vergänglich ist. Ich kann nicht akzeptieren, dass man Kleider wegwirft, nur weil Frühling ist.“ Ein Leitspruch, der nicht besser in unsere Zeit passen könnte. Ab 1983 machte ihr Nachfolger Karl Lagerfeld sie mit dem verschlungenen CC-Logo, das aus dem rechteckigen Verschluss der 2.55 entstand, endgültig unsterblich.
Ausstellung: Gabrielle Chanel MANIFESTE DE MODE, Paris, Palais Galliera. Zu sehen bis 14.3.2021, https://www.palaisgalliera.paris.fr, https://www.chanel.com
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