Dem Dirndl auf der Spur: Zwischen Mode und Klischee
„Würde jede Frau ein Dirndl tragen, es gäbe keine Hässlichkeit mehr auf der Welt.“ Wer sagt so etwas? Ein Dirndl-Produzent? Die Besitzerin eines Trachtengeschäftes? Falsch! Eine der wildesten Modeschöpferinnen der Welt, Vivienne Westwood, begeisterte mit diesem Statement bei einer Podiumsdiskussion in Bad Aussee die Zuhörer.
Kein Wunder, dass in ihren ikonischen Modeschauen in London und Paris immer wieder trachtige Elemente bis hin zu unverkennbaren Dirndl-Modellen zu sehen waren und sind. Seit 2016 von ihrem Ehemann aus Tirol, Andreas Kronthaler, auf den Laufsteg gebracht.
Die markantesten dieser Modelle sind jetzt bei einer spannenden Ausstellung in Bad Ischl zu bewundern. „Dirndl. Tradition goes Fashion“ ist bis 31. Oktober im Marmorschlössl in Bad Ischl zu sehen.
Sisis Cottage
Wobei allein schon dieses architektonische Juwel in der Nähe der Kaiservilla (siehe Bericht in der Beilage Reise und Genuss) unglaublich sehenswert ist. „Sisis Cottage“, wie das Schlössl auch genannt wird, wurde für Kaiserin Elisabeth aus Untersberger Marmor gebaut. Es ist wie die Kaiservilla nach wie vor im Besitz der Familie Habsburg, die selbstverständlich zur Eröffnung der Ausstellung kam. Ebenso Hubert von Goisern, der sich als Fan von Designerin Susanne Bisovsky outete.
BetrBetritt man das Gebäude, wandelt man also quasi auf Sisis Spuren und steht erst einmal vor der Replik eines Modells, das erst kürzlich – obwohl 400 Jahre alt – fast unversehrt in einem Grab am Attersee gefunden wurde.
Geht man von einem Raum in den nächsten, von einem Outfit zum anderen, wird man immer wieder überrascht, lernt, ist begeistert, wird nachdenklich. Vor allem beim Dirndl mit dem unübersehbar schön ausgestickten Spruch auf der Schürze aus Wien von 2019: „Never let the Fascists have the Dirndl“. Christa Reitermayr, Lale Rodgarka-Dara und Ulli Weish treffen einander unter dem Titel „Reclaim the Dirndl“ mit Interessierten zum Sticken. Im Augarten oder in der Lobau oder im Gasthaus.
Das Thema ist der Kuratorin, Thekla Weissengruber, wichtig. Es gibt einen eigenen Raum für „Das genormte Dirndl“. Wo man erfährt, dass der Ausdruck „Dirndl“ zur Zeit des Nationalsozialismus verpönt war, weil es „eine Erfindung jüdischer Konfektionäre sei“, so Weissengruber. Im Dritten Reich sollte man „Alltagstracht“ oder „Leibkittel“ sagen. Museumsdirektor Alfred Weidinger meinte dazu in seiner Eröffnungsrede: „Von diesem Gedankengut wollen wir das Dirndl befreien. Bitte keine Normen. Dann wird es das Dirndl auch in 200 Jahren noch geben.“
Weltdirndl
Das älteste Dirndl der Ausstellung ist von 1830. Eine Entdeckung von der Kuratorin in der Textilsammlung des Landesmuseums. Witzig die Diplomarbeit an der Linzer Kunstuniversität von Katharina Klaczak „scheinTracht“ aus dem Jahr 2004. Wunderbar das multikulturelle „Weltdirndl“ der Kärntner Künstlerin Ina Loitzl von 2016. Mit einer Original-Schürze aus Österreich, dazu jüdische Sterne, Blütenkreise aus Istanbul, Schmucksteine von einem indischen Flohmarkt, afrikanische Knöpfe und russische Schulterschließen.
„Dirndl. Tradition goes Fashion“ bis 31. Oktober 2021, Marmorschlössl Bad Ischl, Jainzen 1, 4020 Bad Ischl, montags geschlossen. Weitere Informationen unter www.ooekultur.at
Im internationalen Modebusiness immer mit dabei
Die Ausstellung zeigt an vielen Modellen die wechselvolle Entwicklungsgeschichte des Dirndls vom traditionellen „Gwand“ im Salzkammergut zum Couture Modell von Susanne Bisovsky und Andreas Kronthaler for Vivienne Westwood.
Durch den Katalog zur Ausstellung erfährt man, welche internationalen und nationalen Modegrößen auch vom Dirndl und der Tracht inspiriert werden. Immer wieder. Da gibt es von den ganz Großen beinahe keinen Namen, der da nicht genannt werden kann.
Es beginnt bei Coco Chanel, die von der Salzburger Tracht zu ihrem legendären Chanel-Kostüm inspiriert wurde. Ihr Nachfolger, Karl Lagerfeld, setzte fort, trug er doch schon als Kind gerne Tracht und brachte sie auch für Fendi und sein eigenes Label auf den Laufsteg.
Und es geht weiter mit Yves Saint Laurent und seiner Liebe zum Loden. Mit Miuccia Prada und ihrer Liebe zu Tirol. Mit Helmut Lang und seinen innovativen Ideen für die Trachtenlinie Fallwick der Firma Gössl. Mit Jean-Paul Gaultier und Marc Jacobs, mit Maria Grazia Chiuri, die jetzt im Hause Dior das Design-Szepter schwingt und mit Dolce & Gabbana und Wolfgang Joop. Sein Landsmann Bernhard Willhelm über seine Debüt-Kollektion in Paris: „Ich wollte ein Statement abgeben. Seht her, ich bin Deutscher und habe kein Problem damit.“ Und: „Nicht jedes Klischee ist schlecht. Es muss nur überwunden werden, weiterentwickelt, individualisiert.“
Genauso bei den Österreicherinnen und Österreichern im Modebusiness. Nina Hollein aus Wien, jetzt mit ihrem Mann, Max Hollein, in New York zugegen, startete einst mit dem Dirndl-Bikini in die Moderichtung. Am 1. Juli gibt es eine Ausstellung in Frankfurt. Michaela Bürger aus Klagenfurt begeistert seit geraumer Zeit Paris mit ihren zunächst sehr unkonventionellen Häkel-Handarbeiten. Die Grazerin Ines Valentinitsch eroberte erst einmal mit frisch-frecher Mode von Mailand aus die Welt, ehe sie mit der Familie nach München übersiedelte und sich dort jetzt der „Heidi Couture“ widmet.
Der Wiener Arthur Arbesser arbeitet nach wie vor in Mailand und gewann dort seinen ersten Preis mit einer Art Dirndlkleid. Seine Meinung: „Ich habe die Tracht immer mit großer Lust aus der Ferne betrachtet. Man ist damit sofort gut angezogen und kann nichts falsch machen.“
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