Wer träumt nicht einmal davon, Kleider zu tragen, die nicht von dieser Welt sind? Die sich vom modischen Mainstream abheben, einem überirdische Kräfte verleihen und gegen böse Superhelden schützen? Breite Schultern, metallische Oberflächen, schmale Taillen, Miniröcke, Helme und Gesichtsvisiere ergänzen diese Kostüme, die an Uniformen und Rüstungen erinnern, etwa bei Pierre Cardin, oder an Roben, die Mondfrauen gerne tragen würden, bei Iris Van Herpen. Während aber die Mode in frühen Sci-Fi-Filmen eher von biederen Dienstkleidungen der 1960er-Jahre inspiriert wurde, man denke nur an die Kostüme des Kult-Films „Raumschiff Enterprise“ aus dem Jahr 1966, realisieren heute viele Modedesigner ihre futuristischen Visionen lieber mittels Hightech-Stoffen. Stoffe, aus denen die Zukunft gewebt ist, die aus dem 3D-Printer kommen oder sogar direkt auf den Körper gesprüht werden.
Fashion-Futuristen
Pierre Cardin war der erste Couturier, der Konfektionsmode machte, und auch der erste, der Mode für Männer entwarf. Seine futuristischen Entwürfe revolutionierten damals die Modewelt. „Meine liebsten Kleider sind diejenigen, die ich für ein Leben schaffe, das es noch gar nicht gibt, für die Welt von morgen“, steht auf der aktuellen Webseite des heute 97-jährigen französischen Modeschöpfers, dessen Weltraum-Mode in Form von Einteilern, Tuniken und Kopfbedeckungen bereits in den späten 1950er-Jahren die Modewelt eroberte.
Pierre Cardins Kopfbedeckungen der 1960er-Jahre erinnern an Astronautenhelme. Seine futuristischen Ideen finden sich in aktuellen Kollektionen, https://pierrecardin.com
Eine Dekade vor der ersten Mondlandung, 1969. Und weil Cardin das Weltall so liebte, ließ er sich damals sogar im Astronautenanzug ablichten. Heute ist er seiner Zeit noch immer voraus. Cut-outs und geometrische Formen sind nach wie vor die DNA seiner Space-Age-Fantasien, die als futuristische Akzente in seine Kollektionen einfließen. Aber auch der Einfluss der Modeschöpfer Paco Rabanne und André Courrèges, die in der Ära rund um die Apollo-Landung ihre „Space Age“-Kleider entwarfen, zeigt sich bis heute in den Modeentwürfen ihrer Nachfolger.
Die Aliens kommen: Thierry Mugler zeigte bei der Revue „The Wyld“ im Berliner Friedrichstadt-Palast (Foto ganz oben) glitzernde Aliens von einem anderen Stern. Das futuristische schwarze Kostüm stammt aus seiner RTW Kollektion 1997, https://inter.mugler.com
Die Avantgardisten
Labels wie Gucci, Prada, Chanel, Balenciaga, Dior & Co profitieren in puncto Fashion-Futurismus vor allem von Designern wie Thierry Mugler, Alexander McQueen, Hussein Chalayan, Nicolas Ghesquière, Raf Simons und Iris Van Herpen, die alle einen eigenen Zugang zur Future-Fashion entwickelten.
Alexander McQueens Kostüm für Lady Gagas Video „Bad Romance“
Alexander McQueens berühmte Glitzer-Stilettos aus der Sommerkollektion 2010
„Die Welt braucht Fantasie, nicht Realität. Wir haben heute schon genug Realität“, meinte Modeschöpfer Alexander McQueen kurz vor seinem Tod bei seiner letzten Show Platos Atlantis 2010. Seine plastikartigen, LED-betriebenen Kleider sollten besonders die Rolle der Frau in der Zukunft beleuchten.
Seine Android-Couture blickt bis heute modisch in fremde Galaxien, während Mode heute, etwa in der Netflix-Serie „The Queen‘s Gambit“, mit ihren Retro-Vintage-Einflüssen eher an ein neues Biedermeier erinnert.
Das Kleid aus der letzten Sommerkollektion sensory seas von Iris Van Herpen wurde mit 3D-Technik hergestellt
und soll an futuristische Unterwasserwesen erinnern, https://www.irisvanherpen.com
Die fantastischen Organza-Kreationen Iris Van Herpens kommen aus dem 3D-Printer, die Muster stammen aus einer Zusammenarbeit mit dem Künstler und ehemaligen NASA-Ingenieur Kim Keever.
Mode in Zukunft
War bis vor Kurzem noch KI, Künstliche Intelligenz, das Schlagwort in der Modeindustrie, so sind es heute Nachhaltigkeit, Wiederverwertung und soziale Verantwortung. Während KI heute für Designprozesse von Stoffen, Schnittmustern, Stoffkonstruktion oder Produktionsprozesse eingesetzt wird, orientieren sich sogar die Kostüme von neueren Sci-Fi-Filmen wie etwa Star Wars an den Themen die unsere Zeit prägen, eben Nachhaltigkeit. So ist die Superheldin nur in einfache Baumwolltücher gewickelt. Laut einem kürzlich veröffentlichten Report der Camera Nazionale della Moda in Mailand werden sich die Umsätze von nachhaltiger Mode laut der Einkäufer von Saks, Barneys oder Printemps in Paris, in den nächsten fünf Jahren nahezu verdoppeln. Second-Hand-Märkte explodieren schon jetzt, Fast-Fashion ist ein Auslaufmodell.
Auch solides Handwerk wird immer wichtiger, genau wie das Spielen mit Identitäten, inspiriert etwa von Avatar-Charakteren des Online-Games Fortnite. Modekunden bestellen online immer häufiger individuell zugeschnittene Kleidung, die via 3D-Fitting angepasst wird. Wie auch immer wir unsere Kleidung aber beziehen werden, Mode bleibt ein Spiegel unserer Zeit.
Diese Modelle von der aktuellen Winterkollektion zeigte Marina Hoermanseder auf der Berliner Fashion Week, https://www.marinahoermanseder.com
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