American Idol

American Idol
Wenn Mikaela Shiffrin heute in Levi die Weltcup-Piste rockt, hat sie den Beat im Ohr. Denn Skifahren ist für sie wie Musik. In Sotschi, auf der Bühne Olympias, kann die 18-Jährige in weniger als 100 Tagen „Americas Next Superstar“ werden – mit österreichischer Hilfe.

So schnell wie sie ist keine. Es war zwei Tage vor ihrem 16. Geburtstag, als Mikaela Shiffrin am 11. März 2011 zum allerersten Mal Weltcup-Luft schnupperte. Wenig später hatte sie den Siegerduft schon inhaliert: Mit dem explosivsten Karrierestart der Skigeschichte. Im Frühjahr erst hat der Teenager an der „Burke Mountain Academy“ in Colorado den College-Abschluss gemacht. Stolz wirbt die Schule auf der eigenen Homepage mit einem Foto ihres Stars. Und Shiffrins Lehrer werden wohl mitfiebern, wenn sie heute im finnischen Levi als weltbeste Slalomläuferin die Piste rockt. „Ich habe ein Rennen gewonnen. Dann noch eines. Und noch eines ...“ beschreibt sie ihre Siegesserie im Zeitraffer gelassen. Vier Slaloms, WM-Gold in Schladming und die kleine Kristallkugel hat sie zuletzt gewonnen. Trotzdem sind die Geschichten vom „Ski-Wunderkind“ rasch wieder aus der Berichterstattung verschwunden. Denn die Tochter einer Krankenschwester und eines Anästhesisten aus Avon, einer 6.500-Einwohnerstadt nahe der US-Skiorte Vail und Beaver Creek, ist für ihr Alter ganz schön erwachsen. Girlie-Attitüden sucht man bei Shiffrins Interviews und Auftritten vergeblich. Nichts von der schnoddrigen Überheblichkeit, mit der Ski-Kollegen beiderlei Geschlechts zuweilen die Unsicherheiten des frühen Ruhms kaschieren wollen.

Selbst David Letterman, dem Godfather aller TV–Talkmaster, zauberte die 18-Jährige mit ihrem natürlichen Charme ein Lächeln ins Gesicht, als sie versuchte, ihm und Millionen Amerikanern den Weltcup-Zirkus zu erklären. Denn Profi-Skifahren ist dort in etwa so beliebt, wie Curling bei uns. Trotzdem schaffte es die smarte Mikaela, die Menschen in ihren Bann zu ziehen: In sieben Minuten zur nationalen Sportgröße. Unbeeindruckt von so viel Aufmerksamkeit, kehrte sie tags darauf in die „Burke Mountain Academy“ zurück und rechte mit 61 Mitschülerinnen das Laub im Hof.

Heute, ein paar Monate später, steht Mikaela Shiffrin schon wieder im Mittelpunkt des Geschehens. Wenn sie beim Slalom in Levi die Tore bezwingt, dann fährt sie mit viel Schwung. Nicht, weil es sich so gehört, sondern, weil sie es so fühlt. „Skifahren ist wie tanzen. Ich stehe oben. Nur der Berg und ich. Dann stelle ich mir vor, wie mich die Skier ins Tal tragen. Ich muss nichts tun. Nur dem Rhythmus der Musik folgen, den ich beim Fahren fühle. Mein Körper funktioniert wie ein MP3-Player: Passagenweise Balladen, dann wieder harte Beats. So steuere ich mein Tempo.“

Schon jetzt hat Shiffrin ihr außergewöhnlicher Fahrstil jede Menge Erfolge und unzählige Komplimente beschert. Die unausweichliche Frage nach Lindsey Vonn nimmt sie gelassen. „Wir trainieren manchmal zusammen, aber sie ist den ganzen Tag sehr beschäftigt. Sie gibt mir Tipps, doch ich will sie nicht belästigen.“ Auch über Marlies Schild spricht sie respektvoll, aber nie euphorisch. „Sie ist sicher mein größtes Vorbild im Slalom. Ich habe aber von vielen Athleten gelernt.“ Am meisten wohl von ihren Eltern.

Begonnen hat die Karriere nämlich im Wohnzimmer, wo Mama Eileen und Papa Jeff sie und ihren um zwei Jahre älteren Bruder Taylor an Sesseln durch Slaloms aus Besenstielen gezogen haben. „Mit drei Jahren haben wir sie zum ersten Mal in unserer Hauseinfahrt auf Ski gestellt – sie hat so gestrahlt“, erzählt Mama Shiffrin gerne. Der Rest war behutsame Aufbauarbeit, zum Großteil made in Austria. Shiffrins Mentor auf der Piste ist der österreichische Skitrainer Roland Pfeifer. Und damit sie von ihren Erfolgen auch leben kann, steht dem Teenie-Star der Ex-ÖSV-Läufer Kilian Albrecht als Manager zur Seite: „Ich habe in diesem Sport bisher noch niemanden kennengelernt, der so professionell und akribisch arbeitet wie sie“, lobt Albrecht seinen Schützling.

Vielleicht gelingt das auch deshalb so gut, weil das „Supergirl“ immer familiären Beistand hat. Mutter Eileen begleitet ihre Tochter auf Schritt und Tritt durch den Weltcup-Zirkus. Vier Monate im Jahr reist das Duo gemeinsam zu den europäischen Renn-Destinationen – Ausgangspunkt ist Zwieselstein im Ötztal, wo alle US-Skistars das Appartementhaus „Insieme“ als Europa-Basis nutzen. „Es ist wichtig für mich, Familie und ein Stück Heimat bei mir zu haben“, sagt Mikaela. „Mum hilft mir, das Wesentliche im Leben zu sehen. Ohne sie hätte ich nicht den Erfolg, den ich derzeit habe.“

Vielleicht haben aber auch noch andere „Österreicher“ ein bisschen dazu beigetragen. Skiausstatter Atomic lässt einen ganzen Experten-Stab in Altenmarkt unermüdlich an Shiffrins Redster-Skiern und -Schuhen tüfteln. Hunderte Paar kommen exklusiv für sie aus der Skipresse, nur 45 davon sind schließlich im Renneinsatz zu sehen. Über den Rest freut sich der Nachwuchs. „Es sind minimale Details, aber jeder Ski hat seinen eigenen Charakter. Die, die am besten zu mir passen, kommen mit auf die Tour“, beschreibt Mikaela den enormen Material-Aufwand. Und erläutert verständlich, was es eigentlich mit dem oft zitierten Begriff „Setup“ auf sich hat: „Das ist die Art und Weise, wie Schuh, Bindung und Ski zusammenarbeiten.“

Bis zu drei Stunden braucht Mikaelas Servicemann, um ein Paar Ski für das Rennen flott zu machen: „Wenn ich gewinne, gewinnt mein ganzes Team“, sagt sie und hat für so viel Wertschätzung auch ein bisschen Zuspruch anderer Nationen verdient.

Wenn in weniger als 100 Tagen die Olympischen Spiele in Sotschi beginnen, fiebern die meisten Österreicher naturgemäß mit Marlies Schild, Anna Fenninger oder Michaela Kirchgasser mit. Die andere Mikaela, die von so vielen Helfern aus der Alpenrepublik flott gemacht wird, hat sich aber auch ein bisschen Daumendrücken verdient. Bei Olympia kommt man ohnehin nicht an ihr vorbei, weil die Nachfahrin russischer Auswanderer in zumindest drei Disziplinen starten will. Und auch, wenn sie klugerweise bisher immer nur von „ein paar Rennen“ bei Olympia spricht: Wenn sie diese Bühne rockt, wird sie endgültig das neue „American Idol“ sein.

www.mikaelashiffrin-fanclub.com

Kommentare