Top-Serie, garniert mit Extra-Kren: "Freud" als österreichisches Erfolgsprodukt
Das Café Engländer in der Wiener Innenstadt ist für Schauspielerin Brigitte und Regisseur Marvin Kren nicht irgendein Café, sondern „ein Ort der Heimat“. Marvins Vater Wolfgang Jelinek, bis zu dessen 12. Lebensjahr mit Marvins Mutter liiert, war einer der beiden Besitzer des legendären Künstler-Treffpunkts – bis er 2017 nach langer Krankheit verstarb. „Hier bin ich ihm sehr nahe“, erklärt Marvin die Auswahl des Lokals. Wir sprechen über sein neuestes Serien-Projekt mit Sucht-Potenzial: die Serie "Freud startet morgen Sonntag im ORF. Siene Mutter spielt darin Freuds Haushälterin.
Morgen ist „Freud“-Premiere im ORF. Da kommt Freud’ auf, oder?
Marvin Kren: (lacht) Ich bin erleichtert, dass diese schwierige und aufwendige Arbeit nun vorbei ist, aber schon auch nervös, wie die Arbeit aufgenommen wird.
Was hättest du als Regisseur Freud gerne gefragt, hätte es die Möglichkeit gegeben?
Marvin Kren: Tatsächlich habe ich mir die Frage nie gestellt, hoffe aber, dass er mir nicht den Kopf wäscht, wenn er die Serie irgendwo im Nirvana des Unbewussten sieht. Freud war besessen von seiner eigenen Biografie. Wir sind die Ersten, die damit echt mutig umgehen. Ich kann also damit rechnen, dass Leute sich echauffieren werden.
Brigitte Kren: Ich würde Freud fragen: Herr Professor, was macht Sie glücklich? Auf das wäre ich wirklich neugierig.
Marvin: Da gibt es eine Antwort drauf. Arbeiten und von dem geküsst werden, was man gerne tut.
Was geht eigentlich in dir vor Brigitte, wenn Marvin als erfolgreicher Regisseur vor dir sitzt?
Es ist unglaublich. Man glaubt immer, das ist jetzt der tollste Preis (Anm.: Deutscher Filmpreis für „4 Blocks“) und der tollste Film, und dann kommt immer noch was dazu. Man ist wahnsinnig stolz als Mutter. Ich könnt’ ihn die ganze Zeit abbusseln.
Du warst berufstätig und Alleinerzieherin. Wie ist sich das alles ausgegangen?
Größtenteils war ich Alleinerzieherin. Marvins Vater und ich haben uns zwar bis zum Ende geliebt, sind aber getrennte Wege gegangen, als das Kind zwölf Jahre alt war. Danach war es schwer, weil ich fürs Geldverdienen einen Fulltime-Job als Medizintechnikerin im AKH hatte, und danach bin ich zur Theaterprobe gefahren. Das war ein anstrengendes Leben. Man muss sehr beseelt sein von etwas, damit man das durchhält. Was hab’ ich die Schauspieler beneidet, die nur Schauspieler waren. Da hab’ ich schon acht Stunden hinter mir gehabt.
Marvin: Aber genau deshalb bist du so eine tolle Schauspielerin geworden! Weil du nicht nur in der Kunstwelt gelebt, sondern auch die Luft geatmet hast, die jeder Wiener atmet, wenn er in der Früh mit der U-Bahn nach Michelbeuern fährt. Das Wichtigste für einen Künstler ist die Reflexion aus der Welt. Lebenserfahrung ist mit Gold nicht aufzuwiegen – du hast eine unfassbare Erfahrung!
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Toll, wenn der Sohn so über die Mutter spricht. Hast du alles richtig gemacht?
Brigitte: Ich bin eine ganz normale Mutter und hab’ halt Glück gehabt mit so einem lieben Kind. Ich hab’ ihn immer wahnsinnig gern gehabt. Die Liebe ist das Wichtigste. Wenn ein Kind merkt, dass es geliebt wird, verzeiht es Fehler. Ich war oft nicht da. Wären meine Mutter, die Schwiegermutter und Marvins Vater nicht gewesen, hätte meine Karriere nicht funktioniert.
Marvin: Das Tolle war, dass ich von klein auf mit Dir zur Theaterprobe gehen konnte. Ich habe vom Zuschauerraum aus zugesehen und unfassbar viel aufgesaugt. So ist mir der Beruf des Regieführens und Schauspielens direkt vermittelt worden.
Wozu hast du später Wirtschaft studiert, wenn du doch Regisseur werden wolltest?
Marvin: Meinem Vater gehörte das Café (Engländer), in dem wir jetzt sitzen. Hier gehen Künstler bis heute ein und aus. Da habe ich auch die harte Seite dieses Daseins kennengelernt und finanzielle Nöte gesehen. Nicht, dass wir das zu Hause hatten, aber mir war bewusst, dass es das gibt. Deshalb wollte ich etwas „Seriöses“ machen, wobei mir schnell klar war, dass ich nie für eine Firma als Unternehmensberater oder Marketing-Manager arbeiten könnte. Ich hab’ hier im Kaffeehaus gejobbt und nebenbei begonnen, eigene Filme zu drehen.
War es für dich als Mama wichtig, dass Marvin auch Wirtschaft studiert?
Brigitte: Ich durfte von meinem Vater aus nicht ins Reinhardt-Seminar gehen. Gerade deshalb war es mir wichtig, meinem Sohn alles zu gestatten. Wenn er gesagt hätte: Mama, ich studier’ Theologie, hätt’ ich geantwortet: Wunderbar! Nur als er danach noch begonnen hat, Regie zu studieren, hab’ ich geschluckt.
Du bist doch selbst erst im zweiten Bildungsweg Schauspielerin geworden.
Brigitte: Das stimmt nicht, ich war ein Kinderstar am Linzer Landestheater, aber ein echter! Ich habe viele Hauptrollen gespielt. Mein Klassenvorstand war entsetzt, dass mein Vater mich nicht aufs Reinhardt-Seminar gehen lassen wollte, obwohl die bei uns daheim angerufen haben. Er war Hofrat und meinte, die einzige Tochter wird nicht Schauspielerin. Ich habe bis 14 gespielt und getanzt und dann mit 28 den roten Faden weitergesponnen.
Wer hat dich entdeckt?
Brigitte: Das war Zufall. Ich war am Linzer Landestheater in der Ballettschule. Weil mich Theater schon immer fasziniert hat, bin ich mit dem Ballettgewand durch die Gänge flaniert. Eines Tages haben sich ganz viele Kinder für irgendetwas angestellt. Das hab’ ich dann auch gemacht, obwohl ich nicht wusste, wofür. Als ich dran war, wurde ich von einem sehr großen Mann gefragt: „Und was kannst du?“ „Alles“, hab ich gesagt und wurde vom Fleck weg engagiert.
Marvin, dein Start in den Regieberuf war nicht so glamourös. Du wurdest von der Filmakademie abgelehnt. Warum?
Marvin: Ich habe mich damals, direkt nach dem Wirtschaftsstudium bei drei Studiengängen beworben, weil ich unbedingt aufgenommen werden wollte. Man hat mich neben Wien auch in Berlin und Ludwigsburg abgelehnt. Rückblickend betrachtet war das völlig in Ordnung, weil ich zu schnell dort reinwollte. Ich habe dann tatsächlich ein Jahr Reflexion gebraucht, um zu verstehen, was der Beruf des Regisseurs bedeutet.
Wie ging es dann weiter?
Marvin: Ich hab’ meinen ersten selbstfinanzierten Film gedreht, bei dem die Mutter erstmals mitgespielt hat. „Praterstern“ hat er geheißen und war 2005 meine Eintrittskarte für Hamburg (Anm.: die Media School).
Wie arbeitest du als Regisseur mit Schauspielern? Freundschaftlich oder autoritär?
Brigitte: Das beantworte am besten ich. Oder möchtest du etwas dazu sagen?
Marvin: Eigentlich schon, aber bitte!
Sagt doch beide etwas dazu.
Marvin: Schauspielern Freiraum zu lassen, ist tatsächlich keine schlechte Idee – sofern das passiert, was im Drehbuch steht. Das Drehbuch ist immer der Fahrplan, aber wenn der Schauspieler es mit eigenen Worten mit Leben erfüllt, ist das doch gut. Meine Mutter ist genau so eine.
Gibt es den Mutter-Bonus am Set?
Brigitte: Überhaupt nicht und ich will das auch nicht! Marvin, du hast das mit den Schauspielern jetzt technisch erklärt, ich möchte es menschlich erklären. Du hast eine sehr humane Art zu kritisieren, was mir als Schauspielerin sehr wichtig ist. Es gibt Regisseure, die schreien von da nach dort. Der Marvin geht hin, legt den Arm um die Person und sagt: „Versuch es doch so.“
Marvin: Man muss sich ja vorstellen, dass ein Schauspieler ab dem „Und bitte“ sofort in einer Emotion sein muss. Das ist ein komplexes Spiel mit sich selbst, dass man dorthin kommt. Und wenn man den mutigen Schritt, der gerade gemacht wurde, scharf kritisiert, macht derjenige zu.
Brigitte: Dann steht die Partie. Und beim Film ist Zeit Geld. Deswegen finde ich es unsinnig, das Spiel zu spielen.
"Freud": Die Serie
Hauptdarsteller Robert Finster (Freud) und Johannes Krisch (r.)
Erzählt wird die Geschichte des jungen Freud als Thriller mit Horror-Versatzstücken
Robert Finster kann finster schauen
Da braucht es psychologisches Geschick, womit wir wieder bei Freud wären. Wie viel Freud steckt eigentlich in der Serie?
Marvin: Na ja, es ist keine 100-prozentige Bio. Nichtsdestotrotz versuchen wir, uns diesem Freud sehr wahrhaftig und respektvoll zu nähern und erzählen von einem Mann, der noch keine Legende ist und auch klein angefangen hat mit all seinen Irrwegen. Trotzdem hat er mehr gesehen und verstanden als andere. Spannend mit dem Zuschauer in seine Welt einzutauchen und zu verstehen, wie die Zeit damals funktioniert hat. Dass es dann sozusagen ein Thriller mit Horror-Versatzstücken wird, ist ein Teil des ganzen Machwerks.
Brigitte, Mütter haben oft den sechsten Sinn: Wie wird die Serie ankommen?
Brigitte: Ich hab’ ein gutes Gefühl. Er hat gut gecastet und sich hineingetigert.
Marvin: Die Mutter ist eine gute Ideengeberin bei Besetzungen und der Robert Finster, der Freud spielt, kommt von ihr. Sie hat ihm im „Bronsky und Funsky“ gesehen, oder wie heißt das Theater?
Brigitte: (lacht) Bronsky & Grünberg. Ich hab’ gesagt, bitte schau dir den an, der ist gut. Und so ist Robert es geworden.
Was ist mit den Auftraggebern? Reden die bei der Besetzung mit?
Marvin: Ja sicher. Und es herrscht oft die Annahme, dass man ein Produkt nur mit „Names“ verkaufen kann. Der Robert war bisher ein relativ unbeschriebenes Blatt. Da war Verhandlungsgeschick gefragt.
Freud hat in jungen Jahren viel mit Hypnose gearbeitet. Hat dich Robert Finster hypnotisiert, Brigitte?
Ich weiß einfach, was der Marvin sucht. Ich kann nicht benennen, warum mir der Robert gefallen hat. Das ist, als ob du einen Tausendfüßler fragen würdest, wie er geht. Dann kracht er zusammen. Es war Intuition – und das ist ein Geschenk, das ich nicht zerpflückt und analysiert wissen will.
Marvin, du hast dich in Vorbereitung auf den Dreh hypnotisieren lassen. Oder?
Marvin: Da die Hypnose ein großes Element in unserer Geschichte ist, musste ich wissen, wie man das visualisieren kann. Ich war bei einem guten Psychoanalytiker, der mit Hypnose arbeitet. Als ich gemerkt habe „Hoppla, jetzt werde ich hypnotisiert,“ war das ein unheimlicher Moment. Man spürt, wie ein Fremder die Kontrolle über deinen Geist übernimmt. was ich nicht wollte. Den Machtverlust ansatzweise zu erfahren, war extrem wichtig. Ich bin in eine Welt geglitten, wo es sicher abenteuerlich aussieht.
Hast du es gewagt, Brigitte?
Mir geht es ja gut. Ich will nicht wegen einer Sitzung vielleicht ein Wunderl aufreißen, dass irgendwie besalbt gehört. Nein, danke!
Angenommen, "Freud" bekommt nicht nur positive Kritik: Wirst du dann zur Löwenmama?
Der Marvin ist ja kein Gymnasiast mehr. Das bin ich sicher innerlich, würde es aber nie wagen, das zu zeigen.
Marvin: (lacht) Sagst du jetzt. Schauen wir mal, welcher Sturm auf uns zusegelt.
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