Mario Matt über die Härte des Skisports: "Drei Mal bei Null angefangen"

Ein lächelnder Mann mit Bart und dunklem Pullover schaut zur Seite.
Das Ex-Slalom-Ass erlebte in Kitz seinen ersten Sieg, aber auch seine schwere Verletzung. Das Interview über Bruder Michi und sein Leben nach dem Spitzensport.

Mario Matt macht es seinem Wiener Besuch nicht leicht. Eigentlich wollen wir ihn bei seinen Arabern treffen, die er in seiner Heimat Flirsch am Arlberg züchtet. Doch das Ex-Slalom-Ass bittet uns in seine Après-Ski-Bar „Krazy Kanguruh“ in St. Anton. Ein Problem, weil das Lokal mitten auf der Skipiste liegt. Von oben nähern sich im Eiltempo ambitionierte Skiläufer, unten quert im Schneckentempo der Wien-Besuch den Hang in sommerlichen Turnschuhen. Aber wir kommen rechtzeitig und unverletzt ans Ziel. Die Sonne strahlt vom Himmel, Matt kommt durch die Tür, alles scheint gut - bis er sagt: „Magsch weitertuan, i hab’ nit lang Zeit. I hon grad was zum Essen bestellt.“

Zwei Personen stehen vor einem Schild, das für „Krazy Kanguruh & Après-Ski“ wirbt.

Freizeit-Redakteurin Barbara Reiter besuchte Matt in seiner Skibar "Krazy Kanguruh" in St. Anton

Mario, Ihr Essen sieht gut aus, aber die üppige Sauce auf dem Teller ist nix für Sportler. Wie bleiben Sie schlank? 

Natürlich trainier’ ich bei weitem nicht mehr so viel wie früher. Ich arbeit’ viel mit meinen Pferden, reite und bilde junge Pferde aus. Das taugt mir irrsinnig. Da hab’ ich einfach meine Aufgabe gefunden, weil man täglich Fortschritte sieht. Das ist ein tolles Gefühl.

Selten, dass ein Skifahrer für nachher so konkrete Aufgaben hat ...

Mir war schon wichtig, dass ich mir was aufbau’, wo ich nachher ein Einkommen hab’. Das ist neben den Pferden das Lokal. Eine einmalige Gelegenheit, die sich 2009 ergeben hat. Gott sei Dank hat  meine Freundin das Lokal geschupft, weil ich damals noch viel unterwegs war. (Anm.: Andrea ist die Mutter seiner Tochter Aurelia, 2)

Was machen Sie im Lokal?

Eigentlich alles, vom Service bis zur Bar.

Sie sehen müde aus. Kommt das vom Après-Ski?

Nein, wir sperren ja um 20 Uhr zu. Gestern in der  Nacht haben wir noch ein Fohlen gekriegt und ich war bis halb zwei im Stall.  

 

Ein Mann sitzt im Stroh und hält ein neugeborenes Fohlen, während ein anderes Pferd daneben steht.

Matt mit Nachwuchs im Stall

Wie wird man als ehemaliger Skirennläufer eigentlich zum Pferdezüchter?

Ich wollte als Kind schon ein Pferd und habe mir den Traum 2002 erfüllt. Zuerst hatte ich zwei Reitpferde, bin dann auf Vollblut-Araber gekommen. Später auf die Zucht. Das ist gewachsen, aber die letzten zehn Jahre haben wir den gleichen Bestand. Mir hat das immer getaugt, weil es sehr international ist. Wir sind weltweit mit den Pferden unterwegs.

Lassen Sie mich raten: Saudi-Arabien.

Ganz unterschiedlich.

Was kostet ein Araber?

Es fängt bei ein paar tausend Euro an und geht dann rauf. Araber wurden in jede Pferderasse eingekreuzt, um die anderen Pferderassen zu veredeln. Das ist die schönste Pferderasse.  

Was müssen Sie als Züchter können?

Erstens braucht man das Auge dafür, muss viel reisen und viel Wissen haben. Nicht jeder sieht, dass ein Pferd was Besonderes ist. Manche Leute haben eine Begabung für Tiere, andere nicht. Die lernen es in 20 Jahren nicht.

Hat Ihnen eine Eigenschaft aus der Ski-Karriere für die Pferdezucht geholfen?

Ich denke schon. Als Züchter muss man geduldig sein, kann nix erzwingen. Diese Dinge sind grundlegend. Natürlich ist im Endeffekt auch ein bissl Glück dabei. Aber die Hauptsache ist schon das Wissen und das Auge dafür, wie ich die Pferde anpaare.

Ein Mann sitzt mit einem kleinen Kind auf einem Pferd in einer Reithalle.

Matt mit Tochter Aurelia, 2, hoch zu Ross

Morgen steht der Ganslernhang im Blickpunkt. Wie stehen Sie heute zu Kitz?

Kitz war von Anfang an ein Ort, an dem ich gerne war, auch, weil ich bei meinem ersten Einsatz 2000 gleich gewonnen habe. Natürlich ist dort 2002 auch meine Schulterverletzung passiert. Trotzdem bin ich, wenn's gepasst hat, immer um den Sieg mitgefahren und war insgesamt vier Mal Zweiter und zwei Mal Dritter.

Werden Sie vor Ort sein, um Ihrem Bruder die Daumen zu drücken?

Sicher, ich bin durch meinen Bruder Mich noch sehr involviert.

Ihr Bruder ist oft Trainingsschnellster und verliert im Rennen. Ihnen ist es oft ähnlich ergangen. Wo liegt das Problem?

Das ist reine Abstimmungssache. Wenn es passt, fährt er um den Sieg mit, stimmt aber eine Kleinigkeit nicht, ist er weg. Das war das Blöde bei mir und es schaut so aus, als wäre es bei ihm auch so. Trotzdem ist er super in Form. Ich bin mir sicher, dass es in den nächsten Rennen passen wird.

Welchen Tipp geben Sie ihm mit?

Tipps kann man geben, aber wichtig ist vor allem das Material. Er kennt alle Hänge und hat die letzten Jahre ja schon bewiesen, dass er es drauf hat.

Sein Trainer Marko Pfeifer meinte aber, Michi solle sich mehr aufs Fahren konzentrieren. Die Abstimmung habe bei ihm eine zu große Dimension.

Ich weiß nicht, woher das kommt, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der Trainer das gesagt hat.

Er wurde in einem Interview so zitiert.

Was in der Zeitung steht, muss man mit Vorsicht genießen.

Sie wissen aber schon, dass ich von einer Zeitung komme?

Ja eben, deswegen. (lacht)

Drei Männer stehen an einer Bar und trinken Bier.

Ex-Skistar hautnah: Mit seinen Gästen wechselt Matt gerne ein paar Worte

Es war eine Sport-Internetseite, aber gut. Wie geht ein Sportler mit Niederlagen um?

Du bist mal ein, zwei Tage voll enttäuscht und verärgert. Trotzdem fängt man sich schnell wieder und setzt den Fokus aufs nächste Rennen. Wenn man die Ursachen kennt, kann man sich ja verbessern.

Hat man nicht Lust, den Hut draufzuhauen, wenn sich die Negativphase zieht?

Sicher gibt es solche Momente, aber man muss an sich glauben, sonst ist es unmöglich wieder zurückzukommen. Ich habe insgesamt drei Mal bei null angefangen – mit Startnummern über 40.

Sie hätten es wie Ihr Ex-Kollege Kilian Albrecht machen können und zwecks niedriger Nummer für Bulgarien starten.

Das ändert auch nichts an der Sache. Die Betreuung ist in Österreich bestens. Wenn ich aus verschiedenen Gründen die Leistung nicht bringe, kann der Verband nix dafür, man muss die Ursachen klären. Ich habe damals bei mir keine Schuld gefunden, es waren Abstimmungsprobleme. Ich habe gewusst, dass es wieder passt, wenn ich das in den Griff kriege. Gott sei Dank war es so.

Medaillengewinner stehen bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi auf dem Siegerpodest.

Olympiasieger Matt 2014 in Sotchi. Hirscher (l.) und Kristoffersen (r.) hatten das Nachsehen

Ein österreichischer Athlet mit einer Goldmedaille bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014.

Wer strahlt mehr? Matt oder die Goldene?

Ein Skirennläufer fährt einen Slalomkurs hinunter.

Der Matt-Stil ist bis heute unverwechselbar

Ein nachdenklicher Mann stützt seinen Kopf mit der Hand ab und blickt nach oben.

Mario Matt

Mario Matt beim Interview 2020 in St. Anton

Ein Mann zapft in einer Bar ein Getränk in ein Glas.

Neben seiner Araberzucht betreibt er das "Krazy Kanguruh" und arbeitet selbst mit

Ein lächelnder Mann vor einer verschneiten Berglandschaft.

An schönen Vormittagen, vor allem bei Pulverschnee, steigt Matt aber lieber auf die Brettln als Getränke zu zapfen

Ein Wegweiser zum „Krazy Kanguruh“ für Mittagessen und Après-Ski in 20 Metern Entfernung.

Hier geht's zur Party ...

Durststrecken zu überstehen ist das Schlimmste ...

Wenn ein Mensch ungeduldig ist, wird er immer wieder ins gleiche Muster fallen. Aber irgendwann lernt er, mehr Geduld zu haben.

Würden Sie in Anbetracht aller Erfolge – aber auch aller Durststrecken – noch einmal Slalom-Spezialist werden?

Die Skikarriere war eine superschöne Zeit. Es zahlt sich auf jeden Fall aus, im Jugendalter zu trainieren anstatt auf Feste zu gehen. Ich war damals genauso mit Freunden unterwegs, aber es hat eben auch Zeiten gegeben, in denen ich wegen dem Training passen musste. Sport schult fürs Leben, selbst wenn  jemand nicht an die Spitze kommt. Viele Dinge kann man für den Beruf später mitnehmen.  

Oft hat man das Gefühl, dass die Verletzungen im Skisport immer schlimmer werden. Was meinen Sie?

Es ist schon so, dass man heutzutage im Skisport nur dabei ist, wenn man auf Zug fährt. Das Material wird auch so abgestimmt, dass das möglich ist. Wenn es dann mal beißt und man nicht in der richtigen Position ist, kommen mehr Verletzungen als früher zustande, wo in den Kurven mehr gerutscht worden ist.

Haben Sie durch das harte Training und die Belastungen im Spitzensport heute mit Problemen zu kämpfen?

Überhaupt nicht. Ich hatte von Anfang an die Möglichkeit, richtig zu trainieren, auch was das Krafttraining betrifft. Da werden beim Nachwuchs heute noch viele Fehler gemacht, weil viele Trainer immer noch das Programm von vor 30, 40 Jahren fahren. Da kann man viel kaputt machen. Meiner Meinung nach hängt alles vom richtigen Training im Ausdauer- und Kraftbereich über den Sommer ab. Viel ist auch Veranlagung. Manche halten mehr aus als andere.

Welches Rennen ist Ihnen eigentlich am stärksten in Erinnerung geblieben?

Da gibt es viele. Ich habe 16 Jahre in jedem Weltcuport eigentlich im selben Hotel geschlafen. Vor Kurzem war ich zum Beispiel in Adelboden. Wenn ich dorthin komme, ist es so, als ob ich nie weggewesen wäre. Diese Dinge sind abgespeichert. Besonders prägend waren aber natürlich die großen Erfolge.

Wie Gold im Slalom und Silber in der Kombi vor Ihrer Haustüre in St. Anton bei der WM 2001?

Das war super und gewaltig, aber ich habe ehrlich gesagt erst Jahre danach realisiert, was mir da gelungen ist. Dass man daheim eine WM hat und dann Gold und Silber gewinnt, ist schon einzigartig.

Kommentare