Liebe ohne Grenzen

Liebe ohne Grenzen
Im Internet findet jeder Topf seinen Deckel: Die reife Frau den jungen Mann, der Koch die heiße Liebe und der Millionär sein Sugar Baby. Ein Streifzug durch die skurrile Welt der virtuellen Partner-Börsen.

Noch nie wurde hinreichend geklärt, nach welchen Regeln die Liebe funktioniert. Einmal ziehen einander Gegensätze an, dann heißt es wieder: Gleich und gleich gesellt sich gerne. Einigkeit herrscht auch nicht, wenn es um die Art der Kontaktaufnahme geht: Die einen schwören darauf, sich finden zu lassen, während sich andere lieber aktiv auf die Suche begeben. Wobei Aktivität im Jahr 2013 eine recht passive Bedeutung hat.

Früher musste man zum zwischenmenschlichen Austausch noch ein Kaffeehaus oder eine Bar besuchen, heute muss man dazu nicht einmal mehr das Haus verlassen.

Online-Partnerbörsen boomen wie nie zuvor. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein neues Exemplar das Licht der Welt erblickt, gefinkelter und ausgeklügelter als je zuvor. Das Motto lautet: So gut wie möglich auf die Wünsche der Liebeshungrigen einzugehen. Früher war es nicht auszuschließen, dass beim Internet-Tête-à-Tête eine Vegetarierin an einen Fleischtiger oder ein Bäcker an eine Langschläferin geriet. Heute ist das unmöglich, vorausgesetzt, dass man sich auf einer Plattform für spezielle Zielgruppen registriert. Der Metzger fürs Leben? Jobsingles.de macht’s möglich. Es kann aber wahlweise auch ein Handwerker-, ein Koch- oder ein Polizei-Single für die Ewigkeit sein.

Nur ein Beispiel von vielen, was derzeit im Internet an Partnerbörsen kursiert. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Das Angebot reicht von harmlos bis skurril, von entbehrlich bis ungustiös, wobei Seiten wie „World of Cougar“ oder zuckerburschen.at wohl fast schon als alltäglich gelten. Was ist schon verwerflich, wenn ältere Frauen auf jüngere Männer stehen – und umgekehrt. Vor allem, wenn aus den USA, dem Ursprungsland des Trends, so viel erfolgreiche Vorarbeit geleistet wurde. Jennifer Lopez, 44, und ihr Casper Smart, 25, seien hier stellvertretend für viele genannt.

Richtig schräg mutet da schon theuglybugball.com an – eine Kennenlern-Seite für Menschen, die sich selbst als hässlich empfinden. Was aber noch lange kein Grund ist, alleine zu bleiben. Jedem Topf sein Deckel, und jeder Zeitung seine Story. Auch die „Huffington Post“ berichtete von jenem Paar, das sich dort gesucht und gefunden hat. Im seiner ersten Mail schrieb Tom Clifford an Janine Walker: „Liebe Janine, ich habe dein hübsches Gesicht gerade auf dieser Seite entdeckt. Du lebst in meiner Nähe und ich würde dich gerne treffen. Mein Aussehen bringt Kinder zum Weinen. Aber es heißt, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt. Deshalb glaube ich, dass du mich lieben wirst.“ So war es dann auch. Die Betreiber der Seite schenkten dem Paar aus Rührung eine Hochzeitsreise nach Borth in Wales. „Wir haben dort einen alten Wohnwagen stehen“, sagte ein Sprecher.

Mondäner geht es auf Seiten wie sugardaddie.com oder seekingmillionaire.com zu. Man könnte auch geschmackloser schreiben. Sugar-Daddy? Millionärssuche? Was hat denn das mit Liebe zu tun? Rico aus Luzern, 53, der so im Internet auf Brautschau geht, scheint das wenig zu stören. Lässig präsentiert er sich mit Sonnenbrille am tropischen Strand und stellt klar: „Ich habe ein interessantes Leben.“ Das interessiert die Damen der Community aber wohl weitaus weniger als Ricos Kontostand: Die Summe seines Vermögens gibt er irgendwo zwischen 750.000 und einer Million Dollar an. Da geht noch mehr. Ein anderer User mit Fantasienamen will sogar mehr als eine Million Dollar besitzen und wird konkret. „Ich bin bereit, für mein „Sugar Baby“ 10.000 bis 20.000 $ springen zu lassen.“ Pro Monat versteht sich. Das klingt irgendwie nach Prostitution, was Brandon Wade, Gründer der Web-Seiten, nicht so stehen lassen will. In einem Interview mit dem Spiegel meinte er 2012: „Wer die Seite virtuelles Bordell schimpft, müsste auch Ehen zwischen reichen Männern und Trophäenfrauen als Prostitution bezeichnen.“ Sind sie das nicht – oder macht jeder einfach sein Ding, so gut er eben kann?

So muss es sein, sonst könnte es wohl kaum eine Dating-Seite wie cupidtino.com geben. „Unser Ziel ist es“, heißt es dort, „Apple-Fans und Liebhaber von schönem Hard- und Software-Design zusammenzubringen.“ Da scheint die Anbahnung via Computer geradezu perfekt.

Weitere mehr oder weniger schräge Partner-Seiten: Greensingles.com, wo sich Menschen treffen, die naturverbunden sind und die Umwelt lieben, Datingforparents.com, das alleinstehenden Mütter und Väter vermittelt, oder lovearts.com, eine Seite für Liebhaber der schönen Künste, die sich auch in die Kunst der Liebe vertiefen wollen. Angeboten werden aber auch eigene Dating-Portale für Vegetarier, Veganer, Menschen, die keine Gluten vertragen, Autonarren, Tierliebhaber, Clowns und noch viele andere.

Sie alle schließen so zu einer Gruppe auf, die zumindest im Fernsehen in Sachen Partnersuche schon lange bevorzugt wird: die Landwirte. „Farmer Wants A Wife“, flimmerte 2001 in Großbritannien zum ersten Mal über den Bildschirm. Seit 2005 sucht auch der Bauer in Österreich seine Frau via TV. Das Pendant im Internet nennt sich flirt.landwirt.com und gibt Interessierten die Möglichkeit, potenzielle Partner nicht nur anonym via E-Mail kennenzulernen. Unter Events finden sich jede Menge Veranstaltungsvorschläge für Treffen von Angesicht zu Angesicht: Vom Single-Kochkurs in Graz bis zum gemeinsamen Silvesterfeiern 2013 vor dem Wiener Stephansdom.

Auf Wiedersehen virtuelle Welt, hallo wahres Leben! Das ist im Endeffekt doch das Einzige, was wirklich zählt.

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