Vom sinnerfüllten Leben (und wie man sein Glück finden kann)
Wie werde ich glücklich – und was kann ich dafür tun? Eine Frage, die die Menschen zu Beginn eines neuen Jahres bewegt.
Zumindest die Statistik hat eine Antwort darauf. Laut einer Online-Umfrage des Marktforschungsinstituts Integral im Frühjahr 2019 empfinden die Österreicher vor allem Gesundheit, Familie und Partnerschaft als zentrale Basis persönlichen Glücks. Vier von fünf Befragten bezeichneten sich als „aktuell glücklich“ und mit ihrem Leben im Reinen. Immerhin drei Viertel denken, dass Glück nicht vom Himmel fällt: Jeder muss selbst dazu beitragen.
Dieser Gedanke passt zum anhaltenden Glücksboom, der aktuell bei „Hygge“ hält, Glück nach Art der Dänen. Glück ist eines der derzeit angesagtesten Accessoires. Das kann man gut an den vielen Wohlfühl-Szenarien und -Tipps auf Instagram sehen. Dazu eine Flut an Ratgebern, Happiness-Magazinen und -Apps, Seminaren und, ja, Ausmal-Büchern, mit deren Hilfe man sich das Glück bunt machen kann. Geht doch! Das Versprechen: Gute Gefühle lassen sich basteln, formen, malen – und der Chef dieses Glücks blinzelt uns im Spiegel entgegen. Aber ist es wirklich so einfach?
Das Leben optimieren
Daran zweifeln aktuell die Soziologin Eva Illouz und der Psychologe Edgar Cabans: Sie halten die boomende „Glücksindustrie“ für gefährlich. Weil auf breiter Basis signalisiert wird, Glück sei für jeden Menschen machbar, vorausgesetzt das persönliche Lebens-Optimierungskonzept stimmt. Das bringe den neuen Typus der „Glücksgestörten“ hervor. In ihrem viel diskutierten Buch „Das Glücksdiktat – wie es unser Leben beherrscht“ kritisieren die Autoren den Siegeszug der (US-amerikanisch geprägten) „Positiven Psychologie“, die das Individuum zum Hauptverantwortlichen für Glück und Zufriedenheit macht. Als existierten keine äußeren Faktoren, wie etwa der Staat, die Politik, die Wirtschaft oder eben schicksalhafte Lebensumstände. Glück würde außerdem ökonomisiert.
„Wir glauben nicht mehr, dass Glück etwas mit Schicksal, Lebensumständen oder der Abwesenheit von Leid zu tun hat, dass es ein tugendhaftes Leben krönt oder einfältigen Menschen mageren Trost gewährt. Nein, Glück gilt in unseren Zeiten vielmehr als eine Geisteshaltung, die sich willentlich herbeiführen lässt, als Resultat der Mobilisierung unserer inneren Stärken und unseres ,wahren Selbst’ als einziges Ziel, das anzustreben sich lohnt ...“, so Illouz. Das führt mitunter zu einer etwas banalen Auslegung der Glücklichmacherei: Als hinge alles an der täglichen Tasse Matcha-Latte und ein paar Atemübungen.
Eine Glücksdiktatur, die der deutsche Autor Florian Langenscheidt in seinen Gedanken zum Thema übrigens als „Nordkorea des positiven Denkens“ bezeichnet hat.
Illouz zweifelt außerdem am Glück als höchstes Lebensziel – und folgt im weitesten Sinne dem Psychiater Viktor Frankl, der meinte: „Je mehr der Mensch nach Glück jagt, umso mehr verjagt er es auch schon.“ In Wirklichkeit brauche der Mensch nur eines: einen Grund dazu zu haben, „dann stellt sich das Glücksgefühl von selbst ein“. Glück – kein Konsumgut, sondern etwas, das kommt, wenn’s passt – und im Strom des Lebens wieder geht. Yin und Yang, Auf und Ab. Weil auch Unglück zu Glück führen kann – zu Vertiefung und Sinn. Nur Glück wäre kein Glück.
Für sich selbst sorgen
Dass es trotzdem ratsam ist, sich aktiv um sein Lebensglück zu kümmern, hat für die österreichische Psychologin Heidemarie Smolka vor allem mit den aktuellen Herausforderungen des Lebens zu tun:
„Die Psyche ist in der heutigen Zeit besonders gefordert, es existiert viel Unsicherheit und es gibt viele sehr negative Zukunftsszenarien. Dazu kommen die Reizüberflutung und ein hoher gesellschaftlicher Druck, viele Rollen zu erfüllen. Das spiegelt sich in der kontinuierlich steigenden Zahl psychischer Erkrankungen“, sagt Smolka. An seinem Glück zu arbeiten, bedeutet für sie, sich Gutes zu tun – das wiederum gehöre zur mentalen Gesundheitspflege. „Es hat nichts mit der banalen Jagd nach Glück zu tun, sondern mit Selbstfürsorge“, sagt sie. Außerdem sei mit „Glück nicht gemeint, den ganzen Tag freudig hüpfend über eine Wiese zu springen“.
Es geht darum, eine Grundzufriedenheit zu kultivieren, die sich aus Wachheit, Neugierde, Werten, Sinnhaftigkeit und Dankbarkeit zusammensetzt.“ Lauter egoistische Narzissten hervorzubringen, sei nicht das Ziel, sondern optimistische, selbstverantwortliche Menschen, die sich ihrer Selbstwirksamkeit und Werte bewusst sind, und so einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft leisten: „In meiner Arbeit als Glückstrainerin liegt der Hauptfokus auf der Einzelperson: Wie kann ich mit den gegebenen Bedingungen meine Seele gesund erhalten?“
Unangenehme Gefühle werden dabei nicht vermieden oder gänzlich verbannt, sie haben eine wichtige Funktion. Dominieren sollten sie das Leben trotzdem nicht. „Es geht vielmehr um eine Bewusstmachung, wie weit unangenehme Gefühle wie Ärger, permanentes Sich-Sorgen oder schlechte Laune vermeidbar wären und überhaupt angemessen sind. Gleichzeitig ist es aber auch Ziel, angenehme Gefühle zu vermehren.“ Das sollten aus Sicht der Psychologin bereits Kinder lernen – weil es ihr „Immunsystem der Seele“ stärkt und sie so fit fürs Leben da draußen werden.
Ein sinnerfülltes Leben
Staatsgeheimnis: Ein Glücksminister verrät, was zufrieden macht
Das Glück als Ziel – da fällt einem gleich einmal das buddhistisch geprägte Königreich Bhutan ein. Es hat das größtmögliche Glück seiner Bürger zum Staatsziel erklärt. Alle fünf Jahre wird – anhand von Umfragen – das „Bruttonationalglück“ gemessen. Ha Vinh Tho, Leiter des Zentrums für Bruttonationalglück, erklärt im Buch „Der Glücksstandard“ (Barth), wie man es praktisch umsetzen kann.
Glück orientiert sich aus seiner Sicht an dem altgriechischen Begriff „eudaimonia“: „Dabei geht es darum, wie wir die inneren und äußeren Bedingungen für ein sinnerfülltes Leben schaffen können, das uns in die Lage versetzt, im Einklang mit unseren tiefsten Sehnsüchten und unserem höchsten Potenzial zu leben.“ Mit ökonomischen Wachstum hätte das kaum zu tun, „weil sich unser Glück durch den Zuwachs an finanziellen Möglichkeiten nicht dauerhaft steigern lässt, da unsere Erwartungen und Wünsche ständig damit Schritt halten und es daher immer nur zu einer kurzfristigen Befriedigung kommt“, so Ha Vinh Tho. Zu den Säulen des Glücks zählt für ihn etwa der achtsame Umgang mit sich selbst und der Natur ebenso wie Selbstverwirklichung im Sinne von Bestimmung: Was mache ich wirklich gerne? Wichtiger Punkt: ein liebevolles Miteinander – Stichwort: Sozialkompetenz. Was er ebenso sagt: Dass jene, die sich ernsthaft mit Glück befassen wollen, sich zunächst mit dem Leid der Menschen auseinandersetzen müssten.
Da wird in Bhutan in Zukunft einiges zu tun sein. Globalisierung und Digitalisierung haben auch im Königreich Einzug gehalten, viele traditionelle Lebensweisen und damit verbundene Werte gingen verloren – stattdessen hielt die „hedonistische Tretmühle“ Einzug. Die letzten Messwerte des Bruttonationalglücks aus dem Jahr 2015 zeigten, dass knapp 76 Prozent der Bevölkerung glücklich sind.
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