Vom großen Glück auf zwei Rädern
Wie heißt es doch so schön? Das Rad kann man nicht neu erfinden.
Stimmt nicht ganz, denn seit Jahren stellen kreative Fahrradschmieden und geniale Tüftler eines unter Beweis: Es geht doch!
Es ist noch nicht lange her, da wurde das Hightech-Konzept von aus Carbon gefertigten Fahrrädern mit spektakulären Exemplaren wie dem PG Bugatti Bike untermauert. Ein Sammlerstück aus dem deutschen Regensburg, das sich vom beinahe unverschämten Basispreis von 35.000 Euro zu einem Goldstück um 80.000 Euro individualisieren ließ. Angeblich haben sogar Lady Gaga und Christoph Waltz eines geordert.
Kaum verdauten Rad-Aficionados diese ungewöhnlichen News von einem Quereinsteiger, erhielt das aus der Formel 1 bekannte Material Carbon eine gewichtige Konkurrenz von Mutter Natur. Ein oberösterreichisches Start-up-Unternehmen namens My Esel schwört auf Räder, Rennräder und E-Bikes aus Holz.
Firmengründer Christoph Fraundorfer erklärt warum: „Ähnlich dem Carbon ist Holz ein Faserwerkstoff. Aber im Gegensatz zu Karbon ist Holz organisch gewachsen und nachhaltig.“
Anders gesagt: Räder, die demnächst den Autoverkehr in der Stadt entlasten, wachsen mittlerweile bereits auf den Bäumen.
Das Rad dreht sich weiter
Und schon naht die nächste Sensation auf dem Radsektor: Ein dänischer Hersteller verspricht, dem guten, alten Fahrrad mit einem neuen Antriebskonzept Beine zu machen. Ingenieure behaupten, gemeinsam mit amerikanischen Maschinenbauern einen kettenlosen Superantrieb mit 99 Prozent Effizienz bei der Kraftübertragung erfunden zu haben. Mit einem Wort: Bald kommt man mit Muskelkraft auf zwei Rädern noch leichter weiter voran.
Das heißt, das Rad der Entwicklung dreht sich nach wie vor, gerade beim Rad. Wer schon lange kein Fahrradgeschäft von innen gesehen hat, wird sich wundern: Neben Mountainbikes, Crossbikes, Rennrädern, E-Bikes und unter Vintage gehandelte gebrauchte Rennräder nehmen sogar Lastenräder immer mehr an Fahrt auf. Der große Schub aber kommt eindeutig von Fahrrädern mit Elektromotor.
Lange eher als unsportlich belächelt, hat die Elektrifizierung der Fahrräder diesem jahrhundertealten Fortbewegungsmittel einen neuen Boom beschert. Und der gesamten Branche einen kompletten Imagewandel.
Was zuvor als Freizeit-Sportgerät oder als Behelf für Leider-nein-Autofahrer galt, ist längst Luxusartikel. Auch Autohersteller, die mit der Zeit gehen wollen und etwas auf sich halten, bieten mittlerweile unter ihrem Markennamen Fahrräder an. Das Spektrum reicht von Klapprädern bis zu Rennern mit dem prestigeträchtigen Logo der Scuderia Ferrari.
Fragen der Ästhetik und der handwerklichen Perfektion spielen dabei schon lange eine Rolle. Noch vor ein paar Jahrzehnten gab es in jeder französischen, belgischen und niederländischen Stadt mindestens einen gefragten Rahmenbauer. „Und in einer norditalienischen Stadt an jeder Ecke“, behauptet Christoph vom Salon Veletage, dem Spezialisten für außergewöhnliche Zweiradambitionen in der Wiener Praterstraße.
Zu ihm kommen Kunden, deren Pupillen sich weiten, wenn sie eines Titanrahmens aus einer kleinen Manufaktur in Bergamo ansichtig werden. Jede Schweißnaht wird dabei sorgsam von Hand bearbeitet. Ein Kunstwerk. Begeisterte Biker erkennen das sofort. Und zahlen dafür auch Beträge, bei denen der gemeine Radfahrer abwinkt.
Eine Liebeserklärung
Ab 4.490 Euro ist man dabei. Nur mit dem Rahmen, wohlgemerkt, der Seele des Fahrrads.
Zählt man dazu allerdings die Ausgaben für Sattel, Gabel, Räder, Schaltung, Pedale und sonstige Komponenten, kann schon ein Betrag entstehen, den man üblicherweise in ein herzeigbares Auto investiert – und das beileibe nicht unter der Rubrik "Sonderangebote".
Sicher, so Rad zu fahren, ist etwas für Liebhaber, besser gesagt Kunstliebhaber. Und bisweilen passt das auch gut zusammen. Denn die „besten Rahmenbauer haben mehr gemein mit den Kunsthandwerkern, die Patek-Philippe-Uhren, Monteleone-Gitarren oder Borelli-Hemden erschaffen“, brachte es etwa der englische Journalist Robert Penn in seiner Liebeserklärung „Vom Glück auf zwei Rädern“ auf den Punkt.
Seit knapp mehr als zweihundert Jahren erfreut sich das Radfahren als Freizeitvergnügen ständig wachsender Beliebtheit. Natürlich war es ein weiter Weg vom Laufrad und Hochrad zum E-Bike. Ob als Naturerlebnis, Freiheitsliebe oder als Zeichen der Individualität, attraktiv ist Radeln nach wie vor.
Her mit dem Radler
Und groß etwas zu feiern gibt es auch demnächst. Als nämlich im Sommer 1922 das Fahrrad erstmals so populär wurde, dass alle Straßen und Wege voll davon waren, bekam es einen eigenen Drink „spendiert“. Wie so oft, ist der Geistesblitz eines Gastwirts daran „schuld“. Der Wirt der Kugler-Alm im Süden von München verlängerte jedenfalls eines Samstags das unter dem Besucheransturm auszugehende Bier kurzerhand mit Zitronenlimonade. Und taufte das Mixgetränk auf den Namen „Radler.“ https://veletage.com
Luxus auf 2 Rädern
Gold, Kristall und Kunst: Fahrräder, die man über Nacht besser nicht draussen stehen lässt
Sie glauben, bei einem Stückpreis von 100.000 US-Dollar sollten sich zumindest vier Räder ausgehen? So kann man sich irren: Die dänische Fahrradschmiede Aurumania stellte 2008 das mit 24-karätigem Gold belegte und von 600 Swarovski-Steinchen übersäte Luxusvelo Gold Crystal Edition vor.
Weitere Daten gefällig? Gänge: 1; Auflage: 10 Exemplare. Ein Fixie für Hunderttausend? Irre!
Auch nicht ohne war der Betrag, der 2012 für einen Supersportler auf zwei Rädern verlangt wurde: 30.000 Euro. Das Aston Martin One-77 Cycle wurde in einer Auflage von 77 Stück angeboten. Jedes der von Factor Bikes gefertigten Superräder wurde an die individuellen Körpermaße der Besitzer angepasst. Ein Projekt, das nicht ganz aufging: Ein paar Rahmen gibt es noch bei der deutschen Fahrradschmiede.
Auch ein fast gewöhnliches Hollandrad schafft es, hier genannt zu werden: das weiße Edelrad "Le Flaneur" der Pariser Luxusmarke Hermes. Sattel und Griffe sind aus handvernähtem Leder. Der Preis: 8.900 Euro.
Eine Sonderrolle spielt das Trek „Madone“ des notorischen Dopingsünders Lance Armstrong. Ein von dem US-Amerikaner bei der Tour de France gefahrenes Exemplar wurde auf dem gesamten Rahmen und beiden Felgen vom britischen Künstler Damien Hirst verziert. Einem Käufer war das so viel wert, dass er dafür 2009 bei einer Versteigerung von Sotheby’s eine halbe Million Euro bot.
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