„Viele Organempfänger haben auch Schuldgefühle“

„Viele Organempfänger haben auch Schuldgefühle“
Der Autor Zoran Dobric hat das Organspenden jahrelang kritisch und einfühlsam beobachtet. Nun ist sein neues Buch erschienen.

Wissen Sie eigentlich, dass Sie Organspender sind? In Österreich ist die Rechtslage im Gegensatz zu Deutschland so: Jeder, der keine Widerspruchserklärung abgegeben hat, kann für Organspenden in Anspruch genommen werden. Das gilt übrigens für jeden, der sich auf österreichischem Staatsgebiet aufhält, „also auch für einen Japaner, der am Flughafen Wien tot umfällt“.

Mit diesen, aber vor allem auch mit vielen ethischen und psychologischen Fragen hat sich der ORF-Journalist Zoran Dobric in seinem neuen Buch „Ein Stück Leben“ auseinandergesetzt. Dobric hatte für eine TV-Dokumentation jahrelang Menschen begleitet, die auf ein Organ gewartet haben, aber auch mit Ärzten, Theologen, Juristen und Ethikern. „Nach der Transplantation bekommen viele Empfänger von Organen plötzlich Schuldgefühle“, beschreibt Dobric seine Beobachtungen, vor allem bei sogenannten Lebendspenden – also wenn einem anderen Menschen etwa eine Niere entnommen wird. „Da bleibt bei vielen das Gefühl, dass nun ein anderer Mensch deswegen keine Reserve mehr hat und Gefahr läuft, zu erkranken. Man hat das Gefühl, es gibt mir jemand etwas Großes und ich habe keine Chance, mich angemessen zu bedanken.“ Bei Spenden von toten Menschen wird über den Spender keine Auskunft erteilt.

Dobric vermisst in Österreich eine breitere öffentliche Debatte und mehr Aufklärung um das Organspenden. „Der eigene Körper ist ja das größte Gut des Menschen. Aber als 2012 die Regelung, dass plötzlich jeder zum Organspender wird, der nicht widerruft, eingeführt wurde, gab es nur ganz wenige Berichte und Diskussionen darüber“, erklärt der Buchautor. Der Vorteil des österreichischen Systems liegt aber auf der Hand: „Man bekommt dadurch etwas mehr Organe, aber man bekommt sie vor allem schneller, weil keine langen Verhandlungen mit Angehörigen geführt werden müssen.“

Ab dem Hirntod

Gute Nerven benötigt man für jene Kapitel, in denen Dobric die Entscheidung der Ärzte beschreibt, die zur Erklärung des Hirntodes führen. „Ich dachte immer, da gibt es eine Nulllinie auf den Geräten. Es gibt aber immer noch Schwingungen, aber eben keine Ausschläge mehr.“ Zwei Ärzte müssen unabhängig voneinander den Tod feststellen.

Dobric beschreibt das System der Organspenden, die Wartelisten und den Missbrauch. Denn weltweit gibt es weit mehr Nachfrage nach Organen als Angebot. Von den im Jahr 2017 transplantierten 139.000 Organen waren rund 90.000 Nieren. „Es lässt sich nicht verleugnen, dass es einen weltweiten illegalen Handel gibt.“

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