Die junge Thronfolgerin Elizabeth und Prinz Philip waren gerade frisch verheiratet, als Josef Weschitz auf einer Tanzveranstaltung in Wien seine zukünftige Frau Helene traf. Sie war 18 und trug ein bordeauxrotes, selbst genähtes Abendkleid. Er konnte seine Augen nicht von ihr wenden und forderte sie zum Tanz auf. „Dann hat er mich nach Hause begleitet, mit meinen Eltern, denn ich durfte noch nicht alleine ausgehen“, erzählt die 89-Jährige. „Ein paar Tage später kam ein Brief: ‚Ich erwarte Sie im Café Elserhof in der Neubaugasse‘. So hat es begonnen.“
Helene und Josef Weschitz gehören zu den wenigen Ehepaaren, die – wie die Queen und ihr eben verstorbener Mann – länger als 70 Jahre verheiratet sind. 2020 feierten sie in ihrer Heimat Wiener Neudorf die „Gnadenhochzeit“. Genau wie das britische Regentenpaar bekamen sie nach ihrer Trauung im Jahr 1950 vier Kinder, erst zwei, nach zehn Jahren Abstand noch einmal zwei.
Großes Loch
Ihre Liebe hielt kleineren Erschütterungen stand, eine Trennung stand aber nie zur Debatte, erzählt die bis ins hohe Alter leidenschaftliche Turnerin. Ihr Mann war nach dem Krieg als Gendarm, später im Innenministerium tätig. Sein großes Hobby war das Fliegen. „Ich war viel mit den Kindern alleine, auch an den Wochenenden, das war nicht immer einfach. Ich glaube, viele Leute geben heute zu schnell auf. Wir hatten gar keine Zeit, darüber nachzudenken. Ich wollte nicht nur Hausfrau und Mutter sein, habe gekämpft, dass ich die Meisterprüfung ablegen und ein Gewerbe anmelden kann. Aber mein Mann und ich, wir waren immer für einander da.“
Auch die Queen bezeichnete Philip einst als ihren „Fels“. Dementsprechend groß ist das Loch, das der Prinzgemahl nun hinterlässt. Statistisch gesehen besteht nach dem Tod eines jahrzehntelangen Partners sogar ein erhöhtes Sterberisiko für den Überlebenden – jeder kennt die Geschichten von Liebenden, die innerhalb weniger Tage, manchmal sogar Stunden, verstorben sind.
10,5 Jahre
war die durchschnittliche Dauer der 2019 in Österreich geschiedenen Ehen, vor 30 Jahren waren es sieben. Jede dritte Ehe wird im Laufe der ersten 25 Jahre geschieden
90 Jahre
waren Karam und Katari Chand aus Indien verheiratet, ehe er 2016 im Alter von 110 Jahren starb. Die beiden halten den Rekord für die längste Ehe
„Wenn man viele Jahrzehnte zusammengelebt hat, ist der Tod des Partners immer ein seelischer Weltuntergang“, erläutert der Psychotherapeut und Buchautor Wolfgang Krüger. „Es tritt eine innere Leere ein, weil der Mensch fehlt, der ständig Ansprechpartner war, mit dem man das Bett teilte, der einem in allen Krisen beigestanden hat. Bei so einem Verlust kann es sein, dass der Lebenswille erlischt und das Immunsystem zusammenbricht.“
Wertschätzung und Respekt
In seinem Ratgeber „So gelingt die Liebe – auch wenn der Partner nicht perfekt ist“ befasst sich Krüger mit den Kriterien, die für eine jahrzehntelange, gute Partnerschaft entscheidend sind. „Die Basis besteht darin, dass eine hohe Wertschätzung besteht und man sich gegenseitig respektiert“, sagt er. „Dadurch baut sich eine gute Stimmung auf, die durch Humor und gemeinsame Interessen verstärkt wird.“
Studien zeigen immer wieder, dass Ehen von religiösen und sehr pflichtbewussten Menschen tendenziell länger halten. Lange Zeit war die finanzielle Abhängigkeit der Frau ein Faktor, der Paare zusammenhielt. Auch mehrere Kinder sind eine höhere „Scheidungsbarriere“.
Gemeinsame Rituale
Letztendlich zählt, dass man gemeinsam in dieselbe Richtung blickt, sagt der Psychotherapeut. „Das sind also die Überzeugungen, Pflichten und Rituale, die auch dann tragend wirken, wenn man sich einmal nicht so gut versteht.“
Rituale gibt es auch im Hause Weschitz in Wiener Neudorf: Jeden Morgen richtet sie ihm sein Frühstück („Er mag es süß, ich hab’ lieber ein Butterbrot“) und „seine Pulver“ her, schlafen gehen sie immer nur zu zweit. Die Frage nach dem Schlüssel zum Eheglück haben die beiden schon öfter gehört. „Das Geheimnis ist, dass man immer aufeinander Rücksicht nimmt“, sagt Josef Weschitz, der im Dezember seinen 95. Geburtstag feierte (vier Monate vor der Queen). „Auf diese Weise sind wir zusammen alt und grau geworden. Und ich mag immer noch alles an ihr.“
An das Danach, sagt seine Frau, will sie nicht denken. „Ich bete jeden Tag, dass er so lange lebt wie ich.“
"Ehe-Dinosaurier" von Hollywood bis Österreich
Im Jahr 1946, ein Jahr vor Queen Elizabeth und dem Duke of Edinburgh, schlossen Jimmy und Rosalynn Carter den Bund fürs Leben. Ihre Beziehung überdauerte immerhin vier Kinder und eine US-Präsidentschaft. Wie verliebt die beiden nach wie vor sind, zeigten sie 2015 bei einem Baseballspiel: Als die Kamera auf sie schwenkte, drückte der damals 90-Jährige seiner Frau ein Bussi auf die Lippen.
In Österreich zählen Sepp und Helli Forcher zu den am längsten verheirateten prominenten Ehepaaren. 65 Jahre stehen sie einander nun schon zur Seite, halfen einander über Krankheit und den Tod ihres Sohnes hinweg. „Sie ist einfach meine Hälfte“, sagte der Moderator über seine Lebensliebe. Auch Peter und Ingrid Kraus widersprechen mit bis dato 52 Ehejahren den Gesetzen des Showgeschäfts. Journalistenlegende Hugo Portisch und seine Traudi waren sogar 70 Jahre verheiratet, als sie 2018 verstarb. „Es gibt kein Geheimnis. Entweder man findet den richtigen Menschen oder nicht“, sagte die Schriftstellerin in einem KURIER-Interview.
Eine Ausnahmeerscheinung in Hollywood waren Kirk und Anne Douglas, die bis zu seinem Tod im Vorjahr 66 Jahre verheiratet blieben. Eines ihrer Erfolgsrezepte lautete Toleranz, wie die Witwe des Filmstars im US-Magazin People verriet. „Kirk hat nie versucht, seine Liebeleien vor mir zu verstecken.“ Als Europäerin habe sie verstanden, dass totale Treue in einer Ehe unrealistisch sei.
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