Richard Schneebauer: Verändert hat sich vor allem, dass immer mehr Männer früher in die Beratung kommen, weniger die Themen an sich. Im Buch geht es hauptsächlich um das Thema Beziehung zu Frauen. Sehr oft ist es ja so, dass die Frauen die Beziehung beenden. Das stürzt Männer in eine Krise, die wiederum eine große Chance ist, sich selbst zu finden. Im Gespräch kommen die Männer erst drauf, dass ihnen auch viel nicht mehr gepasst hat.
Warum ist das so?
Ein Problem ist, dass wir Männer Weltmeister im Aushalten sind. Das ist in vielen Bereichen ein Vorteil, in der Liebe aber nicht. Wir haben es nicht erlebt und damit nicht gelernt, unsere echten Gefühle auf eine selbstbewusste Art auszudrücken. Von den Frauen haben wir es aber erlebt und daher warten wir oft darauf, dass sie es tun, damit wir selbst wieder freier werden.
Männer brauchen also Frauen, um ihre Gefühle zu kommunizieren?
Viele kommen zum Erstgespräch, weil die Frau sagt, wenn du jetzt nicht gehst, bin ich weg. Mir geht es im Buch auch darum, den Männern zu sagen, dass es cool ist, Veränderungen selbst mitzugestalten und nicht nur darauf zu reagieren, was die Frau will. Wir Männer müssen endlich anfangen, dass wir uns selber darum kümmern, wie es uns geht, was wir wirklich wollen und wie wir das auf Augenhöhe mit den Frauen kommunizieren. Denn es wirkt nur so, als täten Männer das ohnehin. Ihre echte innere Wahrheit liegt aber tiefer. Warum haben so viele Männer ein Problem mit der emotionalen Seite von Frauen? Ich halte eine gefühlsintensive Frau nicht aus, wenn ich meine eigenen Gefühle unterdrücke.
Wie können Männer lernen, mit ihren eigenen Gefühlen besser umzugehen?
Einer der wesentlichen Gründe ist, dass wir so wenig mit anderen Männern offen und wertschätzend reden. Das macht uns abhängig von Frauen: Sie sind die Einzigen, mit denen wir emotional Kontakt haben und wenn das gerade nicht funktioniert, merkt man plötzlich, dass man alleine dasteht. Ich leite auch Männergruppen, wo Männer das erleben können. Als ich zum ersten Mal dabei war, war ich ganz baff: Da haben Männer etwa gemeinsam über ihre Väter nachgedacht oder sich offen über ihre Beziehungen ausgetauscht.
Spätestens seit der #MeToo-Bewegung verschwimmen die klassischen Geschlechterrollen zunehmend. Sind die Männer verwirrt – etwa beim Kennenlernen? Viele junge Männer wissen nicht genau, was, wie oder wohin, aber sie sind dabei viel bewusster. Ich finde das insgesamt positiv: Man muss sich vorstellen, unsere Rolle war jahrhundertelang einzementiert und jetzt wackelt sie. Die jungen Frauen werden immer offensiver und sagen, was sie wollen. Das fordert die Männer nicht nur, es verunsichert auch. Schade ist, dass auf beiden Seiten so viel performt wird, um allen möglichen neuen Ansprüchen zu genügen.
Männer sind also noch nicht wirklich bereit dafür, dass eine Frau die Initiative übernimmt? Ich glaube schon, dass sie bereit sind, aber ich glaube auch, dass es schwierig ist für beide Seiten und dass etwas, das so lange klar war, neu gelernt werden muss. Initiative zu leben, wäre was für beide Geschlechter. Es braucht heute eine neue innere und damit echte Stärke der Männer, keine Rückwärtsbewegung in alte Zwänge. Das war doch auch kein richtiges Leben für Männer, immer nur hart sein zu müssen.
Zurück zum Kernthema des Buches, Beziehungen. Viele scheitern am Nähe-Distanz-Verhältnis. Wie kann ein Mann zur Balance in der Partnerschaft beitragen? Jeder braucht Zeit unter seinesgleichen, in der man sich idealerweise offen austauschen kann, wie es einem so geht. Danach kann man in der Beziehung wieder gestärkt zusammenkommen. Oft gar nicht so einfach für Frauen, es zuzulassen, dass Männer ihre eigenen Geschichten haben.
Stimmt das Klischee, dass Männer mehr Freiheit brauchen und Frauen die Beziehungsarbeit übernehmen? Am Klischee ist sicher was dran, aber ich meine Freiheit anders: Sie beginnt innen, also ja zu sagen, wenn man ja fühlt, und nein, wenn nein angesagt ist. Zumeist unterdrücken wir Männer das zu lange. Da gilt es besser hinzuhören, ins eigene Männerherz. Da wollen wir doch letztlich alle hin.
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