„Wir haben das Projekt in der Pandemie gestartet“, erzählt Jasmin Berghammer, der schon im ersten Lockdown aufgefallen war, wie viele Menschen älter als 55 sehr darunter leiden, dass sie zu Hause null Ansprache haben.
Die WG Melange mitten in Favoriten soll als erste ihrer Art – von Anfang so geplant – in wenigen Stunden zu Ende gehen. Projektleiterin Jasmin Berghammer erklärt dazu: „Wir wollen in weiterer Folge gemeinsam mit Interessierten möglichst viele Erfahrungswerte sammeln.“
Ingrid, Stella und Astrid sind die ersten drei Mutigen, die sich auf das Experiment der Caritas einlassen wollten – ein gewagtes Experiment, wie sie heute wissen, jedoch mit vorläufigem Happy End.
„Es braucht schon einiges an Toleranz“, betont Ingrid, während sie die Lasagne mit großartiger Geste ins Backrohr schiebt. „Ich meine, wir haben ja alle drei schon ein Leben hinter uns.“
Sie selbst ist erst 2019 – „der Arbeit wegen“ – von Südtirol nach Wien übersiedelt. Anders als die Mitbewohnerinnen in ihrer WG bezieht sie keine Pension, womit sie schon einmal gefordert ist, sich ihren Tag und ihre freie Zeit anders einzuteilen. So kann sie heute Abend dem Verkosten ihrer überzeugenden Lasagne nicht beiwohnen, weil sie eine befreundete Schauspielerin zu deren Premiere in ein Innenstadt-Café eingeladen hat.
Bevor sie aufbricht, bekräftigt sie noch, dass sie ihre Zusage, die WG der Caritas zu testen, insgesamt nicht bereut: „Diese Wohnung ist schön, die Damen sind super.“
Ebenso sieht das Stella, die jüngste WG-Bewohnerin: „Mir hat das persönlich sehr gutgetan, wenn ich etwa am Donnerstagabend nach der Wirbelsäulengymnastik die Tür aufgesperrt habe – und es war jemand da, mit dem ich noch reden konnte.“
Die 63-jährige Wienerin, die sich auch ehrenamtlich bei der Caritas engagiert, wohnt in einer 39 m2 großen Gemeindebauwohnung. „Es gab Tage in der Covid-Zeit, da ist mir die Decke zu Hause auf den Kopf gefallen.“ An so einem Tag hat sie von der WG Melange erstmals gehört.
Den schönsten Moment in der in Kürze abgelaufenen Probezeit beschreibt sie dann beim Auftragen der Lasagne: „Als ich Käsenudeln gekocht habe – und ich dafür gelobt wurde.“ In ihrer Wohnung in Margareten kann sie nur eine loben: „Ich mich selbst.“
In Mitbewohnerin Astrid, die ihre Wohnung in Garmisch-Partenkirchen für ein Monat verlassen hat, um in Wien WG-Luft zu schnuppern, hat sie darüber hinaus auch eine Wesensverwandte gefunden. Die Pensionistinnen haben viel unternommen: „Ja, wir waren gemeinsam in Museen, wandern, essen.“ Auch für Astrid, die ursprünglich aus Essen im Ruhrgebiet stammt, ist das Experiment in Wien am Ende gut gelungen: „Wir mussten schon lernen, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Doch da gab es eigentlich nur kleinere Reibereien.“
Wenn zum Beispiel die Küchenkastln zu laut knallen, dann mache es der Ton aus, wie man um Ruhe bittet. Eine wie die weltgewandte Astrid hat diesen Ton getroffen.
Vor allzu romantischen Erwartungen wollen die drei WG-Pionierinnen allerdings warnen: „Jeden Abend gemeinsam kochen und dann gemütlich zusammensitzen, das spielt es nicht.“ Auch hat sich gezeigt, dass es viel mehr Zeit benötigt, bevor man mit anderen Menschen Küche, Bad, Klo teilt. Dennoch bleiben sie dabei: „Gemeinsam ist angenehmer als einsam.“
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