Jetzt kommt die Kritik aus den eigenen Reihen, von einer Autorin mit Jahrgang 1994, die schon länger als „Stimme ihrer Generation“ bezeichnet wird. Nachdem Sophie Passmann vor zwei Jahren in ihrem ersten Buch über „Alte, weiße Männer“ schrieb, wendet sie sich nun ihrer eigenen Altersklasse – den Millennials – zu. Ihr soeben erschienenes Nachfolgewerk „Komplett Gänsehaut“ (Kiepenheuer & Witsch, 19,90 Euro) wurde nach einem typischen Begeisterungsausdruck hipper (deutscher) Mittzwanziger benannt und behandelt auf knapp zweihundert Seiten deren Lebensgefühl zwischen Quarterlife-Krise und Erwachsenwerden.
Dabei, gibt Passmann zu, handelt es sich nicht um die Studie einer ganzen Generation, sondern einer Klasse, der sie selbst angehört. Junge Menschen – die privilegierten Töchter und Söhne jener weißer Männer, die sie in ihrem vorigen Buch beschrieben hat –, die in sanierten Altbauwohnungen leben, am Wochenende Pizzen mit karamellisierten Walnüssen essen und zu viel Zeit damit verbringen, auf Netflix die nächste Serie auszusuchen, während sie über die Vielzahl an Möglichkeiten klagen, die ihnen offenstehen. Sie zeichnet das Bild von erstaunlich verspießerten Vertretern eines modernen Bürgertums, die nie rebelliert haben und sich vorwiegend über Konsumentscheidungen definieren. Die bei Fernsehbeiträgen über Flüchtlingslager feuchte Augen bekommen, selbst aber im gepflegten Großstadtviertel wohnen, wo die „Kinder so aussehen wie die kleine Mathilda, die man später selber bekommen wird“.
Überhaupt spielt Wohnen eine große Rolle im von Passmann beschriebenen Millennial-Lifestyle. Dass sie nur wenig bis gar nicht überzeichnet, beweist ein Blick auf Instagram, dem virtuellen Bilderbuch junger Erwachsener. Im Eck steht der Plattenspieler, für den man eigentlich zu jung ist, auf dem Fensterbrett die Steinvase aus Kopenhagen, an der Wand hängt die Helmut-Newton-Fotografie.
Passmann, Feministin und SPD-Mitglied, spart nicht mit Kritik: „Größtes Missverständnis ist, dass es eine gesamtgenerationelle Erfahrung sei, zu wissen, wie schwer es ist, eine Wohnung zu finden, dabei meinen ich und meine Freunde ja nur, wie schwer es ist, etwas Schönes zu finden, das bezahlbar ist, und die, um die es geht, meinen, dass es schwer ist, etwas Bezahlbares zu finden“, schreibt sie. Als Millennial kann man da nicht anders, als sich ein kleines bisschen ertappt zu fühlen.
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