„Kein Ägyptologe kam bisher auf die Idee, über die Gerüche im Alten Ägypten zu forschen“, sagt sie und mutmaßt: „Über Gestank redet man ja nicht so gerne, vor allem als Wissenschafter, denn dann kommt man als unseriös rüber“. Heute gehört sie zu den Pionieren des neuen Forschungsgebietes „Geruchslandschaften“. Goldsmith interessiert sich für Tempel, Gärten, Gräber und den Duft der Liebe. „Man fokussiert sich an bestimmten Orten nicht auf das, was man sieht, sondern das, was man riecht“, erklärt sie.
Dazu durchkämmt sie uralte Schriften auf der Suche nach Hinweisen: „xnm bedeutet riechen, bhd Räucherwerk verbrennen, id.t Parfum, sTi nTr (ausgesprochen setschi netscher) ist der göttlichen Duft“. Goldsmith hat mittlerweile alle Wörter, die mit Duft zu tun haben, in eine Datenbank eingespeist. Danach hat sie alle Bücher mit Blick darauf durchforstet, um herauszufinden, welche Texte für ihre Forschung relevant sind. Dabei wurde immer klarer: „Für die Alten Ägypter waren Düfte wichtiger Teil ihres Glaubenssystems.“
Workshops
Mittlerweile gibt die Ägyptologin Workshops zu den Gerüchen des Alten Ägypten, und eine interessierte Laienschar aus aller Welt hat sich an einem Sonntagabend vor dem Bildschirm versammelt. Goldsmith zeigt den Grundriss des Tempels von Edfu.
An den Wänden dort fand sich das Rezept eines der wichtigen Öle – „Hknw“ (Freude) – eingemeißelt. Goldsmith: „Zum täglichen Tempelritual gehörte es, die Statuen damit einzureiben.“ Und weiter: „Der Duft war genauso wichtig wie die Architektur. Hier im heiligen Bezirk hatte nur der König Zutritt, und seine tägliche Aufgabe bestand darin, dafür zu sorgen, dass die Götter sich wohlfühlen und anwesend sind.“ Dazu wurde gesalbt, parfümiert, geräuchert, geopfert, gekocht und gegrillt, was das Zeug hielt. Nur das Beste war gut genug. „Der Tempel spiegelte die Realität – Natur, Wasser, Himmel, alles sollte so wie draußen sein. Nur perfekt“, erklärt die Ägyptologin.
Ägypter und Götter lieben Fleisch
Im Workshop trägt Goldsmith Duft-Texte vor: „Je fetter das Fleisch war, das im Tempel auf den Grill kam, desto mehr Rauch entwickelte sich. Für die Ägypter war das ein wundervoller Geruch. Und für die Götter auch. Der Fleischgeruch war ein Zeichen für Frieden.“ Wir lernen also: Alte Ägypter liebten Fleischgeruch. Aber ja keinen Fisch. Wer je Fisch gegessen hatte, durfte niemals Priester werden und die perfekte Welt des Tempels betreten. Konsequenterweise steht die Hieroglyphe Fisch für den Gestank schlechthin – und für das Böse.
Jeder Duft war ein Symbol für irgendetwas, ist Goldsmith überzeugt. Allen gemeinsam: Sie sollten die Götter in den Tempel locken. Dann zog das olfaktorische Sammelsurium Richtung Himmel, war also überall. Damit waren auch die Götter überall. Das war wichtig, nur so konnte es Frieden in Ägypten geben.
Mittlerweile hat Goldsmith auch den Duft der Einbalsamierung rekonstruiert. „Flechte, Sägespäne von Koniferen, Wacholderbeeren, Selleriesamen und Harze dominieren, dazu ein Unterton von etwas ganz, ganz Altem. Riecht sehr gut und sauber.“
Düfte seien omnipräsent gewesen: „Tempel, Privathäuser, Straßen, Werkstätten, Nekropolen: Alles hatte einen sehr charakteristischen Geruch. Auch die Menschen nutzten meist mehrere starke Parfüms gleichzeitig“. Duftende Perücken und geräucherte Kleider trafen auf gesalbte Körper.
„Geruchsforscher haben mittlerweile herausgefunden, dass sich überall im menschlichen Körper Geruchsrezeptoren befinden, auch in der Haut.“ Essenzen lösen körperliche Reaktionen aus. „Das wussten bereits die Alten Ägypter: ,Der Duft erfüllt deinen Körper‘“, heißt es im Tempel von Dendera. Sie waren es auch, die als Erste erkannten, dass wir mit der Nase essen. Der Geruch war wichtiger als das Schmecken“, denkt die Forscherin.
Apropos Schmecken
Bleibt noch, aufzuklären, was mit all dem Zeug passierte, das Tag für Tag in die Tempel gekarrt und den Göttern vorgesetzt wurde. Goldsmith hat eine Vermutung: „Die Priester haben es verdrückt.“ Das durfte aber nicht niedergeschrieben und publik werden, hieße das doch, dass die Götter nicht existieren.
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