Auch am anderen Ende der Welt fiebern Kinder – ungeachtet der Pandemie – dem angeblichen Überbringer von bunten Ostereiern, Süßigkeiten und Spielsachen entgegen, welche sie traditionell am
Ostersonntag im Garten suchen. Dabei musste sich der
Hase gegen einen halben Zoo durchsetzen, ehe er zum weltweiten Symbol des Osterfests avancierte: In weiten Teilen Europas galten Fuchs, Storch oder Kuckuck bis ins 19. Jahrhundert hinein als Gabenbringer. Es ist der Industrialisierung der Schokoladenherstellung zu verdanken, dass sich der Hase schließlich durchsetzte, erläutert die Ethnologin und Brauchtumsforscherin Helga Maria Wolf: „Das Schenken von Schokoladehasen und Zuckereiern war ein Brauch der städtisch-bürgerlichen Oberschicht. Er entsprach jener Familienkultur, die auch das Christkind mit seinem Baum erfand – Landkindern hätte man nicht weismachen können, dass ein Hase Eier legt.“
Aber warum überhaupt – der Hase? Eine wesentliche Rolle spielt seine ausgeprägte Fruchtbarkeit, mehrmals pro Jahr kommen bis zu fünfzehn Hasen-Junge zur Welt (weshalb das Wort Rammler, die Bezeichnung für männliche Hasen, heute abwertend für sexuell sehr aktive Männer gebraucht wird).
„Im Physiologus, dem ältesten und am weitesten verbreiteten Tierbuch des Mittelalters, gilt der Hase als Symbol des Mondes, damit des Werdens und Vergehens.
Ostern fällt ja immer auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond“, erklärt
Wolf weitere Bedeutungen des Langohrs. Auch im religiösen Kontext: „Als Fluchttiere schlafen Hasen mit offenen oder halb geschlossenen Augen, was sich christlich als Tugend der Wachsamkeit interpretieren ließ. Der flüchtende Hase wird zum Sinnbild der Christen, die sich vor dem Teufel retten.“
Erstmalig schriftlich erwähnt wurde der Osterhase im Jahr 1682 vom Heidelberger Medizinprofessor Georg Franck von
Frankenau bzw. dessen Studenten Johannes Richier. In seiner Abhandlung „De ovis paschalibus – von Oster-Eiern“ kritisierte er die gesundheitlichen Schäden, die durch den Genuss von „Haseneiern“ entstünden. Dass der Osterhase die Eier verstecke, sei „eine Fabel, die man Einfältigen und Kindern aufbindet“.
Wie aber kam das Säugetier Hase ausgerechnet zu Eiern? Der Brauch, zu Frühlingsbeginn bunt bemalte Eier zu verspeisen, ist mehrere tausend Jahre alt. Um 1700 entwickelte sich die Tradition des Ostereiersuchens, weil sich in der Fastenzeit viele Eier angesammelt hatten, die nun verwertet werden mussten.
„Eier sind ein Symbol für Fruchtbarkeit und Auferstehung, gemeinsam mit Salz und Mehl zählen sie zu den drei ’weißen Gaben’, die Leben bedeuten“, erklärt Ethnologin Wolf. Nicht immer wurden sie freiwillig abgeliefert, manchmal dienten sie als Naturalabgabe für Grundbesitzer, Pfarrer oder Lehrer. „In der Biedermeierzeit steckte man Spruchbänder, die sich aufrollen ließen, in ausgeblasene Ostereier“, sagt Wolf. „Solche Sprüche lauteten etwa ,Aus lauter Lieb und Treu schenk ich Dir dies Osterei’.“
Aber zurück zum Osterhasen, der heuer seine Dienste am Höhepunkt der Pandemie verrichten muss. Die Konsequenzen? Medial wird er nun mit Mundschutz dargestellt, Konditoreien verschenken Schokoeier an Kinder- und Altersheime, der Kinostart des deutschen Films „Peter Hase 2“ wurde wegen der Ausgangsbeschränkungen vorerst auf August verschoben.
Ob es der Osterhase mit seinen Nestern heuer in die privaten Gärten schafft, bleibt den Eltern überlassen. Um die Wartezeit zu verkürzen, könnten Kinder jedenfalls den Rat der neuseeländischen Regierungschefin befolgen.
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