Zuvor hat Lina Hafaiedh eine Neue Mittelschule in Wien 10 besucht und dort als Schulsprecherin sehr früh in ihrem Leben Verantwortung für andere übernommen. Auf den Schulversuch aufmerksam wurde sie durch eine Mentorin der privaten Hilfsorganisation Sindbad.
Neben dem klassischen Wissen, das in der Oberstufe eines Gymnasiums vermittelt wird, lernen die Schüler bereits im ersten Schuljahr für den Pflegeberuf.
Noch ist es wohl zu früh in ihrer Ausbildung, doch Lina Hafaiedh kann sich gut vorstellen, nach der Matura als Pflegefachassistentin zu beginnen und sich damit auch ihr Studium zu finanzieren. Auf diesen Vorteil verweist auch Barbara Fritz, Direktorin der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege in der Schlachthausgasse: „Der Schulversuch ist ein Gewinn für die jungen Leute. Sie können in die Pflege gehen oder aber zu studieren beginnen.“
Erwachsene Menschen
Noch etwas spricht für die neue Ausbildung. Schülerin Hafaiedh erklärt das so: „Es herrscht hier eine angenehme Lernatmosphäre. Die Lehrer stressen nicht. Im Gegenteil. Sie behandeln uns wie erwachsene Menschen.“
Ähnlich zufrieden zeigt sich ihre Mitschülerin Solmaz Ahmadzada. Sie hat zuvor die Unterstufe des Gymnasiums in der nahe gelegenen Hagenmüllergasse besucht. Schnell habe auch ihre Mutter, die sie eigentlich im Kindergarten arbeiten sehen wollte, festgestellt, dass das Angebot „Pflege mit Matura“ sehr gut zum Wesen ihrer Tochter passt. Die 16-Jährige sagt: „Derzeit ist es mein Ziel, in einer Geburtenstation mit Neugeborenen zu arbeiten. Aber wer weiß, ich bin auch für alle anderen Angebote offen.“
Im ersten Schuljahr wird ein Tag pro Woche auf die Pflege eingegangen, im zweiten Jahr beginnt die Ausbildung zur Pflegefachassistentin, und ab dem dritten Schuljahr, und somit ab dem 17. Geburtstag, dürfen (auch rechtlich gedeckt) die ersten Praktika in sozialen Einrichtungen absolviert werden. Das Spektrum der akuten und der Langzeit-Praktika reicht von Stationen in Krankenhäusern über Wohnhäuser für Senioren und Seniorinnen bis hin zur Hauskrankenpflege.
Solmaz Ahmadzada kann sich gut vorstellen, nach der Matura mit der Bachelor-Ausbildung zur Pflegerin fortzusetzen. Auch das Studium der Medizin ist für sie eine Option: Einiges, was dort vermittelt wird, lernt sie bereits in der Schule.
Voll akzeptiert
Positiv sind die Reaktionen, die beide Schülerinnen von ihren Familien und ihren Freunden vernommen haben. „Meine Eltern sind begeistert. Mein Vater wollte auch einmal in die Pflege“, freut sich Lina Hafaiedh. In ihrem erweiterten Familienkreis gibt es gleich drei Pfleger und zwei Ärztinnen. Nicht nur bei ihnen ist die Wahl dieser Ausbildung voll akzeptiert.
Solmaz Ahmadzada freut sich wiederum, dass ihr auch ihre Freunde Respekt für ihre Ausbildung entgegenbringen: „Die meisten finden das cool.“ Sie alle wüssten, dass die Pflege heute viel mehr ist als nur das Duschen und Waschen von alten Menschen.
Der Schulversuch wird nicht nur in Wien angeboten (siehe oben). Wenn Lina und Solmaz maturieren, wird er evaluiert. Eine Beendigung wäre mehr als überraschend.
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