Neue Tradition zum Muttertag: Was sich Frauen wirklich wünschen
Muttertag empfinden viele als schlechten Deal: 364 Tage im Jahr stöhnen sie unter der Doppel- oder sogar Mehrfachbelastung und an einem Tag bekommen sie Blumen und Gedichte – und alles soll gut sein. So ging das vielleicht früher, aber moderne Mütter verlangen mehr, weiß Andrea Schöniger von der Plattform Babymamas: „Ich will, dass man das ganze Jahr meine Leistung anerkennt – und am Muttertag hätte ich am liebsten nur meine Ruhe.“
Vielen Frauen geht es nach dem Corona-Jahr mit gefühlten 10.000 Tagen Familienarbeit ähnlich: Das beste Geschenk wäre eine Auszeit. Eine Nacht im Hotel, ein Nachmittag außer Haus oder auch nur ein paar Stunden abseits der Mutterrolle. „Eigentlich würde es sich anbieten, eine neue Muttertagstradition zu beginnen: Dass man ohne schlechtes Gewissen Zeit ohne Familie verbringt“, findet Schöniger.
Es ist durchaus Zeit, den Muttertag vom Lobgesang auf die tägliche Aufopferung zu befreien und zu seinen politischen Ursprüngen zurückzukehren (siehe Faktencheck unten). Der Rückschritt der Frauen in längst überholte Rollenbilder während der Pandemie liegt vielen im Magen, weiß die Mutter von zwei Schulkindern und einem Kindergartenkind: „Wie wir da wieder herauskommen, weiß ich noch nicht. Nach der Corona-Zeit müssen Frauen noch deutlicher sagen, was sie wollen: arbeiten, anerkannt werden, eine Auszeit nehmen. Das schaffen viele nicht.“
Ehrlichkeit sei gefragt, so Schöniger: „Es gibt ein Frauenbild, dem Mütter kaum gerecht werden können. Aber wenn Corona eines gebracht hat, dann ist das die Offenheit zu sagen, dass man überfordert ist. Weil alle an ihre Grenzen stoßen.“
Sie stellt derzeit mehr Solidarität unter den Frauen fest: „Ich habe mich selbst mit Müttern aus dem Kindergarten abgewechselt und gesagt: ,Kann mein Kind bitte noch bei dir bleiben?’“
Echte Entlastung
Der Muttertag ist lange nicht so politisch wie der Frauentag am 8. März oder der Equal Pay Day, der im Februar auf die ungerechte Bezahlung von Frauen aufmerksam macht. Doch statt weiter die Mütterlichkeit zu feiern, könnte am Muttertag mit Klischees gebrochen werden. „Echte Entlastung neben Blumen zum Muttertag“, forderte etwa Margarete Kriz-Zwittkovits von der Initiative Frau in der Wirtschaft.
Neben traditionellen Geschenken wie Blumen, Süßigkeiten oder Parfüm – so eine aktuelle Umfrage in Wien – würde heuer ein Hotelgutschein für die Zeit nach dem Lockdown besser ankommen. „Natürlich hat jeder andere Möglichkeiten – und mit Großeltern in der Nähe kann man leichter eine Auszeit organisieren“, weiß Schöniger von ihren Babymamas.
„Aber man kann Kinder beim Babysitter lassen oder mit knapper Kasse bei Familienhelferinnen. Oder die Verantwortung dem Partner übergeben. Kinder sind beim Vater gut aufgehoben, auch wenn es anders läuft als sonst. Mütter müssen mehr loslassen.“
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KURIER Family mit Andrea Schöniger
Manche Frauen wollen den zweiten Sonntag im Mai nicht feiern, weil sie den Hintergrund ablehnen. Sie denken, die Nazis hätten den Tag eingeführt. Andere verweigern, weil er aus kommerziellen Gründen eingerichtet worden sein soll. Beide liegen nicht ganz richtig.
Der Muttertag geht auf die US-Amerikanerin Ann Marie Reeves Jarvis zurück. Mitte des 19. Jahrhunderts war sie eine Pionierin im Kampf gegen Kindersterblichkeit und engagierte sich in der Gesundheitsförderung für Frauen. Nach ihrem Tod initiierte ihre Tochter Anna am 12. Mai 1907 erstmals einen Gedenkgottesdienst im Andenken an ihr Engagement und verschenkte 500 ihrer Lieblingsblumen.
Die Idee gab es lange vorher: Bei Frühlingsfesten huldigten die alten Griechen der Göttin der Erde und Fruchtbarkeit.
In Österreich gilt die Begründerin der Frauenbewegung, Marianne Hainisch, als Initiatorin des Muttertags, für den sie sich zusammen mit der Pfadfinderbewegung engagierte. Er wurde im Jahr 1924 eingeführt, als ihr Sohn Michael gerade Bundespräsident war.
In der Schweiz und in Deutschland machten sich in den 1920er-Jahren vor allem die Blumenhändler für den Muttertag stark.
Tatsächlich nutzten die Nazis den Tag, um ihr konservatives Mutterbild zu verherrlichen: 1933 wurde er zu einem offiziellen Feiertag und Gelegenheit für die Zeremonie der „Mütterweihen“ für kinderreiche Frauen.
Die DDR entschied sich nach dem Krieg, den Muttertag stattdessen am 8. März, dem Internationalen Frauentag, zu feiern. Und besann sich damit eigentlich wieder auf seinen politischen Ursprung.
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