Tomaschek ist eine von zehn Seniorinnen und Senioren, die der Autor dieser Zeilen beim Schreiben ihrer Handy-Beziehungs-Geschichten anleiten durfte. Andere Teilnehmer des gemeinsamen Schreib-Workshops im Wiener Seniorencolleg bezeichneten ihr smartes Telefon als „Vifzack“, „Wundergerät“, „Zauberkasten“, „Freundin“ und sogar „Kind“.
Ihre Texte erscheinen in diesen Tagen als kleine Anthologie in einem schmalen Buch mit dem Titel: Wie wir Oldies wischen ;-) Eine Generation lernt Handy.
Doch keine Angst! Wer jetzt vermutet, die neun Damen und der eine Herr, alle bereits im Ruhestand, würden sich in reiner Schönfärberei und Danksagung für den Mobilfunk üben, dem darf versichert werden: Es gibt auch Kapitel, die mit „Mein Segen und Fluch“ oder „Meine Zores“ betitelt wurden.
Buchstäblich zum Zerkugeln sind die Bekenntnisse vom gelernten Hafner im Ruhestand, Oswald Miksch. Der Mann ist vitale 92, kann sich somit noch sehr genau an den Bürgerkrieg im Februar 1934 erinnern und ist als Obmann des Freudenauer Kulturvereins scharfzüngig und gleichzeitig gelassen wie eh und je.
Schon seine Entscheidung, sich ein Wisch-Telefon zuzulegen, beschreibt er mit Augenzwinkern: „In der U2 war nur mehr ein Platz frei, ich setzte mich auf diesen. Meine sieben Sitznachbarn hatten alle ein Handy und wischten nach links und nach rechts. Da beschloss ich, mir auch eines zuzulegen.“
Es kam, wie es kommen musste: „Nun begannen die Zores! Ganz ruhig, ohne Aufregung bin ich Schritt für Schritt alles durchgegangen. Und nach ein paar Stunden hatte ich alles durcheinandergebracht.“
Ingrid Thyringer, zehn Jahre jünger als „der Ossi“, beschreibt detailliert, wie sie ihr neues Wundergerät auf der Fahrt zum IKEA Nord zu den Heurigen auf den Bisamberg navigiert hat. Da kommt Freude auf! Weniger wohl bei ihrem Mann als bei jenen Menschen, die ebenso da und dort von ihrem Handy in die Irre geführt werden.
Die ehemalige Staatsopernsängerin nimmt es in ihrem Beitrag nicht allzu tragisch, indem sie sich an einen Trost ihrer Freundin erinnert: „Tu dir nichts an, schließlich ist das nur ein Handy und kein Herzschrittmacher.“
Die großen und die kleinen Pannen, die en passant passieren, waren in den Berichten der Oldies erwartbar, die Dankbarkeit über all die Hilfestellungen im Alltag schon weniger. Demnach hilft das Smartphone jener Generation, die noch mit dem Vierteltelefon aufgewachsen ist: bei Bankgeschäften, im Umgang mit Behörden, bei der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Kreuzworträtseln, vor allem aber beim Kontakthalten mit der eigenen Familie.
Christa Barbanek, viele Jahre lang Wirtin im Gasthaus ihrer Familie in Simmering, notiert dazu: „Zu Beginn der Corona-Zeit haben meine Freunde und ich eine eigene WhatsApp-Gemeinschaft ins Leben gerufen. An jedem Morgen melden wir uns mit netten Worten oder Sprüchen. Heute kann ich sagen, dass sich die Welt für mich nach außen geöffnet hat. Dieses tägliche kleine Ritual gibt mir auch eine Sicherheit, denn wir sind viele Menschen, die alleine leben.“
Eine Schreiberin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, wundert sich über all die Lebensgeschichten, die sie in öffentlichen Verkehrsmitteln mitanhören muss. Ihre Beobachtung veranlasst sie zu der Frage: „Was haben die Leute dann noch zu Hause mit ihren Partnern zu besprechen?“
Christine Schaaf, die bis zur ihrer Pension in einem Seniorenheim tätig war, „beunruhigt, dass ich keine Telefonnummer mehr im Kopf habe. Doch ich weiß schon, was ich machen muss: Ich schalte dich jetzt ab und lerne meine Kontaktnummer auswendig, wie in alten Zeiten.“
Irgendwann hatte auch Oswald Miksch genug – und wollte einfach nichts mehr aufschreiben. Daher lässt er seinen Text mit folgenden Worten enden: „Ich muss jetzt Schluss machen, mein Akku ist leer. Ha-ha-ha-ha!“
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