Keine Frage des Geldes
Das Interview zeige, dass Depressionen nichts mit Status, Aussehen oder Wohlstand zu tun haben, sagt Kerstin Jäger, Psychologin bei der Online-Plattform Instahelp. Auch Michelle Obama berichtete kürzlich von ihrer leichten Depression während der Pandemie. "Psychische Belastung entsteht, wenn wir uns in Problemsituationen befinden, die wir mit unseren Ressourcen nicht lösen können. Das können finanzielle Sorgen sein, aber genauso familiäre Krisen, überhöhte Erwartungen, gesellschaftlicher Druck oder chronischer Stress", erklärt die Expertin. "Oft stellen wir uns das Leben von Berühmtheiten schön vor, weil wir nur den Glanz und das Geld sehen – dahinter befinden sich aber normale Menschen mit gewöhnlichen Bedürfnissen, die unter einem immensen sozialen Druck stehen."
Dass sich seelische Abgründe oft hinter lächelnden Gesichtern verbergen, zeigt auch eine neue Social-Media-Aktion, die nach Ausstrahlung des royalen Interviews Fahrt aufgenommen hat. Unter dem Hashtag #FaceTheDepression teilen Twitter-Nutzer Fotos aus Zeiten, in denen sie psychisch am Boden waren, nicht mehr leben wollten. "Das Bild entstand inmitten meiner ersten depressiven Episode vor 10 Jahren", schreibt Userin Marelie zu einem Foto, das sie als strahlende junge Frau im Kapuzenpulli zeigt. "Man kann die Depression verstecken. Aber sie ist da." Eine Userin, die sich Sommerfrau nennt, schreibt zu ihrem Selfie: "So kann eine Frau aussehen, die jeden Morgen überlegt, ob sie in den Zug steigt – oder doch aufs Gleis geht. Weil alles zu viel ist, der überfordernde Job, die Probleme der Kinder, die Ehe." Die Beiträge erzählen aber auch von Hoffnung und der Wichtigkeit, sich jemandem anzuvertrauen.
Der Diana-Effekt
Als Meghan 2019 eine Premiere in der Royal Albert Hall besuchte (siehe li.), schwanger und strahlend schön im dunklen Glitzerkleid, war ebenfalls nicht sichtbar, dass sie Verzweiflung und Suizidgedanken plagten. Nach ihrem "Outing" könnte sich nun der "Diana-Effekt" wiederholen: Als die Prinzessin 1995 ihre Bulimie publik machte, nahmen mehr Frauen Beratungsangebote für Essstörungen in Anspruch.
Meghans Einfluss zeigte sich bereits im Herbst, als sie über ihre Fehlgeburt schrieb und danach viele Frauen im Netz eigene schmerzhafte Erfahrungen teilten. Nun könnten vor allem Women of Colour ermutigt werden, die Rassismuserfahrungen in der "Schwiegerfamilie" gemacht haben. "Im besten Fall wird ein offener Diskurs möglich und das Tabu über mentale Gesundheit gebrochen", sagt Jäger. Für Frauen, die in toxischen Verhältnissen gefangen sind, sei der wichtigste Schritt, wie Meghan ihre Stimme zu erheben und zu ihren Bedürfnissen zu stehen. "Innerhalb der Familie stehen wir häufig unter Druck, da nicht selten Erwartungen an Mitglieder gerichtet werden, die mit den eigenen Wertvorstellungen nicht übereinstimmen." In so einer Situation brauche es einen objektiven Rat oder professionelle Begleitung. "Nur so kann man toxische Beziehungsmuster aufdecken und zu einem selbstbestimmten Leben finden."
Kommentare