Manche mögen's wild! Die Stories hinter dem Wildlife Photography Award
"Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose“ heißt es in dem bekannten Sprachexperiment von Gertrude Stein. Bei einem Foto verhält sich das total anders. Da gibt es den Zufallstreffer, den arrangierten Aufreger und die von langer Hand geplante Komposition. Im Fall von Sergey Gorshkov sogar von sehr langer Hand.
„Zähle ich es zusammen“, meint der Tierfotograf aus Sibirien, „stecken in dieser Aufnahme elf Monate Arbeit.“ Diese Aufnahme wurde jüngst beim prestigeträchtigen Wildlife Photography Award in London als beste Tierfotografie des Jahres ausgezeichnet. Sie zeigt geradezu Unfassbares, einen Tiger, der sich an einen Baum schmiegt. Etwas also, das in der freien Natur sicher nicht alle Tage vorkommt. Seltener noch wird ein Mensch, geschweige denn ein Fotograf mit einem Finger akkurat auf dem Auslöser, Zeuge dieser Begegnung der pelzigen Art.
Gospodin Gorshkov ist ein Bär von einem Mann. Früher war er Großwildjäge, seit mehr als einem Jahrzehnt jagt der Autodidakt aus der Tundra und mehrfach preisgekrönte Naturfotograf nur mehr spektakulären Schüssen mit seiner Nikon nach. Bei jedem Wetter und unter allen nur denkbar widrigen Umständen.
Kamera statt Kanone
Sergey harrt stundenlang, ja, oft tagelang bei Kälte, Hitze, Frost, Hunger, Durst und Dunkelheit in der Wildnis aus, um wilde Tiere aufzuspüren. In dem Fall des nun prämierten Bildes war es zwar eine versteckt platzierte Wildkamera, der diese Aufnahme zu verdanken ist. Aber auch die muss erst von einem kundigen Tierfreund genau so platziert werden, dass sie nicht ins Leere schießt.
Was aber hat einen Hobbyjäger mit einem Hang zu Abenteuern zu einem geradezu fanatischen Wildnis-Fotografen gemacht?
"Ich nahm in Afrika an einer Safari teil", erzählt Sergey, "als ich plötzlich ich Fadenkreuz des Zielfernrohres einen Leoparden sah. Dessen geschmeidige Bewegungen haben mich so fasziniert, dass ich einfach nicht abdrücken konnte und das Gewehr mit der Kamera tauschte. Für immer.“
Der Lohn für diese Leidenschaft ist karg. Denn außer von Fotohonoraren lebt Sergey nur von der Hoffnung, bei einem internationalen Wettbewerb groß abzuräumen
Man muss genau hinschauen, um den Witz dieses Fotos zu erkennen. Sam Sloss war mit seinen Eltern auf Tauchurlaub in Indonesien, als ihm dieser Clownfisch vor die Linse schwamm. Wird der „Fängt Nemo“-Fisch hier festgehalten? Nein, er ist mit einer Amöbe am Meeresboden zusammengewachsen. Für das Einfangen dieser Kuriosität gab’s den „Wildlife Photographer of the Year“-Preis in der Altersgruppe von 11 bis 14 Jahren.
Was für den Nachwuchs beliebter Zeitvertreib, artet bei den Erwachsenen oft in einen Full-Time-Job aus. Mit Downs und Ups: Bei der jüngst in London abgehaltenen „Wildlife Photographer of the Year“-Gala war das Glück voll auf Sergeys Seite. Nicht nur, dass mit Kate Middleton die künftige Königin von England allen Gewinnern gratulierte, zog er unter den Tausenden Teilnehmern das große Los. Das Preisgeld betrug umgerechnet 13.500 Euro.Nicht schlecht, aber es stecken, wie erwähnt, auch elf Monate Arbeit in dem Foto vom Tiger mit Bruder Baum.
Nicht das erste Mal, dass der Mann aus Sibirien mit dem Hauptgewinn bedacht wurde. Und sicher nicht das letzte Mal. „Im Moment bereite ich die nächste Expedition vor“, sagt er. Dass die Reisemöglichkeiten nach wie vor eingeschränkt sind, stört ihn nicht. Sibirien ist riesig. Und neben dem vom Aussterben bedrohten Sibirischen Tiger leben dort auch jede Menge Bären, Füchse und Wölfe, die nichts dagegen haben, als Fotomodell zu posieren.
6.800 km weiter südlich
Neben Sibirien ist Borneo, die Heimat von Orang-Utans, ein weiterer Hotspot für Naturfotografen. Mehr als 6.800 Kilometer entfernt von Sergey Gorshkov gelang dem Dänen Mogens Trolle das Siegerfoto in der Kategorie „Tierporträt“. Den Vogel abgeschossen hat der studierte Zoologe mit einer Aufnahme eines Nasenaffen, der, von der Seite betrachtet, einem anderen Lebewesen frappierend ähnlich sieht – dem Menschen.
Manche Indonesier nennen dieses Tier aus diesem Grund „Holländer-Affe“. Beeinflusst derartiges Wissen den Wissenschafter bei der Wahl seiner Motive? „Als Zoologe gehe ich nach einer bestimmten Methodologie vor, als Naturfotograf suche ich bei den Porträts von Affen nach einem gewissen Ausdruck und einer Seele“, antwortet Trolle diplomatisch.
Die den Languren verwandten Nasenaffen gelten als stark gefährdet. Wie viele Aufnahmen von bedrohten Tieren müssen gemacht werden, um diesen zu helfen?
Mogens Trolle: „Schwer zu sagen. Die ernüchternde Antwort ist: Selbst die besten Fotos können gefährdeten Tierarten nicht helfen. Aber sie können für das Bewusstsein sorgen, dass sie unsere Hilfe benötigen.“
Natürlich lebt ein Bewerb wie dieser auch von den exotischen Schauplätzen. Dass es daran im kommenden Jahr mangeln wird, braucht man nicht zu fürchten. Nicht alle Fotografen reisen Tausende Kilometer zu ihren Motiven. Gabriel Eisenband wanderte einfach in die Berge seiner Heimat Kolumbien. Dort wurde er vom Street Photographer zum Naturfotografen: „Weil ich meinen Freunden zeigen wollte, was es dort zu entdecken gibt.“
Eine Übung, die gelungen ist.
Liebe geht auch in der Tierwelt durch den Magen. Alberto Fantoni fing auf der Insel San Pietro vor Sardinien den Moment ein, als ein Falke seine brütende Partnerin fütterte. Für dieses labende Geschenk aus dem Himmel gab es von der Jury den „Rising Star Portfolio Award“.
Kommentare