Die 29-jährige Frau mit den langen, roten Haaren und dem herzlichen Lachen kam mit einer Nasen-Lippen-Spalte zur Welt: Weil ihre Mutter während der Schwangerschaft erkrankte, konnte sich ihr Gesicht nicht wie bei anderen Babys entwickeln. Kurz nach der Geburt musste sie sich einer lebensrettenden Operation unterziehen, da sie nicht durch die Nase atmen konnte. Viele weitere, teilweise ästhetische, Eingriffe folgten.
„Meine Spalte“ nennt Brühl heute das, was ihr Gesicht so besonders und einzigartig macht. Die medizinischen Probleme, die die Fehlbildung verursachte, waren rasch unter Kontrolle, doch es dauerte viele Jahre, bis sie sich akzeptieren und als schön empfinden konnte. Wie ihr das gelang, beschreibt die Influencerin – mehr als 30.000 Menschen folgen ihr auf Instagram – in ihrer Biografie „Anders schön“.
Ihre Geschichte soll Frauen, die das Gefühl haben, nicht dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen, Mut machen, sagt Brühl zum KURIER. Im Gespräch wirkt sie gelöst und glücklich, erzählt über die Hochzeitsreise mit ihrem langjährigen Partner, von der sie soeben zurückgekehrt ist. Dass sie mit Ende 20 verheiratet sein würde, hätte sie in ihrer Schulzeit niemals gedacht.
„Ich war kein Mobbingopfer, ich habe es mir selbst schwer gemacht und alles, was schief ging, auf mein Aussehen bezogen. Ich fühlte mich als Teenager zweiter Klasse, als einzig Hässliche unter ganz vielen Schönen.“
Zwar hätten ihr ihre Eltern stets versichert, dass sie auch ohne symmetrisches Gesicht perfekt sei. „Aber ich dachte: Wenn das stimmt, warum finde ich mich auf keinem Plakat, in keiner Serie und keinem Film wieder? Erst später kam ich drauf, dass ich nicht die Einzige mit einer Gesichtsspalte bin und es ganz viele Frauen gibt, die von der Gesellschaft nicht als schön angesehen werden.“
Nicht erst seit dem Lockdown kämpfen viele junge Menschen mit ihrem Selbstbild: Die sozialen Medien haben ein eng gefasstes Bild von Schönheit in den Köpfen vieler Jugendlicher fest zementiert. Auch Brühl, die nach dem Abitur am technischen Gymnasium Maschinenbau studierte, haderte lange mit der einseitigen Darstellung von Attraktivität.
Bis sie ihren Mut zusammenfasste und dem Facebook-Aufruf einer bekannten Fotografin folgte. „Beim ersten Shooting war ich total nervös. Ich habe mich erstmals bewusst mit meinem für mich größten Manko auseinandergesetzt. Da habe ich gemerkt, wie viele falsche Glaubenssätze ich mit mir herumtrage – dass ich keineswegs hässlich bin und Ausstrahlung viel dazu beiträgt, ob man als schön wahrgenommen wird.“
Mit jedem Shooting und jedem Foto, das sie auf Instagram teilte, wurde Brühl selbstbewusster. Seitdem tritt sie im Netz – sie hat einen Podcast, illustriert Kinderbücher und bloggt – als Botschafterin für Selbstliebe auf. „Umgebt euch mit Vielfalt, sucht euch positive Rolemodels!“, rät sie. „Wenn es die großen Medien schon nicht tun, können wir uns selber darum kümmern, zum Beispiel in unserem Instagram-Feed (siehe unten).“
Falls das Selbstbewusstsein doch einmal ins Wanken gerät, notiert Brühl täglich eine Kleinigkeit, die sie an sich mag. So wie ihre Sommersprossen oder die braunen Sprenkel in ihren Augen. „Wenn man das jeden Tag macht, hat man 365 Gründe, sich selbst zu lieben.“
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