Männer leiden
Immerhin, Susi ist eine sehr geduldige Lehrerin. Genau genommen heißt sie Susanne Schmidt, aber Wolfgang (Kursteilnehmer Nr. 1) und Kursteilnehmer Nr. 2 dürfen Susi zu ihr sagen. Im Spiegelsaal des LaWie der Volkshochschule Landstraße kommt alles zum Vorschein. Auch der Bauchtanzkurs für Männer, den Susi dann ab 14. Oktober hält (siehe Einladung unten).
Susi kommt nicht aus dem Orient, sondern aus Wien 22. Ein Vorteil für Anfänger: Die über viele Jahrzehnte in den Büros des Okzidents antrainierte Verspanntheit ist ihr nicht fremd. Süß und irgendwie auch aufbauend ihr Trost für Männer, die mit ihrem starren Becken hadern: „Keine Sorge, es gibt auch patscherte Frauen.“
Nach 15 Kursminuten, die dem männlichen Selbstvertrauen nicht so ganz guttun, plötzlich ein erstes Mini-Erfolgserlebnis – in Ausübung eines sogenannten „Drops“: „Präsentier‘ deine Hüfte, hebe sie seitlich an und lass sie dann wieder fallen.“ Was für eine angenehme Bewegung, eine Wohltat, auch für den malträtierten Rücken. Gleich aus der Hüfte geschossen, voll des Adrenalins, ruft der soeben wach geküsste Neo-Bauchtänzer fast parolenhaft in den Spiegelsaal: „Orientalischer Tanz für alle – auf Krankenschein! Nie wieder Bandscheibenvorfall!“
Wenig Bauchgefühl
Dann allerdings der allererste „Shimmy“: Dabei soll die Hüfte isoliert von allen anderen Körperteilen inklusive Gehirn gekippt werden. Doch da kippt nur die Stimmung, und zwar in „Oh, Mann, warum tust du dir das an?“
Doch mit gezielten Fragen gelingt es dem Redakteur immer wieder, Atempausen für sich herauszuschlagen. In solchen Pausen ist zu erfahren, dass Susi seit mehr als zwanzig Jahren Kurse anbietet und mit ihren beiden erwachsenen Töchtern als Bellydance-Ensemble mahasin auftritt – meist bei privaten Feiern.
Die Freude an der Bewegung und an der Musik sind die persönlichen Triebfedern für die Bauchtänzerin. In der Volkshochschule freut es sie besonders, „wenn ich sehe, wie meine Teilnehmer langsam lockerer, wie sie immer weicher werden.“
Von Weichsein kann bei Teilnehmer Nr. 2 im Moment noch keine Rede sein. Er hört von ganz weit eine weibliche Stimme: „Jetzt beginnen wir zu tanzen, dazu die Schlangenarme, bitte.“ Die Ausrede, dass Mann Angst vor Schlangen hat, lässt Susi nicht gelten. Und es hat wohl auch einen Grund, warum wir im Österreichischen Wörterbuch Anmut, die lesen. Die Anmut und der Mann? Das geht nur ganz schwer zusammen.
„Emanzipationsarbeit“
Zwei Männer, die in ihrer VHS bauchtanzen, das ruft Direktorin Doris Zametzer auf den Plan. Sie hat vor mittlerweile 25 Jahren den ersten „Hemdenbügelkurs für Männer“ angeboten (auch damals war der KURIER Bügeleisen und Feder führend dabei).
Zametzer, die in der VHS Urania vor allem Frauen und auf der Landstraße Männer hinter dem Ofen hervorholen will, betreibt „Emanzipationsarbeit für Männer mit einem Augenzwinkern“. Die Bügelkurse waren ebenso wie „Knöpfe annähen für Männer“ und „Wie trenne ich die Wäsche für die Waschmaschine richtig“ beliebte Geburtstagsgeschenke.
Aber will man als Mann einen Bauchtanzkurs zum Geburtstag geschenkt bekommen?
Man will. Der fortgeschrittene Wolfgang tröstet den Redakteur mit den Worten: „Auch ich hab’ mir am Anfang furchtbar schwergetan. Ich habe dann heimlich daheim vor dem Spiegel geübt, und irgendwie ist mir dabei der Knopf aufgegangen.“ Heute freut sich der 67-jährige Wiener bereits auf den Kursstart im Oktober. Seine große Hoffnung: „Dass sich ausreichend Männer anmelden, damit der Kurs dann auch stattfinden kann.“
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