Fast alle kennen ihren Namen, aber – warum eigentlich? In den Nullerjahren war Kim Kardashian, seit heute vierzig, berühmt dafür, berühmt zu sein: ein „It-Girl“ der ersten Stunde, deren privates Sexvideo zufällig an die Öffentlichkeit gelangt war, mit einem berühmten Anwaltsvater, der in den Neunzigern O. J. Simpson vertrat, und einer noch berühmteren besten Freundin namens Paris Hilton. (Dass sie 2014 von Richard Lugner zum Opernball geladen war, trug zumindest in Österreich einiges zu ihrer Bekanntheit bei.)
2007 wurde die erste Staffel „Keeping Up with the Kardashians“ ausgestrahlt, eine Realitysoap über Kims fünf Geschwister, ihre Mutter Kris und ihren Stiefvater Bruce Jenner, einen Olympioniken, der seit 2015 als Frau lebt. Damals gab es weder Smartphones noch Instagram, wer sich alte Folgen reinzieht, sieht eine 27-Jährige, die mehrmals täglich die Linse ihrer Digitalkamera auf ihr Gesicht richtet.
21. Oktober 1980
Kimberly Noel Kardashian wird in Los Angeles als zweites Kind von Kris und Robert Kardashian geboren. Sie hat drei Geschwister und zwei Halbschwestern
80 Tsd US-Dollar
verdient sie für jede Folge ihrer Realityshow „Keeping Up with the Kardashians“, die seit 2007 ununterbrochen läuft
190 Mio Abonnenten
hat @kimkardashian auf ihrem Instagram-Profil – nur ihrer Halbschwester Kylie Jenner folgen mehr
900 Mio US-Dollar
betrug ihr Vermögen laut dem Magazin Forbes im Jahr 2020
Familienmensch
2014 heiratete sie Rapper und Modeunternehmer Kanye West, sie haben vier Kinder: North, Saint, Chicago und Psalm
In den Zehnerjahren bekam Ruhm neue Kanäle: Mit der Erfindung der sozialen Medien erfand sich auch Kim Kardashian neu und krönte sich zur Königin der digitalen Selbstvermarktung. „Sie weiß, was sich verkauft und hat ein extrem gutes Gespür für den Zeitgeist“, sagt die Kulturpädagogin Katja Gunkel, die an der Goethe-Universität Frankfurt zu neuen Medien und Popkultur forscht.
Vier Bereiche, in denen sich ihr Einfluss bemerkbar macht:
Social Media
Als Kim Kardashian 2012 ihr erstes Foto auf Instagram postete, war sie bereits seit fünf Jahren gewöhnt, jedes Detail ihres Lebens mit der Öffentlichkeit zu teilen. Wie keine vor ihr nutzte sie die Plattform, um ihre Marke zu kreieren und unzählige Projekte – von Parfums über spezielle Kim-Emojis bis zu einer Make-up-Linie – zu bewerben. „Ich habe rasch erkannt, dass Social Media meine gratis Fokusgruppe werden würde“, sagte sie 2019 in The Cut. Heute soll sie für ein gesponsertes Posting bis zu einer Million US-Dollar bekommen.
2015 trieb sie den Selfie-Hype auf die Spitze und brachte einen analogen Sammelband ihrer digitalen Selbstporträts auf den Markt. Titel: „Selfish“ (Egoistisch). „Das hat schon etwas Parodistisches“, sagt die Kulturpädagogin. „Das Spiel mit totalem Narzissmus und Selbstironie beherrscht Kardashian wie keine Zweite.“
Kurven-Kult
Eine üppige Oberweite, ultraschmale Taille und vor allem: ein runder, cellulitefreier Po. Erstmals seit den Fünfzigerjahren galten extreme Kurven à la Kim als Körperideal vieler Frauen. Plastische Chirurgen berichteten von jungen Klientinnen, die sich mit Eigenfettinjektion in Po und Hüfte zur straffen Sanduhr modellieren ließen.
Dieses Ideal veränderte, wie man Fotos vom eigenen Körper ins Netz stellt, sagt die Kulturpädagogin: „Man streckt den Hintern in die Kamera, stellt sich auf die Zehenspitzen und dreht sich so, dass der Po möglichst drall wirkt. Ein leichtes Hohlkreuz betont die Taille.“ So wie Kardashian mit geölter, nackter Kehrseite auf dem legendären Cover des Paper Magazine 2014.
Für ihren „Taillentrainer“, den sie als Teil ihrer Shapewear-Linie verkauft, kassierte Kardashian viel Kritik von Ärzten und Psychologen – sie propagiere eine Körperform, die für die meisten Frauen unerreichbar und ungesund sei.
Modetrends
Enge Latexkleider, klobige Sneakers, transparente Sandalen, Radlerhosen, Flip Flops mit Absatz – das sind nur ein paar Trends der vergangenen Jahre, die von Kardashian und ihrem Mann Kanye West, der mit seinem Modelabel Yeezy selbst Milliarden verdient, angestoßen wurden. Die Evolution von der Trashqueen zur Stilikone sei ihm zu verdanken, sagte Kardashian einmal – „als wir zusammenkamen, sagte er mir, ich hätte den schlimmsten Style“. Heute verkauft Kardashian ihre eigene Kleidung. Die figurformende Unterwäschekollektion Skims war innerhalb von zwei Minuten ausverkauft.
Auch bei ihren Kindern beweist sie Trendgespür: Statt blau und rosa werden die vier Kleinen seit ihrer Geburt zeitgemäß in fast schon neurotischer Konsequenz in genderneutrale Erdtöne gehüllt.
Politisches Engagement
Um relevant zu bleiben, reicht es im Jahr 2020 nicht mehr, hübsche Fotos zu posten. Die Anwaltstochter erkannte das, inskribierte sich für Jus-Kurse und kämpft an vorderster Front für eine Gefängnisreform. Bei einem Besuch im Oval Office erwirkte sie eine Freilassung der Afroamerikanerin Alice Marie Johnson, die wegen eines Drogendelikts zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden war. Als Halb-Armenierin macht sie zudem immer wieder auf den Völkermord in ihrem Heimatland aufmerksam. Der Raubüberfall in einem Hotelzimmer 2016 sowie die Geburt ihrer Kinder haben ein Umdenken in ihr bewirkt, sagte Kardashian 2019 in einem Interview. Ihr Ziel sei es, als Anwältin Menschen zu helfen. Die Evolution der Kim K. hat gerade erst begonnen.
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