Hollywood: Glamour & Geheimnisse
Hollywood hat wohl einen Narren an uns gefressen. Erst gewährte die 1903 gegründete Filmstadt dem gebürtigen Galizier Paul Muni die Chance, den uramerikanischen Mafiaboss Tony „Scarface“ Camonte zu verkörpern. Dann wurde der Mittelscheitel der als Hedy Lamarr weltbekannt gewordenen Wienerin Hedwig Eva Maria Kiesler zur Trendfrisur in Hollywoods „goldener Ära“ in den 1940er-Jahren.
Zuvor komponierte der Gustav-Mahler-Schüler Max Steiner für das Filmstudio der Warner Brothers eine wuchtige Kennmelodie. Bis dann der gemütliche Billy Wilder die unberechenbaren Gefühle der Marilyn Monroe zähmte.
Ja, ohne die schier unerschöpfliche Talentschmiede Österreich wäre das lediglich 154.823 Einwohner zählende Hollywood (Stand im Jahr 2018) womöglich immer noch ein Dorf.
Jetzt übertreibt er aber, oder? Mag sein. Aber wir sind hier in Hollywood. Und dort wird vielleicht einiges, aber nicht das eigene Licht unter den Scheffel gestellt.
Faszinosum Film
Man nehme nur die Geburtsstunde dieser Innovation genauer unter die Lupe. Mit dem Kinetograph wurde das Faszinosum Film um 1890 zwar an der US-amerikanischen Ostküste erfunden. Aber erst unter der Sonne Kaliforniens sollten Filmstreifen zum Fundament einer bis heute funktionierenden Traumfabrik werden – Hollywood.
Und „wir“ waren von Anfang an dabei, wenn auch nur als Pechvogel. Mit Erich Oswald Stroheim, der sich 1915 als Statist und Stuntman bei den Dreharbeiten zum ersten Monumentalfilm der Geschichte – D. W. Griffith’ „The Birth of a Nation“ – die Rippen brach, hatte Österreich frühzeitig gezeigt, wie sehr sich seine Söhne reinhängen, wenn’s drauf ankommt.
Wer den Schneid hatte, wollte eben für diese neue Form des Entertainment alles geben.
Was heißt Unterhaltung? In Hollywood sprach man früh von der Unterhaltungsindustrie. Denn wie in einer Fabrik, in der viele Teile zu einem Produkt verarbeitet werden, benötigte Hollywood ständig neues Material bzw. Menschen, um die Schaulust der Massen zu befriedigen. Seit der Stummfilmzeit hat sich wenig daran geändert.
Die im Jahr 1947 angesiedelte Netflix-Miniserie „Hollywood“ erzählt die Geschichte dieses mythischen Orts nicht neu. Aber immerhin aus einem anderen Blickwinkel. Im Mittelpunkt steht mit Jack Costello (Daren Corenswet) ein Kriegsheimkehrer, der mit leeren Taschen und voller Hoffnungen in Los Angeles strandet, „hoffend darauf, das Erbe von Paul Muni und Hedy Lamarr anzutreten“.
Eine vergebene Mühe. Bis er sich einem als Tankwart getarnten Zuhälter Ernie (Dylan McDermott) ausliefert, um doch vom Flair der Filmwelt zu naschen.
Hollywood Babylon
Wo viel Licht, da nicht wenig Schatten. In der Chronique scandaleuse „Hollywood Babylon“ wurde das schon vor Jahren ausführlich beschrieben. Die Ansammlung von Klatsch- und Tratschgeschichten stammt vom Undergroundfilmer Kenneth Anger und reicht von der unlustigen Seite Charlie Chaplins bis zum patscherten Leben - und vor allem Sterben - des Sex-Symbols Jayne Mansfield.
Doch wer sich von der düsteren Seite Hollywoods nährt, ist selbst nicht davor gefeit, über eigene Fehltritte zu stolpern. Der heute 93-jährige Anger hatte lange behauptet, 1935 in „Ein Sommernachtstraum“ einen unheimlichen Prinzen gespielt zu haben. Um als Wunderkind gelten zu können?
Wunderkinder unter sich
Die Episode verdiente hier keine Beachtung, wenn nicht besagte Shakespeare-Verfilmung von einem aus Baden bei Wien stammenden Regisseur inszeniert worden wäre. Sein Name ist auch in Theaterkreisen nicht unbekannt: Max Reinhardt, Begründer der Salzburger Festspiele und wie Billy Wilder, Fritz Lang oder Hedy Lamarr in den Dreißiger Jahren aus Österreich vertrieben.
Solche Zufälle bringt wohl auch nur Hollywood zustande. Und das in Serie, denn es folgen gleich weitere Überraschungen. Obwohl der „Sommernachtstraum“ Reinhardts einziger Ausflug nach Hollywood bleiben sollte, ist ihm die Stadt der Träume auf immer und ewig verpflichtet. Der Theatermann gilt nämlich als Entdecker von Olivia de Havilland.
Und die wiederum zählt zum alten Hollywood-Adel, lebt noch und hat sich erst vor drei Jahren mit dem Macher des „Hollywood“-Serienspektakels, Ryan Murphy, vor Gericht eine Fehde geliefert. Auch das gibt’s wohl nur in Hollywood.
De Havilland, Jahrgang 1916 und einstige Leinwand-Partnerin von Errol Flynn, ist eine der noch ganz wenigen lebenden „Grande Dames“ aus Hollywoods „Goldenen Jahren“. Mehr noch. Obwohl sehr zurückgezogen in Paris lebend, war der heute 104-jährigen Schauspielerin ein Dorn im Auge, wie in der TV-Serie „Feud“ über den legendären Divenkrieg zwischen Bette Davis und Joan Fontaine ihre Beziehung zu ihrer jüngeren Schwester miesgemacht wurde.
Privat in Hollywood?
Privatsache? Nicht in Hollywood, auch nicht nach so vielen Jahren. Dennoch wurde dem Ansinnen ein kurzer Prozess gemacht und die Klage abgewiesen.
Natürlich spürt man bei „Hollywood“, der Serie, dass Produzent Ryan Murphy – auf sein Konto gehen auch die Erfolge „Nip/Tuck“ sowie „Glee“ – niemandem wirklich zu nahe treten will. Komponist Cole Porter („I’ve Got You Under My Skin“) war schwul, und die Partys bei George Cukor („My Fair Lady“) waren wohl auch nicht ohne: Für alle, die mehr als nur PR-Berichte lesen, war und ist das keine Neuigkeit.
Ryan Murphys Verdienst aber ist es, die alten Geschichten und G’schichterln wieder zum Thema gemacht zu haben. Er selbst, Jahrgang 1965, wurde in seiner Heimatstadt Indianapolis von den Tratschgeschichten seiner Oma angefixt. Wenn man wie er seinen Geburtstag mit einer echten Legende teilt – Hedy Lamarr und der 9. November – kann man sich vorstellen, dass in einer möglichen Fortsetzung von „Hollywood“ noch mehr (Schmutz-)Wäsche gewaschen wird.
k.u.k. König von Hollywood
Es wird sein Schaden nicht sein. Denn in einem hat sich die Lage seither schon verbessert. Ob Sunset Strip oder Sunset Boulevard, man gerät nicht mehr so rasch in den Verdacht, ein Nestbeschmutzer zu sein. Weil eben Netflix das Nest, das Filmnerds behütet, größer gemacht hat.
Als Billy Wilder, der „k.u.k. King von Hollywood“ (Hellmuth Karasek), 1934 in Los Angeles ankam, sprach er kein Wort Englisch. Es vergingen zwar einige Jahre, bis er mit Marilyn Monroe, der erotischsten Schauspielerin, die Hollywood hervorbringen sollte, 1958 „Manche mögen’s heiß“ drehte. Aber die Zeit ließ er nicht ungenutzt verstreichen.
Wilder hatte da bereits zwei Oscars in der Tasche. Und eine wichtige Erfahrung gemacht: Hollywood hat es nicht gern, kritisiert zu werden, besonders nicht von einem aus den eigenen Reihen.
Sein Drama „Sunset Boulevard“ („Boulevard der Dämmerung“, 1950) über einen frustrierten Skriptautor und eine vergessene Stummfilmdiva gilt vielen als bester Hollywood-Film über Hollywood. Louis B. Mayer, damals der mächtigste Studioboss, sah das anders. Er fing Billy Wilder nach der Premiere vor dem Kino ab und schnaubte: „Sie Bastard, Sie haben die Industrie in den Dreck gezogen, die sie gemacht und aufgepäppelt hat. Man sollte sie teeren und federn und aus Hollywood jagen.“
Zum Glück kam es nie dazu. Ganz im Gegenteil. Der Ruf Österreichs in Hollywood ist seit Jahren ungebrochen vorteilhaft und das auch unabhängig vom Abschneiden bei einer Oscar-Gala oder gerade aktueller Filme mit Christoph Waltz oder Arnold Schwarzenegger. Bald wird das Verhältnis sogar noch inniger.
Im Dezember soll in Los Angeles das erste Oscar-Museum eröffnen. Chefkuratorin des Museums ist mit Doris Berger eine Österreicherin aus Puchenau bei Linz – die Freizeit berichtete bereits ausführlich.
Kommentare